Januar 1999: IG Metall setzt sich für Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter ein Frankfurt/Main (mpd) - Die IG Metall will sich in allen Betrieben der Metallindustrie um die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter aus der NS-Zeit kümmern. Zur Zeit verschickt die Gewerkschaft an ihre 180 Verwaltungsstellen Listen von Betrieben, die Zwangsarbeiter eingesetzt haben. In einem am Dienstag in Frankfurt veröffentlichten Begleitschreiben fordert IG Metall-Vorsitzender Klaus Zwickel Betriebsräte, Vertrauensleute, Aufsichtsratsmitglieder und die Beschäftigten auf, "ein Zeichen der Solidarität zu setzen, die Entschädigungsfrage verantwortungsvoll aufzugreifen und auf eine politische Lösung in Form einer Bundesstiftung zu drängen". Darüber hinaus sollen Historiker und Zeitzeugen befragt, sowie Firmenarchive durchgesehen werden. Betriebskrankenkassen, die Allgemeine Ortskrankenkasse, Bibliotheken und öffentliche Archive können nach Angaben der IG Metall weitere Anlaufstellen für örtliche Recherchen sein. Die Firmenleitungen sollen von den Betriebsräten aufgefordert werden, die Aufklärungsarbeit zu unterstützen. Die Versklavung von Millionen Frauen, Männern und Kindern sei ein Verbrechen, das nicht durch Stillschweigen im Nachhinein legitimiert werden dürfe, betont die IG Metall in einem Faltblatt. Das Unrecht könne zwar nicht wieder gutgemacht werden, aber Staat und Industrie müßten sich endlich ihrer historischen Verantwortung stellen und Entschädigung zahlen. Die IG Metall erinnert daran, daß während des Zweiten Weltkrieges rund zehn Millionen Menschen aus 20 Nationen Zwangsarbeit machen mußten, damals jeder dritte Beschäftigte. Viele Unternehmen hätten zur Aufrechterhaltung ihrer Produktion Zwangsarbeiter von staatlichen Stellen angefordert und gezielt ausgesucht. In der Industrie habe ihr Anteil bei knapp 40 Prozent der gewerblichen Arbeitnehmer gelegen. In der Rüstungsindustrie sei sogar jeder zweite Beschäftigte Zwangsarbeiter gewesen. In einzelnen Betrieben habe ihr Anteil bis zu 90 Prozent betragen. Bei Kriegsende hätten mehr als 1000 KZ-Außenlager existiert, die sich direkt auf oder in der Nähe von Firmengeländen befanden. Bis heute sei die Mehrheit der Zwangsarbeiter von einer Entschädigung ausgeschlossen, erklärte die IG Metall. Einige große Unternehmen hätten zwar betriebliche Fonds zur Entschädigung eingerichtet, insgesamt sei jedoch eine Bundesstiftung am sinnvollsten. Nur eine vom Staat und den betroffenen Betrieben gespeiste öffentlich-rechtliche Stiftung könne allen noch lebenden ehemaligen Zwangsarbeitern schnell, unbürokratisch und individuell helfen. Die wenigen Überlebenden hätten bisher durchschnittlich nicht mehr als 200 Mark Entschädigung aus Bundesmitteln erhalten. "Entschädigung für das ihnen zugefügte Leid, für den entgangenen Lohn und für den Profit, der mit ihrer Arbeit gemacht wurde, haben sie nie erhalten", betont die IG Metall. Die Gewerkschaft verweist darauf, daß es in einigen ihrer Verwaltungsstellen bereits Aktivitäten für die juristische Durchsetzung von Ansprüchen ehemaliger Zwangsarbeitger gibt. Da zu befürchten sei, daß im Mai diesen Jahres die Ansprüche verjähren, sollen Betriebsräte ihre Firmenleitungen drängen, auf diese Verjährung zu verzichten. |