Ost- und Zwangsarbeiter in Plettenberg
Aktuelle Presseartikel
Die Geschichte der Ost- und Zwangsarbeiter (und Kriegsgefangenen) in Plettenberg
ist bisher nur sehr dürftig und zudem aus oft recht einseitigem Blickwinkel
beleuchtet worden. Erst dem gebürtigen Plettenberger Eckhardt Brockhaus, der
heute (1999) in Fuldabrück bei Kassel lebt, ist es zu verdanken, dass für
dieses Thema im Zusammenhang mit der Frage nach einer freiwilligen
Entschädigung und Gründung eines Plettenberger Fonds für die Zwangsarbeiter eine breite Diskussionsebene geschaffen wurde.
Stadtarchivar Martin Zimmer sorgte mit der Erschließung
der sogenannten "Ostarbeiter"-Kartei im Stadtarchiv für ein auch wissenschaftlich
erschließbares Stück Stadtgeschichtsschreibung. Als Lehrer und Konrektor an
der Grundschule Ohle sorgte er außerdem dafür, dass die Jugend auf das Schicksal der
Zwangsarbeiter aufmerksam wurde, indem er mit Schülern jeweils im November auf den
Ohler Friedhof ging und die Grabplatten an den 20 sogenannten "Russengräbern"
reinigte. "Mit 18 stirbt man doch nicht!?" kommentierten die Grundschüler
die Daten der dort begrabenen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter.
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Die folgenden Beiträge können nur einen kleinen Einblick in das Geschehen und die Lage der Ost- u. Zwangsarbeiter geben, sollen aber dazu beitragen, an das Schicksal dieser Menschen in Plettenberg von 1942 bis 1945 zu erinnern. |
![]() Baracken an der Wiesenstraße - zuvor Zwangsarbeiterlager |
Nach einer Liste im Stadtarchiv gab es in Plettenberg mindestens 25 Lager für Ost- und Zivilarbeiter sowie Kriegsgefangene. Im Sommer 1941, nach dem Beginn des Rußlandfeldzuges, kamen die ersten russischen Kriegsgefangenen ins Elsetal. Sie wurden in Baracken auf dem Holthauser Sportplatz untergebracht. Später kamen russische Zivilarbeiter (Zwangsarbeiter) hinzu, die in einer Baracke hinter der Fa. Gesenkbau Biecker untergebracht waren. (Quelle: Stadtarchiv, Elsetal - Stadtchronik 1939-1950)
1941: Stadtverwaltung fordert 100 Kriegsgefangene an
In dem handschriftlichen Entwurf eines Schreibens der Stadt Plettenberg vom
15. August 1941 an das Arbeitsamt
in Lüdenscheid heißt es: Betr. Beschaffung von russischen Kriegsgefangenen.
"Die Gemeinnützige Bau- und Siedlungsgenossenschaft von Plettenberg hat eine
als kriegswichtig anerkannte Siedlung am Eschen zu Plettenberg errichtet,
auf der Anfang September ca. 40 Wohnungen bezugsfertig hergestellt sind. Der
Stadt Pl. ist es leider unter größten Bemühungen nicht gelungen, die dringend
erforderlichen Versorgungsleitungen für Trink- + Löschwasser herzustellen,
obwohl die benötigten Rohre bereits seit längerer Zeit vorhanden sind.
Desgleichen ist auch der Entwässerungskanal nur bis zu 1/10 der Anlage
fertiggestellt.
Um eine Übersicht der noch zu leistenden Arbeiten zu geben, bitte ich folgende
Angaben zu überpüfen: Es ist eine Wasserleitung von 1600 lfdm. zu verlegen.
Davon wurden bisher nur 450 Meter fertiggestellt. Die Gesamtlänge des
erforderlichen Kanals beträgt 1800 lfdm. Davon sind bisher nur 300 m
fertiggestellt. Zur Durchführung der gesamten Arbeit sind mindestens 15-2000
Tagwerk abzuleisten, so daß 100 Kriegsgefangene für ein ganzes Jahr Arbeit
haben, ohne die noch nicht erwähnten Straßenbauarbeiten der Siedlung in Betracht
zu ziehen.
Die Stadt beabsichtigt, ganz isoliert von Wohnstätten, eine Wohnbaracke für
100 Kriegsgefangene zu errichten. Diese Gefangenen sollen speziell für die
vorgenannten Arbeiten angesetzt werden. Mit Rücksicht auf die Dringlichkeit
und Kriegswichtigkeit des Bauverfahrens bitte ich, die Zuteilung ermöglichen
zu wollen..." (Quelle: Stadtarchiv Plettenberg)
Lager Schwarzenbergsaal und im Rüsingschen Saal |
Da in der Industrie, in der Landwirtschaft und in der Stadt in den Stadtforsten
usw. ein großer Mangel an Arbeitskräften besteht, bitte ich um Mitteilung, ob
eine Neubesetzung des Lagers durch andere Kriegsgefangene wie Serben usw.
möglich ist. Ggf. würde ich die Zuteilung umgehend beantragen." (Quelle:
Stadtarchiv Plettenberg) |
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Am 4. Juli 1941 fordert der Beigeordnete der Stadt auf einem Formularvordruck beim Arbeitsamt Lüdenscheid 120 russische Kriegsgefangene als Erd- und Bauarbeiter an. Sie sollen "Hochwasserschäden beseitigen", genauer "Kiesmassen aus Wiesen beseitigen und Stützmauern erstellen". Die wöchentliche Arbeitszeit soll 48 Stunden betragen, die Löhne "60 Prozent der zuständigen Lohnsätze für freie deutsche Arbeiter, soweit das Entgelt für Kriegsgefangene nicht besonders festgesetzt ist". Die Unterbringung der Wachmannschaften soll dort erfolgen, wo auch die Krieggefangenen untergebracht werden: Im Lager Schwarzenbergstraße (später Elektrowerkstatt Adam Brehmer). Das Lager war bis zu diesem Zeitpunkt mit französischen Kriegsgefangenen belegt, die entlassen wurden, erkrankt waren oder ins Lager PTV-Halle verlegt wurden. Eine Lagerküche sei vorhanden, die Bewachung sei wie folgt gesichert: vergitterte Fenster, Umrahmung mit Stacheldraht. (Quelle: Stadtarchiv Plettenberg) |
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Im Stadtarchiv finden sich zahllose Schreiben Plettenberger Firmen an den
Bürgermeister der Stadt Plettenberg mit dem Tenor "Wir benötigen dringend
russische Kriegsgefangene". Die Firma Gegrory & Co schrieb am 16. April 1942:
"Wir befinden uns den Ford-Werken in Köln gegenüber in erheblichem Lieferungsrückstand und hat man uns daher
gestern telefonisch die Zuweisung russischer Kriegsgefangener vorgeschlagen,
die in Köln bzw. dem genannten Werk frei sind." Langenbach & Köster bittet
am 18. April 1942 "wenn die Verteilung der Kriegsgefangenen
auf die einzelnen Betriebe erfolgt, auch uns zu berücksichtigen".
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Am 6. Februar 1942
teilt die Firma J. Rempel der Stadt mit, dass sie "20 sowjetische Kriegsgefangene
beantragt" habe. Die Firma H. B. Seissenschmidt A.G. meldet beim Bürgermeister
am 7. Januar 1942 "zur Unterbringung in dem zu errichtenden Sammellager 25 russische
Kriegsgefangene" an.
Durch die Unterbringung in Sammellagern stand es mit den hygienischen Verhältnissen
für die Kriegsgefangenen nicht zum Besten. In Plettenberg-Kahley war deshalb
eigens eine Entlausungsanstalt eingerichtet worden.
In regelmäßigen Abständen wurden die Lager auch besichtigt und über den jeweiligen
Zustand Protokolle angefertigt.
Zum Thema erschienene Veröffentlichungen:
"Plettenberg Fonds" startet Entschädigung für Zwangsarbeiter
Über Verteilung der Stiftungsgelder Einigung erzielt
Opfer haben keine Zeit mehr - Zwangsarbeiter jetzt entschädigen!
Kreistag Lippe hat Bereitschaft zu Zahlungen erklärt
Beschäftigte die Muna im Krieg KZ-Häftlinge?
Dorsten: Erste Firma tritt dem Stiftungsfonds bei
Butterbrote auf dem Weg in die Kanonenfabrik
Im Jahr 1942 bauten acht Firmen das "Ostarbeiter-Lager Waldlust"
Verhandlungen in Washington angeblich dicht am Ziel
Jewish Claims Conference gerät in die Kritik
Mangels Namen keine Zwangsarbeit-Entschädigung
Das traurige Fazit: "Ostarbeiter gequält, Frauen vergewaltigt"
"Firmen mit Zwangsarbeitern konfrontieren"
Bürgermeister soll auf Unternehmen einwirken und berichten
Zwangsarbeit soll erforscht werden
Stadt muß ca. 80.000 Mark für Zwangsarbeiter zahlen
Seissenschmidt und Brockhaus beigetreten
Verantwortung übernehmen
Entschädigungsinitiative für Zwangsarbeiter
Brockhaus Soehne wies schon 1989 auf Zwangsarbeiter hin
Christfest im Lager unterm Tannenbaum
Rente für ehemalige Zwangsarbeiter stößt auf viele Hemmnisse
Viele der ehemaligen Zwangsarbeiter bereits verstorben
Manch leidvolle Erinnerung an eine dennoch schöne kleine Stadt
Zwei Löffel als Erinnerung an Sklavenarbeit
Rückblick auf die Fahrt zu ehemaligen Zwangsarbeitern nach Jenakiewo/Ukraine
Keine Entschädigung für deutsche Opfer
Münchner Rentner beschämt Plettenberger mit Spende
Starker Tobak: Zwangsarbeit wird geleugnet
Die Last einer Erbschaft
Nur eine warme Mahlzeit und Brot mit Sägemehl
Zwangsarbeiter: IG Metall sucht Gespräch
Zwangsarbeiter - Suche beginnt im Sauerland
Zwangsarbeit wurde in der UdSSR als
"Kolaboration mit dem Feind" gewertet
Initiative für ehemalige Zwangsarbeiter
anderer Firmen unterstützen
Nadeschda Tatarinova: "Auch ich wurde nach Plettenberg verschleppt"
Brockhaus: Eigenen Fonds für ehemalige Zwangsarbeiter schaffen
Brockhaus-Erbe hilft ehemaligen Zwangsarbeitern
Erinnerung an Zeit bei Seissenschmidt noch sehr lebendig
"Von Menschen, Mitläufern und Machthabern"
Mit 16 Jahren vom Kaukasus nach Rathenow - Meine beste Zeit"
Zwangsarbeiter im II. Weltkrieg
Die Situation der Kriegsgefangenen und
Fremdarbeiter in Plettenberg
Zwangsarbeiter in Deutschland
Begegnungen am Tatort
IG Metall setzt sich für Entschädigung
ehemaliger Zwangsarbeiter ein
Zwangsarbeiter fordern Entschädigung
vor deutscher Botschaft in Kiew
Durchbruch für Zwangsarbeiter vor Arbeitsgericht
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