Quelle: Westfälische Rundschau vom 12.09.1998 Erinnerung an Zeit bei Seissenschmidt noch sehr lebendig Ex-Zwangsarbeiter Iwan Johann nach 54 Jahren zurück in Plettenberg Plettenberg. (HH) Am 1. Juni 1944 flüchtete der sowjetrussische Zivilarbeiter Iwan Johann Iwanowitsch Werenitsch aus der Lagerbaracke der Firma H. B. Seissenschmidt an der Straße der SA 23 (Grünestraße). Gestern stand der heute 75jährige noch einmal an gleicher Stelle - fand sich aber überhaupt nicht mehr zurecht. |
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Plettenberg ist eine der wenigen Städte, in denen die sogenannte "Ostarbeiterkartei" noch lückenlos vorhanden ist. In dieser Kartei findet sich auch eine Karteikarte "Zivilarbeiter aus Sowjetrußland Johann Werenitsch, geboren am 3. Juni 1923 in Stachow, Weißrußland, Religion: Prawoslawnaja (russisch-orthodox), geflüchtet am 1. Juni 1944". Über den Umweg Köln konnte Stadthistorikerin Martina Wittkopp-Beine kürzlich Kontakt zu dem ehemaligen Ostarbeiter herstellen und ihn gestern mit Dolmetscher begrüßen. |
Iwan Iwanowitsch Werenitsch
war hellauf begeistert, als er auf der Karteikarte sein Bild entdeckte, das ihn
als 20jährigen zeigt. Dann sprudelte es nur so aus ihm heraus -
detaillierte Erinnerungen an seine Zeit als Zwangsarbeiter in Plettenberg wurden
wach.
Die Stadt Köln hat seit 1989 ein Besuchprogramm für
ehemalige Zwangsarbeiter eingerichtet. Auf Einladung des Oberbürgermeisters
sind in diesem Jahr ehemalige KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter aus
Weißrußland und Italien für 10 Tage Gast der Stadt. Auf
diese Weise ergab sich der Kontakt nach Plettenberg: Iwan Werenitsch war
nämlich nach seiner Flucht aus Plettenberg geschnappt und ins KZ Buchenwald
(bei Weimar) gebracht worden. Dort steckte man ihn in die SS-Eisenbahnbaubrigade
Nr. 6, was ein Leben im Eisenbahnwaggon und ständige Lebensgefahr bei der
Reparatur zerbombter Gleise bedeutete. In Köln wurde Iwan Werenitsch
befreit, über Dresden und Salzburg kam er zurück in seine Heimat.
Heute wohnt er in Luninez, ca. 180 Kilometer von Brest entfernt.
Gestern im
Plettenberger Rathaus war Johann ein sprudelnder Quell und wichtiger Zeitzeuge
Plettenberger Geschichte. Ganz genau erinnerte er sich an die ehemaligen
Firmengebäude von H. B. Seissenschmidt an der Grünestraße,
zeichnete einen Grundriß mit Engelhardscher Villa, Kleinbahnschienen,
Lagerbaracke und wußte in deutscher Sprache noch einen besonderen Ort zu
benennen: Schwarzenberg.
Iwan Werenitsch sucht Kameraden, die damals in Plettenberg
geblieben sind: Grigorij Dimitriewitsch Bulyga, Pawel Iwanowitsch Jarotzkij und
Wladimir Antonowitsch Schichor. Wer kann ihm
helfen? |