WAZ 13. März 2000
Beschäftigte die Muna im Krieg KZ-Häftlinge?


DORSTEN. Schwierigkeiten einer Recherche: "Die NS-Aktenführung", sagt Josef Ulfkotte, "hat nicht viel gemein mit der preußischen Ordnung". Der Historiker und Lehrer kann mit seinem Kollegen Jochen Schräjahr die Fakten zur Zwangsarbeit in Dorsten nur lückenhaft zusammen tragen.

Verworrene Zuständigkeiten zählten zu Politik des Nazi-Regimes. Hinzu kommt: "Die Arbeitsamts-Akten sind säuberlich vernichtet worden". Josef Ulfkotte nennt das "ein ganz großes Manko". Umso mehr sind die beiden Forscher in Diensten der Stadt angewiesen auf Firmen-Akten.

Da sind Geduld und Diplomatie gefragt. Die beiden Wissenschaftler wollen keineswegs als Ankläger gesehen werden. Josef Ulfkotte spricht von "einem sehr schwierigen Teil der Arbeit". Den macht die anhaltende Diskussion um die Stiftungs-Initiative der deutschen Wirtschaft nicht einfacher. Zwar hatte das erste Dorstener Unternehmen seinen Beitritt erklärt (die WAZ berichtete).

Doch die Historiker hörten auch von den Firmenchefs der heutigen Generation: Sie würden ja gerne zahlen - wenn sie wüssten, wen das Geld erreicht. Die Befürchtung: Gelder des Stiftungs-Fonds gingen zur Hälfte an US-Anwaltskanzleien. "Dann stehen wir da, Jochen und ich". Dabei vermutet Josef Ulfkotte noch historisch wertvolles Material "in den hintersten Aktenschränken" manchen Unternehmens.

Immerhin: Den schmalen Schnellhefter, der zunächst die Zwangsarbeiter-Akten der Stadt barg, hat das Team Ulfkotte/Schräjahr tüchtig aufgestockt. "Wir haben nicht nur nach dem Stichwort gesichtet", erklärt Josef Ulfkotte, "sondern im Archiv tatsächlich den Gesamtbestand 1939 bis ´45 durchgesehen."

Andere Quellen werden erst nach Wochen sprudeln. "Im Moment überlastet" ist der Internationale Suchdienst. Die Institution im hessischen Arolsen führt die Akten jener Heimatlosen, die von westlichen Alliierten "Displaced Persons" genannt wurden - darunter etliche, die mit Kriegsende der Zwangsarbeit entkamen.

Gab es KZ-Häftlinge in Dorsten?1 VHS-Direktor Franz-Josef Stevens vermutet ihren Einsatz in der damals auch als Munitions-Fabrik hochgefährlichen Muna. "Das lässt sich nicht ausschließen", meint Josef Ulfkotte. Der Historiker kennt bisher nur einen Bericht der Amtsverwaltung von 1950, Inhalt: Es habe keine Sammeltransporte von und nach Dorsten gegeben.

Für die Forschungsgruppe "Dorsten unterm Hakenkreuz" - so erinnert sich F. J. Stevens - stand das Thema Zwangsarbeit in den 80er Jahren "am Rande". Dafür soll es im kommenden Jubiläumsjahr 2001 als Teil einer historischen Veranstaltungsreihe der VHS größeren Stellenwert einnehmen. Der Heimatbund startet noch in diesem Monat eine dreiteilige Veranstaltungs-Reihe zu Geschichte und Gegenwart. Titel: "Fremde in der Stadt." raw


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