Der Autor Peter Dietrich Frommann wurde am 29.05.1869 in Plettenberg-Frehlinghausen
auf dem "Brinker-Gut" geboren. Sein beruflicher Werdegang: Präparandenanstalt
Holzwickede, Lehrerseminar Rheydt, 1889 erste Lehrerprüfung, 1893 zweiter
Lehrer in Hülscheid, 1904 Lehrer in Ost-Ende (Herdecke), 1907 Lehrer in
Boelerheide (1913 dort Rektor), 1930 vorzeitiger Ruhestand wg. Krankheit,
1910 bis 1931 Kirchmeister und zweiter Organist in Boele. P. D. Frommann war
Lehrer an der Hagener Verwaltungsschule, Heimatforscher, Mitarbeiter des
"Märker", Ehrenmitglied des Hagener Heimatbundes. Von ihm stammen zahlreiche
heimatgeschichtliche Veröffentlichungen, u. a. Heimatkunde des Kreises Altena
(1904), Aus der Geschichte des Märkischen Sauerlandes (1925), Aus der
Geschichte der Gemeinden Plettenberg, Ohle und Herscheid (1927), Die
Geschichte der Gemeinde Hülscheid (1937), Geschichte der Gemeinde Boele
(1947), Von der Hünenburg auf dem Sundern bei Ohle (1949), Beiträge zur
Geschichte der Stadt Plettenberg (1953), Die Stellung des nachexilischen
Judentums zum Gesetz und zur messianischen Idee (1915); |
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Vorwort
Das Suchen nach Stoff zu einer Familienchronik brachte manche Schriftstücke
in meine Hände, die mir bis dahin unbekannte wichtige Tatsachen aus der
Vorzeit meiner Heimat enthielten. Das trieb mich zu weiterem Forschen in
Bibliotheken und Archiven, wo ich fast überall etwas Wertvolles fand, das in
den bisher veröffentlichten Büchern auf diesem Gebiete nicht berücksichtigt
worden ist.
Die beachtenswerte Chronik der Stadt Plettenberg von dem Gerichts-Sekretär
Julius Hölterhof zu Plettenberg aus dem Jahre 1843 ist nie im Druck
herausgegeben worden und wird als Handschrift im Stadtarchiv aufbewahrt.
Diese Umstände führten mich zu dem Entschlusse, alles bisher Gedruckte und
Ungedruckte aus der Geschichte der Heimat zu bearbeiten und es dann einem
größeren Leserkreise vorzulegen.
Ohle und Herscheid In unmittelbarer Nähe des Ebbegebirges und inmitten himmelanstrebender Höhenzüge und Berge hat das nimmer rastende Wasser in Verbindung mit den Einflüssen der Witterung im Laufe von Jahrtausenden einige herrliche Täler geschaffen, deren größtes das durch romantische Naturschönheiten und hervorragende Fruchtbarkeit begünstigte Lennetal ist, in dem das Auge erfreut wird durch den Anblick lieblicher, kleiner Siedlungen und mehrerer größerer Dörfer. Diese sind: das freundliche Pasel, das gewerbreiche Eiringhausen, das ländliche Böddinghausen und das durch herrliche Lage und reiche geschichtliche Erinnerungen in gleicher Weise ausgezeichnete Ohle. Das wichtigste und breiteste Seitental ist das mit ertragreichen Feldern und Wiesen reich gesegnete, breite Elsetal mit einer Reihe stattlicher Dörfer: dem in den letzten Jahrzehnten schnell emporgeblühten, betriebsamen Holthausen, dem geschützt und versteckt liegenden Bremcke, dem malerischen Frehlinghausen, dem volkreichen Hüinghausen und dem schon von dem berühmten Geschichtsschreiber von Steinen wegen seiner guten Getreidefelder als die Krone des Amtes Plettenberg bezeichneten Köbbinghausen an der gegenüberliegenden Seite. Oberhalb Hüinghausens mündet das im allgemeinen enge Ahetal, das aber da, wo es sich der Elsequelle am meisten nähert, durch seine flachen Abhänge und Breite zur Ansiedlung in größerem Maße lockte und einen vorzüglich geeigneten Raum für das alte, freundliche Kirchdorf Herscheid bot, das der Mittelpunkt der gleichnamigen Gemeinde ist mit ihren zahlreichen Gehöften und Höfen in den engen, romantischen Tälern der Ebbecke, Verse, Ahe und auf den zwischen ihnen emporragenden Höhen. Fast parallel mit dem Elsetal erstreckt sich das in seiner Mitte kesselartig erbreiterte Oestertal, das belebt wird von den Dörfern Himmelmert und Kückelheim inmitten einer großen Feldflur und weiter auf Plettenberg zu von den mehr industriellen Orten Lettmecke und Dankelmert. Das schmale Grünetal gewährte nur in seinem Oberlauf hinreichend Platz für größere Ansiedlungen; hier entstanden die Dörfer Landemert und Hülschotten. Dort, wo Oester und Grünetal ins Elsetal münden, am Treffpunkt von vier Straßen und dazu in nächster Nähe der wichtigen Lennestraße, mußte naturgemäß ein größerer Ort entstehen, die Stadt Plettenberg, die infolge ihrer zentralen Lage erhöhte Bedeutung erlangt hat, indem sie Sitz der Amtsverwaltung und ihre alte Kirche die Mutterkirche sämtlicher Kirchen des Amtes Plettenberg geworden ist. Das Amtsgericht zu Plettenberg schlingt sogar ein gemeinsames Band um die Gemeinden Plettenberg, Ohle und Herscheid, von denen man rühmen darf:
Wie lieblich sind hier Berg und Tal, Die Heimatgegend gewinnt beträchtlich an Reizen für den, der ihre Geschichte kennt, die in den folgenden Kapiteln dargeboten werden soll.
I. Aus der Zeit der alten Sachsen und Franken In den vier Gemeinden Plettenberg, Ohle und Herscheid ist der Dialekt nicht überall genau derselbe. Am meisten unterscheidet sich die Aussprache der Städter von der in den andern Gemeinden gebräuchlichen. Ähnlich wie im nördlichen Kreise Hagen spricht man in Plettenberg Hei für Heu, Beil für Böl, anbeiten für anzünden usw. Die Sprache und die Art der Ansiedlung erwecken den Anschein, daß unsere Vorfahren nicht Glieder einer einzigen, sondern verschiedener Völkerschaften gewesen sind.
Zu der Zeit, als die Römer Herren des Landes zwischen Rhein und Weser waren, bewohnten
die Sigambrer das Gebiet zwischen Ruhr und Sieg. Nachdem Tiberius, der Stiefsohn des
Kaisers Augustus, 40.000 dieses Stammes zur Ansiedlung an den Rheinmündungen veranlaßt
hatte, sind Teile anderer Stämme in die entvölkerten Bezirke nachgerückt. Am Ende des
ersten Jahrhunderts nach Christo hatten die Angrivarier oder Engern ihre Marken südlich
fast über den ganzen westfälischen Boden erweitert (Quelle: Wormstall,
Landeskunde der Provinz Westfalen). Noch größer ist die Zahl der mit "husen" endenden Ortsnamen. Diese Orte sind altsächsische Gründungen. Zu ihnen gehören auch diejenigen in der Gemeinde Herscheid, denen man das im 18. Jahrhundert noch wenigstens im Hochdeutschen gebräuchliche Grundwort "husen" später ganz abgestreift hat, wie Alfrin, Rärin, Waldmin, Stöpplin u. a.. Demnach haben die allermeisten Orte ein Alter von 1500 bis 1700 Jahren. Nach den Angaben des Sprachgelehrten Woeste, Iserlohn, waren die Sigambrer schwarzhaarig. Bis in die heutige Zeit hinein kommen unter den ums Ebbe herum wohnenden Menschen verhältnismäßig viele dunkelhaarige vor. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß die von Norden eindringenden Ampsivarier und die hellblonden Sachsen die Reste der Sigambrer in die unwirtlichen Gegenden zurückgedrängt haben. Anscheinend wohnten diejenigen unserer Vorfahren, die einen Teil der Orte im Elsetal angelegt haben, vorher an der mittleren Wenne; denn dort gibt es talaufwärts in derselben Reihenfolge auch ein Holthausen, Bremcke und Frehlinghausen, sowie in einiger Entfernung von der Wenne auch ein Grimminghausen, Dormecke, Kückelheim, Valbert u. a.. Die Art der Ansiedlung war aber wohl weniger von den Eigentümlichkeiten des betreffenden Stammes abhängig als von den Bodenverhältnissen. Die engen Tälchen und manche Höhen gestatteten nur eine Besiedlung in Einzelhöfen. Dagegen boten die weiten Talmulden mit ihrer günstigen Bewässerungsgelegenheit vorzügliche Weiden und daneben die besten Vorbedingungen zum Betriebe des Körnerbaues, zwangen gleichzeitig aber auch die Menschen zu gemeinsamer Arbeit gegenüber der Verderben bringenden Gewalt des Wassers und damit auch zum Zusammenwohnen in Dörfern und dorfartigen Ansiedlungen. Zu der Zeit, als eine Völkerschaft die andere aus ihren Wohnsitzen schob, sind Jagd, Fischfang und besonders Viehzucht die Erwerbsquellen der Menschen gewesen. Als die Ortschaften entstanden sind, waren schon Anfänge des Ackerbaus vorhanden. Aber nur ein kleiner Teil der Weidenflächen wurde umgepflügt und mit Gerste und Hafer bestellt. Obst- und Gartenbau kannte man noch nicht. Recht viel kleine, struppige, aber ausdauernde Pferde wurden gezüchtet, manche derselben den Göttern geopfert und zum Teil bei der sich an das Opfer anschließenden Mahl verzehrt. Sämtliches Vieh blieb auch im Winter draußen. Die kleinen, fensterlosen Fachwerkhäuschen dürftigster Art boten nur Raum für die Familie. Nicht weit vom Hause befanden sich die zu demselben gehörenden Weiden und Felder. Die Säume der großen Waldungen waren im Besitz der einzelnen Bauerschaftsgenossen, denen sie Brand- und Bauholz lieferten. Dorfartige Ansiedlungen hatten sich daneben wohl noch nicht weit entfernte Waldungen zu gemeinschaftlicher Benutzung, z. B. zur Viehweide angeeignet. Die weiter von den menschlichen Wohnstätten gelegenen Holzungen wurden von niemand weiter beansprucht. Wenn die Behauptung richtig ist, man habe zur Zeit der Einführung des Christentums dorthin Kirchen gebaut, wo früher Stätten heidnischen Kultes gewesen sind, dann kämen als solche Herscheid und Plettenberg in Frage. Wahrscheinlich waren die alten Eichen, die nachweisbar früher auf dem hohen Hemberg und auf der Molmert gestanden haben, noch Erinnerungen an jene Zeit, in der man dort dem Donar opferte. Auch auf dem Heiligenstuhl, am Hillenborn bei Köbbinghausen, bei dem "Heiligen Busch" in der Duvenhard (zwischen Sechtenbecke und Erkelze) und auf dem Heiligenbrunn bei Herscheid wird man zur Zeit des Heidentums die Götter verehrt haben. In den altsächsischen heimischen Verhältnissen trat in wirtschaftlicher und religiöser HInsicht ein folgenschwerer Umschwung ein, nachdem unsere Vorväter in langwierigen und erbitterten Kämpfen von ihren fränkischen Nachbarn unterworfen worden waren. Herrenlos gewordene Höfe und der Allgemeinheit gehörende Waldgebiete, die Marken, fielen nach fränkischer Sitte dem Frankenkönige zu, der manche von ihnen wohl an vornehme Sachsen oder an die auch zu der Zeit gegründeten Kirchengemeinden verschenkte. Die Marken wurden von den Forestarii, den Beamten der fränkischen Könige, abgegrenzt, in dem sie mit der Lockaxt 2 Meter breite Grenzwege schlugen und die Grenzen auch noch durch mit dem Kreuzeszeichen versehene Locksbäume kennzeichneten, deren Entfernung mit der Todesstrafe bedroht war. Marken gab es am Ebbe, Kleff, Offenborn, Heiligenstuhl, Mattenhagen, Hemberg, Reckenberge, an der Molmert, im Jauberge, Voirhage und Renscheid.
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