"Kleinstadt-Alltag im II. Weltkrieg"
Geschichts-Projekt der Klasse 9b des Albert-Schweitzer-Gymnasiums Plettenberg im Rahmen des Schülerwettbewerbs Deutsche Geschichte 1982/83 der Körber-Stiftung

Haiko Carrels/Christian Janke:
Die Situation der Kriegsgefangenen und
Fremdarbeiter im II. Weltkrieg in Plettenberg

Der besseren und leichteren Information wegen haben wir dieses Thema aufgeteilt in drei Kapitel:

  • Kriegsgefangene
  • Fremdarbeiter
  • Allgemeines, was für beide Gruppen gilt

1. KRIEGSGEFANGENE
Kriegsgefangene, die hauptsächlich aus England, Frankreich, Polen und der UdSSR kamen, wurden nicht entlohnt. Sie bekamen statt dessen einen sogenannten Bonus, der allerdings nur sehr gering war und selten ausgezahlt wurde. Kriegsgefangene wurden überall da beschäftigt, wo man billige Arbeitskräfte brauchte. Nahrung, Kleidung, Seife o. ä. wurden gestellt. Da der Staat aber selber kein Geld hatte, gab es vorgenannte Dinge nur sehr spärlich. Die Kriegsgefangenen mußten also hungern, und sie bettelten häufig bei Privatleuten um Essen. Die Abgabe von Nahrung und Kleidung an Kriegsgefangene und Fremdarbeiter war allerdings von der Partei verboten worden.

"Einem jungen russischen Kriegsgefangenen habe ich Brot und Kartoffeln, anderes hatte ich nicht, unter größten Vorsichtsmaßnahmen gegeben. Aus Dankbarkeit bastelte er dafür Kinderspielzeug und Korbwaren für mich." (meine Großmutter Elfriede Heseler)

Unterbringung und Bewachung
Die Kriegsgefangenen mußten in geschlossenen Lagern, die meistens von den Firmen, bei denen die arbeiteten, aufgebaut wurden, übernachten. Sie wurden stets von bewaffneten Posten bewacht. Selbst in begründeten Notfällen durften ihre Unterkunft nur mit einem Begleitposten verlassen. Versuchte ein Gefangener zu fliehen, wurde er mit Waffengewalt aufgehalten. Es war allerdings nicht erlaubt, ihn zu töten. Bei widerrechtlichen Handlungen wurden meistens 3-14tägige Arreste verhängt.

Wenn Kriegsgefangene schon länger bei einer Firma arbeiteten, durften sie sich sogar tagsüber frei bewegen. Mißhandlungen von Kriegsgefangenen gab es selten, doch manchmal wurden sie von gehässigen Nationalsozialisten verprügelt, was allerdings offiziell nie bekannt wurde. Die Gefangenen wurden bewacht zur Arbeit gebracht und auch wieder bewacht abgeholt. Sie mußten ca. 8-10 Stunden pro Tag arbeiten.

Arbeitsstätten
In Plettenberg waren Kriegsgefangene hauptsächlich bei den Firmen Schade, H. B. Seissenschmidt und Schürholz beschäftigt. Alle Firmen stellten Eisenwaren her, doch zur damaligen Kriegszeit produzierte Fa. Schade Teile der Fahrzeugkarosserie für die Armee und Fa. Seissenschmidt Patronenhülsen.

2. FREMDARBEITER
Allgemeines
Fremdarbeiter, die hauptsächlich von September 1939 (Polenfeldzug) bis Juni 1941 (Kriegserklärung gegen die UdSSR) aus Polen und aus der Sowjetunion, besonders aus der Ukraine, nach Deutschland zwangsevakuiert wurden, hatten die gleiche Arbeitszeit und die gleichen Arbeitsbedingungen wie Deutsche. Offiziell bekamen sie zwar Lohn, doch dieser wurde von den Behörden eingezogen. Mit Verpflegung, Kleidung, Seife o. ä., Unterkunft usw. sah es genau so schlecht aus wie bei den Kriegsgefangenen.

3. ALLGEMEINES, was für beide Gruppen galt
Landwirtschaft und Handwerksbetriebe
Auch in der Landwirtschaft und in Handwerksbetrieben arbeiteten Kriegsgefangene und Fremdarbeiter, doch hier hatten sie es meistens gut. Sie bekamen gutes Essen und wurden in den Bauernhöfen oder in den Handwerkshäusern untergebracht. Ihnen blieb das Lagerleben erspart.

Plünderfreiheit
Nach dem Einzug der Siegermächte gab es eine sogenannte Plünderfreiheit, die hauptsächlich von polnischen und russischen Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern ausgenutzt wurde. Sie schreckten sogar vor Mord nicht zurück. Besonders interessant ist die Plünderung der Firma Schürholz, denn obwohl der Firmeninhaber kurz vorher gestorben war und im Haus aufgebahrt lag, wurde das Haus nicht von den Plünderern verschont. Das schändliche Tun wurde dann allerdings von einem polnischen Hausmädchen durch Bitten an ihre Landsleute beendet.

Ausleihung
In Plettenberg konnte man sich nach Arbeitsschluß und sonntags Kriegsgefangene und Fremdarbeiter in der alten PTV-Turnhalle des Plettenberg Turnverein oder bei den Firmen selber kostenlos für Arbeiten wie Garten umgraben, putzen o. ä. ausleihen. Beispiel: Frau Brücher, die bei der Firma Schade arbeitete, lieh sich oft Fremdarbeiter für Haus und Garten aus, da sie selbst dienstverpflichtet war und wenig Zeit hatte.

Krankheitsfall
Kriegsgefangene und Fremdarbeiter wurden im Krankheitsfall von einem Arzt untersucht und im Falle einer Krankheit mit Medikamenten versorgt und von der Arbeit befreit. Bei schwerer Erkrankung wurden sie in ein Lazarett gebracht (lt. Genfer Konvention). Die Genfer Konvention ist dazu da, die Kriegsgefangenen und Fremdarbeiter besser zu schützen, damit sie nicht verhungern, erfrieren, mißhandelt werden, zu viel arbeiten, an Krankheiten sterben usw..

Beziehungen
Von den Nazis und den Behörden wurde eine nähere Beziehung zwischen Kriegsgefangenen und Fremdarbeitern und Deutschen unter Strafandrohung verboten. Deckte man aber doch eine Beziehung auf, so kam der oder die Deutsche ins Gefängnis und der Kriegsgefangene bzw. der oder die Fremdarbeiter(in) in ein besonders scharf bewachtes Lager. Trotzdem sind uns zwei Fälle bekannt, wo es zu Freundschaften kam, die nach dem Krieg zu Ehen führten. Beispiel: Herr und Frau Wanda Götz (Polin), Herr und Frau Wally Ortwig (Polin).

Abtransport
Nach Einzug der Siegermächte sollten Kriegsgefangene und Fremdarbeiter in die Heimat zurückgebracht werden. Alle Kriegsgefangene leisteten diesem Aufruf Folge, doch es gab viele Fremdarbeiter, die in Deutschland blieben und noch heute hier wohnen. Beispiele: Frau Wanda Götz, Frau Wally Ortwig, Herr Josef Korocuk.

Quellennachweis: Herr Gerhard Janke, Herr Rudolf Heseler, Frau Elfriede Heseler, Frau Karin Carrels.


Titel: Kleinstadt-Alltag im II. Weltkrieg
Fundort: Privatarchiv Horst Hassel, fotokopierte Fassung, 32 Seiten
Seite 27: Die Situation der Kriegsgefangenen und Fremdarbeiter im II. Weltkrieg in Plettenberg
Autor: Haiko Carrels/Christian Janke