Mit 18 stirbt man
doch nicht!?

Wenn Lehrer Martin Zimmer jeweils im November mit seinen Grundschülern auf den Ohler Friedhof ging, um die Grabplatten der sogenannten "Russengräber" mit Wurzelbürste und Wasser zu reinigen, stellten die Kinder viele Fragen. Zunächst versuchten sie zu ergründen, was denn Bezeichnungen wie "ZR", "KGF" oder "ZP" auf den Grabsteinen bedeuten.

Russengraeber auf dem Ohler Friedhof
1999: "Russen-Gräber" auf dem Ohler Friedhof

Russenstein
Der Obelisk, der sogenannte "Russenstein". Er wurde Ende der 1980er Jahre vom Friedhof am Hirtenböhl zum Ohler Friedhof umgesetzt.

Martin Zimmer erklärte die Abkürzungen: "ZR" steht für "Zivilrusse", "ZP" für "Zivilpole", also für meist sehr junge Menschen, die von deutschen Truppen in der Ukraine, Weißrußland, Rußland, Moldawien, dem Baltikum, aus Polen usw. als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt, in Zwangsarbeiterlagern untergebracht und in Betrieben zur Produktion von Rüstungsteilen gezwungen wurden. In Plettenberg gab es ein Dutzend solcher "Ostarbeiterlager".
"KGF" bedeutet "Kriegsgefangener". Das sind Soldaten gegnerischer Truppen, die im Zuge der Kriegs- und Kampfhandlungen gefangen genommen und in Strafgefangenenlagern (STALAG) eingesperrt wurden. Ein großes Kriegsgefangenenlager gab es in der 30 km entfernten Stadt Hemer, das STALAG VI a. Auch viele dieser Kriegsgefangenen wurden als Zwangsarbeiter in Plettenberger Betrieben in den Jahren 1942-1945 eingesetzt.

Die jungen Schüler versuchen nach dem Reinigen der Grabsteine mühsam die Inschriften zu entziffern. Eine Schülerin beginnt an Hand der in den Stein gemeißelten Geburts- und Sterbedaten zu rechnen - geboren 1926, gestorben 1944 - "Mit 18 stirbt man doch nicht!?"
Martin Zimmer: "Viele von ihnen waren 15 oder 16 Jahre alt, als man sie in Güterwaggons lud und aus ihrer Heimat verschleppte. Viele haben die Strapazen des Transportes, des Lagerlebens nicht überlebt. So wie die Zwangsarbeiter, die hier auf unserem Ohler Friedhof begraben wurden."

Alexander Dimitriew
Alexander Dimitriew †16.05.1944

Die in russischer (kyrillischer) Schrift eingravierte Inschrift auf dem Obelisken, dem sogenannten "Russenstein", auf dem Ohler Friedhof lautet: "Hier liegen Sowjetbürger begraben, die in faschistischer Unfreiheit gestorben sind 1941-1945". Ein ursprünglich aus rotem Stein am Obelisken angebrachter roter Stern fehlt heute.