Quelle: WR v. 16.10.1999
Diplompsychologe arbeitet ein Stück der eigenen Familiengeschichte auf
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![]() Eckhardt Brockhaus zu Gast in der Ukraine |
Plettenberg. (HH) Über den Lebens- und Leidensweg der sogenannten Ostarbeiter ist seit Kriegsende nur in Einzelfällen berichtet worden. Diplompsychologe Eckhardt Brockhaus, Miterbe der Firma Brockhaus Soehne und seit einem Jahr in der Ukraine auf Spurensuche, hat jetzt dazu aufgerufen, einen Plettenberger Hilfsfond zugunsten der noch lebenden ehemaligen Zwangsarbeiter einzurichten. Sein Startbeitrag dazu: Eine Liste mit 315 aktuellen Adressen früher in Plettenberg tätig gewesener Zwangsarbeiter. |
Auslöser für das plötzliche
Interesse des 1945 geborenen Psychoanalytikers Eckhardt Brockhaus am
Schicksal der Zwangsarbeiter war Nikolai Brobow aus der Ukraine. Der
ehemalige Zwangsarbeiter meldete sich 1995 bei der Firma Brockhaus Soehne
in Plettenberg-Wiesenthal, seinem Arbeitgeber von 1942-1945, weil er eine
Bescheinigung für die Rentenbehörde brauchte.
Eckhardt Brockhaus, Mitgesellschafter des Schmiedeunternehmens, erfuhr
später durch seinen Vetter Dr. Christian Schuppener von diesem Brief. Er
begann, sich für diesen von seinem Vater nie erwähnten Teil der
Firmengeschichte zu interessieren. In seiner Schwester Gudrun, die sich
seit längerem aus soziologischer und psychoanalytischer Sicht mit der
NS-Zeit beschäftigt, fand er eine Mitstreiterin.
Bundesweit einmalige Unterlagen im Plettenberger Stadtarchiv - eine Kartei
mit den Namen und Arbeitsstellen sämtlicher Ostarbeiter - brachten Eckhardt
Brockhaus auf die Spur jener Zwangsarbeiter, die im elterlichen Betrieb in
Wiesenthal tätig gewesen waren.
Brockhaus versuchte 1998 Kontakt zu Nikolai Brobow aufzunehmen, aber: Der
hatte inzwischen die Arbeitsbescheinigung für die erhoffte Rentenerhöhung
eingereicht, doch nun forderte man von ihm noch den Nachweis, dass er 1942
verschleppt wurde . . . Brobow erkrankte wenig später und starb 1997; trotz
zahlreicher von Dr. Schuppener zugesandter Medikamente.
Im August 1999 fuhr Eckhard Brockhaus in die Ukraine und bekam mit Hilfe
der Hilfsorganisation Memorial (Moskau) und der Stiftung für Verständigung
und Versöhnung in Kiew eine Liste mit 315 Namen und Adressen noch lebender
Zwangsarbeiter, die in Plettenberg tätig waren.
Für die ehemaligen Zwangsarbeiter der Firma Brockhaus Soehne, die bisher
namentlich bekannt sind, noch leben und ausfindig gemacht werden konnten,
planen Gudrun und Eckhardt Brockhaus eine Unterstützung. Überlegt wird, ihnen für vier Jahre eine monatliche Rente von 100 Mark zukommen zu lassen.
Für die 315 in der eingangs erwähnten Liste aufgeführten ehemaligen
Zwangsarbeiter in Plettenberg regt Brockhaus die Einrichtung eines Hilfsfonds
an. In den könnten alle Bürger und natürlich die heimischen Industriebetriebe
einzahlen. Etwa 250 000 Mark würden ausreichen, um zunächst rund 50 (von den
315) noch lebenden Zwangsarbeitern einen finanziell sorgenfreien Lebensabend
zu garantieren.
Nach Gesprächen, die Brockhaus mit ehemaligen Zwangsarbeitern in der Ukraine
geführt hat, scheint es Transporte mit 600 Zwangsarbeitern aus der Region
Jenakievo/Ukraine direkt nach Plettenberg gegeben zu haben. Die Stadt
Jenakievo plant in ihrem Museum eine Ausstellung über das Schicksal der
Zwangsarbeiter. Kontakte mit der Stadt Plettenberg wurden eingeleitet.
In einer Arbeit mit dem Titel "Das nationalsozialistische Lagersystem",
herausgegeben von Martin Weinmann, sind genauestens Städte, die dort
vorhandenen Ostarbeiterlager, Firmen und die Anzahl der dort beschäftigten
Ostarbeiter aufgelistet. Für Plettenberg und Herscheid finden sich dort
folgende Hinweise auf Zwangsarbeiterlager: |