Quelle: "Von Menschen, Mitläufern und Machthabern", Band 6 der Stadtgeschichte, bearbeitet von Detlef Völlmecke, Plettenberg 1997, S. 300-307
Rüstungsaufträge führten
zur Erweiterung
von Produktionsanlagen

Zwangsarbeiter in Plettenberg

Nationalität Männer Frauen Industrie übrige
Sowjetrussen (ab 1942) 937 463 866/395 71/68
Polen (ab 1940) 150 34 100/2 50/32
Italiener (ab 1944) 103 - 103 -
Belgier (ab 1940) 11 - 11 -
Franzosen (ab 1940) 3 - 3 -
Tschechen (ab 1940) 1 - 1 -
Esten (ab 1942) - 1 1 -
Staatenlose 2 1 3 -
1.207 499 1088/397 121/100

184 polnische Zwangsarbeiter waren der Kern des ersten Fremdarbeiter-Transportes, der Plettenberg erreichte. Von diesen 150 Männern und 34 Frauen wurden 102 in Industrie und Handwerk, sowie 82 (darunter fast alle Frauen) in Land-, Forst- und Hauswirtschaft beschäftigt. Sie waren 'willkommene' Ersatzkräfte, da ihr kostengünstiger Einsatz - die Entlöhnung der Frauen war noch niedriger als die der Männer; die Unterbringungs- und Verpflegungskosten wurden von den kargen Bezügen abgezogen - die Unternehmensgewinne kräftig ansteigen ließ.

Während die in Land- und Forstwirtschaft eingesetzten Zwangsarbeiter überwiegend bei ihren Arbeitgebern wohnten, mußten die Industriearbeiter in firmeneigenen Baracken z. B. der Firmen Achenbach & Sohn, Brockhaus Söhne, Wilhelm Schade oder im 'Polenlager der Plettenberger Kleinbahn', ansonsten aber in behördlichen Lagern untergebracht werden. Zu diesen Lagern gehörte das 'Gemeinschaftslager Plettenberg' am Lehmberg (Grafweg), das 'Ostarbeiterlager Plettenberg' Ludendorfstr. 3-5 (Königstraße), das 'Lager Falklandstraße Plettenberg' (heute Uhlandstraße), das 'Polenlager Plettenberg-Ohle' Lennestraße 2, und schließlich das 'Gemeinschaftslager Plettenberg-Eiringhausen' Reichsstraße 80.

Der polnische Zivilarbeiter Viktor Clemens erinnert sich an seine Zeit als 'Zivilarbeiter' in Plettenberg:
... Im November 1940 wurden wir aus der Gefangenschaft und dem Stammlager (STALAG VI a) Hemer entlassen und nach Plettenberg gebracht. Ich und mein Freund Jan Budziak kamen zu dem Schumacher Adolf Schmidt, Herscheider Straße (/Ecke Zeppelinstraße), Tadeusz Gonsiorek und Josef Motoczynski zu dem Schumacher Franz Fröhlich (richtig: Fröhling). Anfangs wohnten wir bei unserem Meister in einem kleinen Zimmer, aßen mit der ganzen Familie an einem Tisch und wurden wie Familienmitglieder behandelt.
Im Jahre 1943 wurden alle ausländischen Zivilarbeiter in einem Lager untergebracht, welches sich auf dem Gelände der Ziegelei (Lehmberg am Grafweg) befand. Wir wohnten dort zusammen mit den in der Ziegelei beschäftigten Zivilarbeitern. Die Aufsicht unterlag einem älteren Herrn, es war ein Zivilist. In dem Lager verblieben wir bis Kriegsende.
Sowjetbürgerinnen wohnten in Lagern, welche sich auf dem Gelände der Betriebe befanden, in welchen sie beschäftigt waren, und dort wurden sie auch verpflegt. Polinnen waren meistens als Dienstmädchen bei Fabrikanten oder als Arbeitskräfte bei Bauern beschäftigt. Wir konnten uns mit den polnischen und russischen Mädchen treffen, es war nicht verboten, aber nur sonntags, denn an Wochentagen hatten wir keine Freizeit.
Es gab keine Rücktransporte nach Hemer, denn dort war ja nur ein Kriegsgefangenenlager. Nach Beendigung des Krieges fuhren die Zivilarbeiter in ihre Heimat zurück, aber soweit ich mich erinnern kann, gab es keine organisierten Rücktransporte, sie fuhren in ihren Volksgruppen, auf eigene Faust in ihre Heimat. Wir Polen blieben bis zum Herbst 1945 in Plettenberg und wurden dann nach Würgendorf gebracht, wo wir den Winter verbrachten, dann kamen wir nach Lüdenscheid und später nach München. Ich kehrte im Herbst 1946 in meine Heimat zurück.
Das Kriegsende sowie die Befreiung waren für mich sowie für alle anderen Zivilarbeiter ein überaus freudiges Ereignis, was auch vollkommen verständlich ist...

Die hohen Menschenverluste des Krieges hatten zur Folge, daß die Einberufungen zur Wehrmacht die Produktivität der Rüstungswirtschaft bedrohten. Deshalb trafen nach Polen auch Franzosen, Belgier und seit 1943/1944 kriegsgefangene Italiener in Plettenberg ein. Aber auch sie konnten nicht alle Lücken in den Belegschaften der überlasteten Unternehmen schließen.

Der Bedarf an Rüstungsgütern - besonders infolge der Niederlage in der 'Luftschlacht um England' wurde die Flugzeugproduktion vorangetrieben, um die Verluste auszugleichen - stieg so stark an, daß auch viele Plettenberger Unternehmen als wichtige Zulieferer der Flug- und Fahrzeugindustrie ihre Fertigungsanlagen erweiterten.

Der Auftragseingang war so hoch, daß Unternehmen ihre ganze Produktionsstruktur umstellen mußten. Die metallverarbeitende Firma Schade verzichtete daher zunehmend auf die Herstellung von Kleineisenteilen, die sie für den Bau von Flugzeugkanzeln benötigte, und verteilte ihrerseits Aufträge an spezialisierte Firmen der Metallbranche, die so in den Kreis der Rüstungszulieferer miteinbezogen wurden. Die freiwerdenden Kapazitäten konnten dann dem Zusammenbau der Flugzeugkanzeln zugeführt werden.

Die Kriegswichtigkeit dieser Firma wird durch die Zuweisung von 80 Kriegsgefangenen unterstrichen, die im September 1941 zum Aufbau größerer Produktionsanlagen dringend gebraucht wurden.

Seit Mitte 1942 konnten auch sowjetische Zwangsarbeiter von den Betrieben bei den zuständigen Arbeitsämtern angefordert werden. In der letzten Phase des Krieges waren sie die größte Zwangsarbeitergruppe, die in Plettenberg eingesetzt war.

Insgesamt wurden nach der im Plettenberger Stadtarchiv erhaltenen Zwangsarbeiterkartei während des Krieges 1.706 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in Plettenberg beschäftigt. Sie verteilen sich auf folgende Industriebetriebe (Männer/Frauen - aufgelistet sind 28 Betriebe und damit nur die mit mehr als zehn Zwangsarbeitern):

Sowjetrussen Polen Italiener Belgier Franzosen Andere
Achenbach & Sohn 40/1 40/- - - - -
Bieker, Albert 23/- 6/- - - - -
Brockhaus & Söhne 77/- 1/- - - - -
Budde & Steinbeck 10/- -/- - - - -
DAF (Aufbauhilfen) 16/- -/- - - - -
Fastenrath, Ernst E. 8/- -/- 4 - - -
Graewe & Kaiser 30/72 -/- 22 - - 1 (Este)
Gregory & Co 13/- 1/- 3 - - -
Hiby, Albert 11/7 -/- - - - -
Krächter & Neuhaus 8/5 -/- - - - -
Kühne, Wilhelm 7/- -/- 3 - - -
Langemann & Co 4/7 -/- - - - -
Langenbach & Köster 13/6 -/- - - - -
Lennetaler Hammerwerk 30/8 -/- - - - -
Mayer, Franz 27/- -/- - - - -
Messingwerk Plettenberg 3/- 8/- - - - -
Ohler Eisenwerk 210/1 -/- - - - -
Plettenberger Kleinbahn 6/- 5/- - - - -
Plettenberger Sägewerk 4/- 9/- - - - -
Rasche G. Nachf. 25/5 -/- 5 - - -
Rempel, Joh. 19/- -/- 5 - - -
Schade, Wilhelm 4/177 2/- 2 - - -
Schürholz, Johann 3/17 -/- - - - -
Schulte, W. O. 3/8 -/- - - - -
Seissenschmidt, H. B. 61/27 -/- - - - -
Stadt Plettenberg 19/2 2/- 1 - - -
Voß & Schröder 4/- 1/- 11 5 1 1 Tscheche
Wirth, Gebr. 17/- 12/- - - - -