Starker Tobak: Zwangsarbeit wird geleugnet
Plettenberg. (HH) Eine Argumentationshilfe zur Abwehr etwaiger
Entschädigungsforderungen von Zwangsarbeitern macht derzeit in Plettenberger
Unternehmen die Runde. Der Verfasser des ganzseitigen DIN A 4-Schreibens
gibt sich nicht zu erkennen, vertritt jedoch die Meinung, dass an die
Unternehmer keine Forderungen gestellt werden können.
Der Diplom-Psychologe Eckhardt Brockhaus hat wohl nicht geahnt, dass seine
persönliche Betroffenheit über die Tatsache, dass im elterlichen Unternehmen
Zwangsarbeiter beschäftigt wurden (WR berichtete), einmal solche Kreise
ziehen würde. Seinem Vorschlag, in Plettenberg einen Fonds zur Unterstützung
noch lebender Zwangsarbeiter einzurichten, ist bis jetzt weder die Stadt
noch ein Unternehmer gefolgt.
Mehr als 50 Plettenberger Unternehmen haben zwischen 1942 und 1945 etwa
1600 Zwangsarbeiter (Zivilarbeiter und Kriegsgefangene) zur Aufrechterhaltung
der kriegswichtigen Produktion beschäftigt. Dazu heißt es in der in den
Betrieben kursierenden Argumentationshilfe unter anderem:
"Ganz wesentlich ist, äußerst genau zu unterscheiden, ob überhaupt
Zwangsarbeit vorliegt. Grundsätzlich ist zu bedenken, dass Kriegsgefangene
keinen Anspruch auf Entschädigung haben, da die Zwangsarbeit durch die
Haager Landkriegsordnung gedeckt ist."
Weiter heißt es: "Im südwestfälischen Raum waren überwiegend Ostarbeiter zur
Zwangsarbeit verpflichtet. Rechtsgrundlage für deren Einsatz war die
'Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter vom 30.06.1942'."
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Dann folgt eine Aufzählung der leistungsabhängigen Löhne (Zeitlohn, Akkordlohn, Prämien, Erschwernis-, Schmutz-, Mehrarbeits- und Sonntagszuschläge), die gezahlt worden sein sollen. Nach Abzug von 22 Prozent des Lohnes für Unterkunft/Verpflegung sowie 50 Prozent Ostarbeiterabgabe (an die Organisation Todt und das Deutsche Reich) sei den Zwangsarbeitern 23 Prozent des Lohnes geblieben. Für etwaige Ausgleichsforderungen sei der Rechtsnachfolger Bundesrepublik zuständig, die das im Bundesentschädigungsgesetz aber bereits abgedeckt habe. |
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STANDPUNKT |
Das schlechte Gewissen vieler heimischer Unternehmer wird in dem Pamphlet deutlich, dass derzeit in Plettenberger Betrieben die Runde macht. Danach war Zwangsarbeit gesetzlich geregelt, die Löhne wurden bezahlt - und überhaupt ist nach der Haager Landkriegsordnung Versklavung ja erlaubt. Falls heimische Unternehmer bislang tatsächlich keinen Grund sahen, sich wegen der Zwangsarbeiter zumindest moralisch betroffen zu fühlen, dann passt die Argumentationshilfe natürlich zur Abwehrhaltung. Der Aufruf zur Gründung eines Plettenberg-Fonds will aber niemanden schuldig nennen, sondern ehemalige Zwangsarbeiter soll ein Signal der Versöhnung erreichen. Es geht um monatliche Zusatzrenten von 50 Mark für die etwa 120 noch lebenden, damals zur Arbeit gezwungenen Menschen. Horst Hassel |