WR vom 30. Oktober 1999
Mehr als 1500 Ost- und Zwangsarbeiter in Plettenberg Zwangsarbeit wurde in der UdSSR als
"Kolaboration mit dem Feind" gewertet

Plettenberg. (HH) Mehr als 1500 sogenannte Ost- und Zwangsarbeiter waren in den Jahren von 1942 bis 1945 in heimischen Betrieben oder für die Stadtverwaltung Plettenberg tätig. Nach der Befreiung durch die Amerikaner mußten die Ostarbeiter in ihrer Heimat aber verschweigen, dass sie "mit dem Feind kolaboriert" hatten. Erst seit der Perestroika wagen sie es, nach Belegen für die Zwangsarbeit für ihre Rentenansprüche zu suchen.

Aktualität hat das Thema durch die andauernden Entschädigungs-Verhandlungen von Otto Graf Lambsdorff in USA und durch Eckhardt Brockhaus, Mitgesellschafter eines mittelständischen Plettenberger Unternehmens, der sich aus privatem Antrieb und höchstpersönlich mit Besuchen bei ehemaligen Zwangsarbeitern in der Ukraine um Wiedergutmachung bemüht (WR berichtete).

In vielen Gesprächen mit ehemaligen Zwangsarbeitern erfuhr der Chronist immer wieder die gleiche Geschichte: Wer nach dem Ende des II. Weltkrieges als Ost- oder Zwangsarbeiter in seine Heimat zurückkehrte, vernichtete oder versteckte alle Hinweise auf seine Tätigkeit in Deutschland.

Wurde sie bekannt, drohte den Ostarbeitern ein Arbeitslager in Sibierien als Strafe für die "Kolaboration mit dem Feind". Jahrzehntelang wagten die ehemaligen Zwangsarbeiter deshalb nicht, von diesem Teil ihres Lebens zu sprechen. Erst seit dem Fall des eisernen Vorhangs durch die "Perestroika" Gorbatschows, und ermuntert durch avisierte Entschädigungszahlungen und Anrechnung der Zeiten auf die spärliche Rente, suchen viele nach Belegen für die Jahre der Arbeit in Deutschland.

Ostarbeitern drohte Arbeitslager in Sibirien

Nicht nur in Plettenberg, auch in Altena und anderen märkischen Städten gibt es in den Archiven Karteien mit den Namen der ehemaligen Ost- und Zwangsarbeiter. Das meldete jetzt Kreisarchivar Ulrich Bieroth der WR. Das Kreisarchiv bekommt schon seit Jahren Anfragen von ehemaligen Ostarbeitern, die für die Rentenanträge eine Bescheinigung über ihre Zeit in Deutschland benötigen. Für die Bereich Werdohl, Neuenrade und Herscheid liegen solche Unterlagen (insgesamt rund 2400 Namen von Ostarbeitern) im Kreisarchiv vor. Andere Städte wie Plettenberg (rund 1500 Karteikarten) oder Altena (rund 1100 Karteikarten) haben eigene Dateien.

Kreisarchivar Bieroth hat jetzt alle Archivleiter im Märkischen Kreis angeschrieben, ihm Kopien eventuell vorhandener Ostarbeiterkarteien zur Verfügung zu stellen. Neben den Unterlagen in den Kommunalarchiven gibt es Datenbestände aus Firmenarchiven, Unterlagen aus dem Nachlass eines Arztes und Daten der AOK. Letztere hat aber schon signalisiert, dass sie Auskünfte nur an Berechtigte erteilen darf - das wären die Firmen oder die Ostarbeiter selbst.

Im Oktober 2000 soll eine Ausstellung des Kreisarchivs zum Thema Zwangsarbeiter im Deutschen Drahtmuseum auf der Burg Altena stattfinden. Exponate für die Ausstellung gibt es reichlich: Karteikarten, Bauzeichnungen und Fotos der Barackenlager, von Ostarbeiter bei der Arbeit bis hin zu handwerklichen Arbeiten, die von Ostarbeitern in jener Zeit gefertigt wurden.