Frankfurter Neue Presse, Dienstag, 29.02.2000

Zwangsarbeit in den fünf Nidderauer
Stadtteilen soll erforscht werden

Nidderau. Im Gegensatz zu Schöneck will sich die Stadt Nidderau ihrer historischen Verantwortung stellen und im Alt-Archiv nachforschen lassen, ob während der NS-Diktatur in den fünf Stadtteilen Zwangsarbeiter beschäftigt wurden.

 Darauf einigten sich die Stadtverordneten auf ihrer jüngsten Sitzung. Nur die FWG-Fraktion enthielt sich der Stimme, ein FWG-Mitglied stimmte gegen den gemeinsamen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und SPD. In der Nachbargemeinde Schöneck hatten kürzlich die Parlamentarier einen ähnlichen Antrag der Grünen-Fraktion abgelehnt.

 Dass es bei der Zwangsarbeiter-Frage in Nidderau gar nicht so sehr um das "ob" als vielmehr um das "wie viele", "wer" und "wie" geht, machte SPD-Fraktionsvorsitzender Wilfried Bus deutlich: "Auch in den Nidderauer Stadtteilen wurden mit Sicherheit Menschen zur Zwangsarbeit verpflichtet. Ich denke da insbesondere an die Feldarbeit."

 Es war eben jenes kleine Wort "ob" in der Antrags-Formulierung ("Nachforschungen . . . , ob während der NS-Diktatur . . . Zwangsarbeiter beschäftigt wurden"), das die FWG letztlich zum Anlass nahm, sich der Stimme zu enthalten. "Es ist doch völlig unstrittig, dass es während der dunkelsten Zeit unserer Geschichte auch in unseren Stadtteilen zu Zwangsarbeit kam", betonte Heinz Bohlender, FWG-Fraktionsvorsitzender. Er verwies auf eine Studie von Monica Kingreen, in der sich die Historikerin bereits mit der Zwangsarbeit in Nidderau auseinander gesetzt habe. Außerdem wolle die FWG erst die Gespräche der Bundesregierung mit den Vertretern der überlebenden Zwangsarbeitern abwarten. Danach könne man sich im Nidderauer Parlament erneut mit dem Antrag befassen.

 So lange wollten die übrigen Fraktionen jedoch nicht mit der Aufarbeitung der Stadtgeschichte warten. SPD, Grüne und CDU beschlossen, die Nachforschungen im Archiv in Auftrag zu geben und gegebenenfalls unter Wahrung des Datenschutzes Nachforschungen Dritter zu berücksichtigen. Über die Ergebnisse soll dem Haupt- und Finanzausschuss berichtet werden, der dann auch über die Frage möglicher Entschädigungszahlungen berät. (dom)