Die Rötelmann-Chronik
zur Geschichte der Gemeinde Ohle
(Historisch-geographische Geschichte der Gemeinde Ohle 1842)

Süderland - Heimatblatt für den südlichen Teil der Grafschaft Mark (2. Halbjahr 1928)

Seitdem die Gewerbetätigkeit in Ohle eingezogen ist, hat sich dort die Zahl der Häuser und Einwohner so gewaltig vermehrt, daß das Bild des Dorfes und der Gemeinde gegen früher ganz verändert ist. Das in den letzten Jahrzehnten herangewachsene Geschlecht vermag sich die früheren Verhältnisse nicht recht vorzustellen, und die älteren unter uns werden sich gern wieder einmal in das Reich der Jugenderinnerungen zurückversetzen.
Darum ist in dem Folgenden die Gemeinde Ohle so dargestellt, wie sie vor 85 Jahren von dem damaligen Ohler Lehrer Rötelmann mit großer Sorgfalt und Sachkenntnis beschrieben worden ist. Er ließ drei kleine Heftchen mit dem Titel "Historisch-geographische Beschreibung der Gemeinde Ohle" für seine Schüler drucken, um diese dadurch mit ihrer Heimat genau bekannt zu machen, damit sie ihnen lieb und teuer werde.
Daß er dieses Ziel in hohem Maße erreicht hat, dafür bürgt der weit und breit bekannte Ohler Lokalpatriotismus.

Wilhelm Rötelmann wurde 1812 zu Elminghausen in der Gemeinde Valbert geboren. Seine Ausbildung für den Lehrerberuf erfolgte in dem Lehrerseminar zu Soest, das er 1831 mit dem allerbesten Zeugnis verließ. Nachdem er eine Zeitlang zweiter Lehrer in Meinerzhagen gewesen war, erwählte ihn die Gemeinde Ohle zu ihrem Lehrer und Organisten.
In Ohle hat er mit großem Eifer und viel Segen vom 23. November 1832 an 27 Jahre lang gewirkt. Dann berief ihn seine Heimatgemeinde Valbert in die erste Lehrer- und Organistenstelle, die er am 27. November 1859 übernahm. Leider überfiel ihn dort schon bald eine schleichende Krankheit, die seinen Tod am 30. Juni 1861 zur Folge hatte. Die Gemeinde Valbert rühmte ihn auch als äußerst fleißigen, gewissenhaften und tüchtigen Lehrer.

Rötelmann schrieb über die Waldungen der Gemeinde Ohle:

Es gibt drei Arten von Waldungen: die Säume der Berge, die Hagen, dann die Gemeinheiten oder Waldemeien und die Markenberge. Der letzteren wegen haben die Ämter Neuenrade und Plettenberg einen langwierigen Prozeß mit der Gemeinde Herscheid geführt, der 1777 mit einem Vergleich endete. Dann führte er die einzelnen Waldungen an: Der Hemberg wurde 1777 geteilt. Brüninghausen bekam einiges vorab und 6 Teile, der große Bauer erhielt 5 Teile, der kleine oder Halbbauer 4 und der Kötter 3 Teile. Der Distrikt, den das Dorf erhielt, war in 20 Nummern geteilt, von denen 17 den Eingesessenen und je eine dem Pastorat, dem Kirchenspieker und der Schule zufielen. Der Stübel war Waldemei. Hebbel mit Schamberg und Birkeloh und Steinklappert gehören nach Brüninghausen. In der Hardt sind gute Bruchsteine. Das Kleff gehört Teindeln gemeinsam. Der Höhweg wurde früher schon von Teindeln geteilt. Der Reckenweg ist ein Markendistrikt, dessen Teilung man zwar eingeleitet, aber noch nicht definitiv abgeschlossen hat. Der Beltenberg mit dem Bruch und der Schlade waren ehemals Dorfgemeinschaft, sind gleich dem Jauberg und Boirhagen, die früher Markenteile waren, in kleine Nummern geteilt und liefern dem Dorf außer Kohlholz an ihren Abhängen guten Heid. Die Verbindung mit dem Sundern bildet die steile Bosemert, ein schöner, prachtvoller Hochwald. Zwischen Jeutmecke, Winterhof und Erkelze ist das Renscheidt, ehemals ein Markenberg, sein nordwestlicher Abhang ist der Dickehagen. Mit dem Hasenberg hängen südöstlich zusammen Steinhelle und Werkstück. Südlich von der Jeutmecke ist die Taubenhardt, womit der Stubbe- und Buschhagen und noch weiter nach Süden der Wellinger Baum, eine Hochebene, in Verbindung stehen. Das Huckenhohl ist westlich von der Wiehardt. Wolfstert und Ambhagen haben schönen Holzbestand. Hechtensiepen mit Lichtenbuchen, letztere bilden schönen Hochwald. Von Grimminghausen nach Westen ist die Hardt, welche mit dem großen Stelzenberg in Verbindung steht. Südlich vom Hohagen ist der Rauehagen. Westlich von Selscheid erhebt sich der große Ebberg, an den sich nördlich der Solberg (an)schließt. Die Breitehardt ist ein flacher Bergdistrikt, der sich von Selscheid bis nach Hilferinghausen hinabzieht; östlich von hier bis nach Ehlhausen liegt die Linscheiderhardt.

Von den Flüssen und Bächen
An der rechten Seite fließen in die Lenne: der Selmbach, der ohne Forellen und im Sommer trocken ist; der Olmbach - er hat Forellen und mündet oberhalb des Dorfes; der Brüninghauser Bach - seine Quellen sind in der Markschlade und im Lindsiepen. Die Vereinigung erfolgt vor dem Hühnerloh. Er speist zwei Teiche und treibt in Brüninghausen eine Kornmühle. Teiche und Bach haben viele Forellen. Die beiden Teiche sind unterirdisch verbunden und frieren nie zu. Der Teindelner Bach entspringt in der Grünmecke und hat keine Forellen. Der Lothenbach soll ein kleines Hammerwerk getrieben haben. An der linken Lenneseite fließen: die Wörtmecke - sie ist ohne Forellen. Der Königssiepen ist eine starke Quelle, die der Schlade entrieselt und gleich darauf in den Gringels Wag fällt. Der Ehlhauser Bach hat sehr viele Forellen und heißt bis zur Jeutmecke, wo er eine Ölmühle treibt, Voßsiepen. Der Hilferinghauser Bach speist drei Weiher und hat Forellen fast bis zur Quelle. Der Kleeschlader Bach treibt in Frehlinghausen eine Ölmühle. Der Hechtersiepen heißt später Solmbach und nimmt den Hellensiepen auf. Die Quelle an der Kalkleye beim Voßloh sprudelt zu gewissen Zeiten äußerst kräftig und voll und dann wieder schwach. Bisweilen ist das Wasser sehr klar, dann auch trübe.

Von der Jagd und Fischerei
Brüninghausen und Grimminghausen haben die Jagd geteilt, ein kleiner Teil gehört zum Boqueloh. Rehe stehen am liebsten in den Brüninghauser Waldungen. Auerhühner balzen bei Grimminghausen. Vormals gab es viele wilde Schweine. Vor 30 Jahren erlegte man in Brüninghausen zwei Eber. Vor vier Jahren zeigten sich noch ein Eber und ein Hirsch. Es gibt noch viele Hasen, Füchse und Marder. Seltener sind Dachs, Otter, Iltis und wilde Katze. Häufig kommen vor: Birk-, Hasel- und Feldhühner, wilde Enten, Schnepfen und Bekasinen. Die obere Fischerei ist eine königliche Domäne, die untere gehört zum Hause Brüninghausen. Es sind schon selten geworden: Lachs, Lachsforelle, Hecht und Aal. Häufig kommen vor: Mundfisch, Bleier, Barbe und Gründling. In geringer Anzahl sind vorhanden: Äschen, Forellen, Barsche.

Erzeugnisse und Nahrungszweige
Im Tal gehören fast alle Grundstücke in die erste Bodenklasse. Der Boden ist sandig und daher stehen die Früchte in nassen Jahren am besten. Die Fruchtfolge ist: Kartoffeln, Roggen, zweimal Hafer, Klee. Im Tale bleibt kein Grundstück dreisch liegen. Beim Voßloh ist lauter Kalkboden, sonst ist der Boden des Kirchspiels steinig. Überflüssiges Korn wird nicht gezogen. Hafer, Kartoffeln, Stroh usw. werden nach Altena abgeführt. Es wird auch Erlös für Leinwand erzielt. Der Graswuchs ist kaum zum eigenen Bedarf ausreichend. Äpfel werden in gesegneten Jahren karrenweise verkauft. Aus Birnen bereitet man ein vorzügliches Kraut. Die Pflaumen werden teils getrocknet, teils zu Kraut verarbeitet. Aus dem Obst wird nur wenig Geldgewinn erzielt.

Ackerbau
Es gibt im Dorfe 13 Pferde, im Kirchspiel 29, zusammen 42 Pferde. Die Viehzucht könnte gesteigert werden. Der Reichtum der Gemeinde ist das Kohlholz (Holzkohle). 1838 brannte das Dorf Ohle allein 35 Köhle, jedes durchschnittlich zu 13 Karren. Die Kohlen erhalten die Hämmer an der Verse, Volme, Else und Elspe.

Folgende Handwerker sind vorhanden:
1 Sattler, 2 Schuster mit 1 Gehülfen, 2 Schneider mit 1 Gehülfen, 2 Wagner mit 1 Gehülfen, 3 Tischler mit 1 Gehülfen, 1 Bötcher mit 1 Gehülfen, 1 Walzarbeiter, 4 Schmiede mit 1 Gehülfen, 2 Nadler mit 2 Gehülfen, 2 Dachdecker, 1 Maurer, 1 Fuhrmann, 1 Müller, 1 Bäcker, 1 Oelschläger, 4 Wirte - darunter 1 Gastwirt - 3 von ihnen haben einen Spezereiladen. Vormals wurde auch viel Bier gebraut, namentlich in Werdes-Hause und später auch in Schneiders- und Hof-Hause sowie zu Brüninghausen.

Behörden und Vorstände der Gemeinde
Die Gerichtsbarkeit über Ohle hat das Land- und Stadtgericht zu Altena. In alten Zeiten hatte das Amt Neuenrade seine besonderen Drosten und Richter. Jene wohnten anfänglich auf dem Schlosse in Neuenrade, verzogen aber später nach Pungelscheid. Die Richter blieben indes bis 1753 in Neuenrade wohnen. Bürgermeister und Rat zu Neuenrade behielten die Befugnis, gewisse kleine Justiz-Angelegenheitern schlichten zu dürfen.Obgleich auch Letzteres nicht mehr stattfindet, so werden dennoch zur Bequemlichkeit der diesseitigen Eingesessenen monatliche Gerichtstage zu Neuenrade abgehalten. Appellations-Instanzen sind das Oberlandesgericht in Hamm und das Geheime Ober-Tribunal in Berlin. Früher wandte man sich von dem Rat in Neuenrade an das Hochgericht in Lüdenscheid. 1719 wurde aber die Instanz in Lüdenscheid aufgehoben, und man wandte sich von Neuenrade direkt an das Kleve-Märkische Hofgericht in Kleve, über welchem die Reichsgerichte und das Tribunal in Berlin standen. Ohle gehört zur Bürgermeisterei Neuenrade. Es stand unter der (französischen) Fremdherrschaft vom Oktober 1806 bis dahin 1813. Die Gemeinde besteht aus zwei Bauernschaften, dem Dorf und dem Kirchspiel. Zum Dorf gehören auch Gringel und Wörtmecke. Es sind zwei Gemeinderäte vorhanden. Dem Gemeinderat des Dorfes wird ein sogenannter Bauerrichter als Gehülfe beigegeben, der die Verpflichtung hat, auf Verlangen des ersteren die Dorfeingesessenen zu gemeinschaftlichen Beratungen zusammenzurufen. Nach altem Herkommen muß der Bauerrichter seinem Dienst ein Jahr lang vorstehen und denselben auf Himmelfahrt dem in der Hausnummer folgenden Eingesessenen ansagen; unterläßt er solches, so ist er stillschweigend verpflichtet, nachzudienen. Vor 1836 waren Ohle und Neuenrade dem Iserlohner Landwehr-Bataillon zugeteilt und gehörten zum 16. Landwehr-Regiment. Jetzt sind sie der 4. Kompagnie des Attendornschen Landwehr-Bataillons, dem 35. Infanterie- oder 3. Reserve-Regiment im 7. Armeekorps zugeteilt. Der Kirchenvorstand besteht aus dem Prediger, 2 Ältesten, 1 Kirchmeister, der zugleich Rendant ist, 1 Diakon, der Armenkassen-Rendant ist, und 20 Repräsentanten, wovon 7 im Dorf wohnen. Ein Viertel scheidet alljährlich aus.

Bevölkerung, Privatgebäude, Abgaben
Aufgenommen am 1. September 1841. Wenn sich gleich die Seelenzahl in den letzten drei Jahrzehnten, besonders im Dorfe, einigermaßen vermehrt hat, so ist diese Zunahme doch keineswegs so bedeutend, als man gewöhnlich glaubt; denn wenn man Vergleichungen in den Kirchenbüchern anstellt, so findet sich, daß die Anzahl der Geborenen usw. vor 100 Jahren fast ebenso groß war, als in der jetzigen Zeit. Die ganze Gemeinde zählt jetzt 544 Seelen, wovon in kirchlicher Hinsicht 7 Katholiken abgehen, die größtenteils zu Affeln eingepfarrt sind; dagegen halten sich aus dem Herzogtum Westfalen die Ortschaften Birnbaum mit 6, Affelerhammer mit 4 und in der Regel auch die Evangelischen in und bei der Amecke, jetzt 8 Seelen, zusammen also 18 Seelen, zur hiesigen Kirche, so daß die Parochie insgesamt 555 Seelen zählt.

    Es sind vorhanden:
  • 40 Ehepaare im Dorfe, 53 im Kirchspiele, zusammen 93;
  • 5 Witwer im Dorfe, 6 im Kirchspiele, zusammen 11;
  • 8 Witwen im Dorfe, 10 im Kirchspiel, zusammen 18;
  • 2 Gesellen und Lehrlinge im Dorfe, 1 im Kirchspiele, zusammen 3;
  • 4 Dienstknechte im Dorfe, 13 im Kirchspiele, zusammen 17;
  • 7 Dienstmägde im Dorfe, 19 im Kirchspiele, zusammen 26;
  • 5 Hirten und Kindermädchen im Dorfe, 16 im Kirchspiele, zusammen 21.

Nach dem Durchschnitt von 1835-1840 einschließlich gibt es jährlich 20 Geburten, 12 Sterbefälle, 4 Kopulationen, 10 Konfirmanden. Nach Ausweis der Kirchenbücher waren in dem Zeitraum 1740-1840: die meisten Geburten 1780, nämlich 31; die wenigsten Geburten 1744 u. 1746, nämlich 6; die meisten Todesfälle 1786, nämlich 29; die wenigsten Todesfälle 1824, nämlich 2; die meisten Trauungen 1821, nämlich 31; die wenigsten Trauungen 1739 u. 1794, nämlich 0. Die 29 Todesfälle 1786 wurden größtenteils durch die Blattern herbeigeführt.

Gebäulichkeiten
Seit 1812, in welchem Jahre fast alle bisherigen Brüninghauser Erbpächter ihre Güter zu einem unumschränkten Eigentum erhoben, hat sich die Anzahl der Wohngebäude, teils durch Umwandlung bisheriger Nebengebäude in Wohnhäuser, größtenteils aber durch Errichtung neuer Feuerstellen auf frischem Rasen, bedeutend vermehrt. Man zählt gegenwärtig: Wohnhäuser einschließlich der bewohnten Nebengebäude im Dorfe 39, im Kirchspiel 49, zusammen 89; gewerbliche Anlagen (Mühlen, Schmieden usw.) im Dorfe 6, im Kirchspiel 5, zusammen 11; Scheunen, Schuppen, Ställe usw. im Dorf 18, im Kirchspiel 36, zusammen 54. Summa: im Dorfe 63, im Kirchspiel 90, zusammen 153. Eigentümer im Dorfe 28, im Kirchspiel 21, zusammen 49; Erb- und Zeitpächter im Dorfe 0, im Kirchspiel 14, zusammen 14; Einlieger und Tagelöhner im Dorfe 12, im Kirchspiel 21, zusammen 33. Summa der Familien: im Dorfe 40, im Kirchspiel 56, zusammen 96. Für die Erhebung der Grundsteuer werden 3 Prozent gerechnet. Der Reinertrag der ganzen Gemeinde beläuft sich auf 7.536 Rtlr. 26 Sgr. 5 Pfg. Die Steuern setzen sich in folgender Weise zsammen: Grundsteuer: im Dorfe 246 Tlr., im Kirchspiel 677 Tlr., Gesamtsumme 924 Tlr.; Klassensteuer: im Dorf 89 Tlr., im Kirchspiel 143 Tlr., Gesamtsumme 232 Tlr.; Gewerbesteuer: im Dorf 24 Tlr., im Kirchspiel 20 Tlr., Gesamtsumme 44 Tlr.; Kommunalgeld: im Dorf 74 Tlr., im Kirchspiel 187 Tlr., Gesamtsumme 261 Tlr.; Schulgeld (mit Schreibmaterial): im Dorf 49 Tlr., im Kirchspiel 53 Tlr., Gesamtsumme 102 Tlr.; Brandgeld: im Dorf 28 Tlr., im Kirchspiel 37 Tlr., Gesamtsumme 65 Tlr.; Reparatur-Kosten: im Dorf 22 Tlr., im Kirchspiel 45 Tlr., Gesamtsumme 67 Tlr.; Summa: im Dorf 532 Tlr., im Kirchspiel 1.161 Tlr., Gesamtsumme 1.694 Tlr.. Die Gewerbesteuer haftet zu 16 Tlr. Auf der Gast- und Schenkwirtschaft, zu 10 Tlr. auf einer Fruchtmühle, zu 8 Tlr. auf dem Kramerbetriebe, zu 6 Tlr. auf dem Holzhandel und zu 4 Tlr. auf der Bäckerei. - 1822 wurde das Schulgeld von 23 Sgr. 1 Pfg. auf 30 Sgr. für jedes schulpflichtige Kind erhöht. Während in der Gemeinde Ohle auf 100 Seelen nur acht Zehntel Arme kamen, kommen in Werdohl auf 100 Personen 3 Arme, in Herscheid und Neuenrade auf 100 Personen 6 Arme, im Amte Plettenberg auf 100 Personen 7 Arme, in der Stadt auf 100 Personen 12 Arme. Bei der Westfälischen Feuersozietäts-Kasse ist das Dorf mit 18.240 Tlr. und das Kirchspiel mit 24.220 Tlr., die Gemeinde also mit 42.460 Tlr. versichert, Kirche mit Turm mit 800 Tlr., das Pfarrhaus mit 720 Tlr. und die Schule mit 340 Tlr..

Widrige Schicksale und verhängnisvolle Zeiten

1. Krankheiten und Seuchen.
In der Pest 1631 sollen der Sage nach nur 5 Bauern am Leben geblieben sein. Das Dorf soll so öde und menschenleer gewesen sein, daß die Hasen in den Kornkasten bei den Wohnhäusern ihr Lager aufgeschlagen haben sollen (1.
1837 grassierte in der Gemeinde die Grippe, es starb keiner daran. 1786 starben viele Kinder an den Blattern, 1818 an der Roten Ruhr. 1830 wurden von hartnäckigen Masern 14 Personen hingerissen (2.
Vor 50 Jahren ertrank ein auswärtiger Fuhrmann in der Selmbacher Fuhre. In der Nacht auf den 19. Februar 1800 ertrank der Musketier P. W. Middendorf im Gringels Wage. Am 22. November 1840 ertrank ein Postillon, der vor dem Müllers-Hause zu Teindeln bei der Dunkelheit mit seinem Gefährte in die Lenne geriet, während die beiden Insassen des Wagens glücklich am jenseitigen Ufer gerettet wurden (3.
2. Überschwemmungen.
1497, 1520, 1589, 1592 und 1601 waren Wasserfluten. 1613 vom 1.-4. Januar war eine über alle Beschreibung große. 1643 im Januar, 1709,1716, 1729 den 29. Januar, 1739 den 16. Januar, 1740 den 20. Dezember und 1753 im Dezember war viel Wasser und Eisgang. 1792 und 1808 am 8. und 9. April ebenso. 1792 wurde die Brücke, die über den Brink gebaut war, weggerissen (4.
1809 mußten die Bewohner des Dorfes im oberen Stockwerk ihres Hauses Zuflucht suchen. Am 12. Juli 1813 ging im Oestertal ein Wolkenbruch nieder, daß es in einen See verwandelt wurde. Die Lenne trat plötzlich über ihre Ufer und schwemmte das abgemähte Gras fort.
3. Feuersbrünste
Herscheid ist samt der Kirche am 1. April 1686 in Flammen aufgelodert. 1768 brach in der Brauerei in Schneidershause zu Ohle Feuer aus, wodurch außer diesem noch Küsters-, Mertens- und Hof-Haus zur Hälfte eingeäschert wurden. 1786 brannten die beiden Häuser in Elhausen ab. Ein unbedachtsamer Bursche schoß nach Sperlingen und der brennende Pfropfen setzte das Dach des untern Hauses in Flammen. Die Spritze konnte bei der argen Kälte nicht gebraucht werden. Am 5. März 1805 ist die Höh bis auf den Grund abgebrannt. Am 25. Januar 1828 wurde Vollmers und am 22. Juli 1836 Hügels Haus, beide bis auf die Mauern, von den Flammen verzehrt. Am 30. August 1832 ging die Jeutmecke in Rauch auf. Dunkers Haus brannte vor etwa 100 Jahren ab. Das Becker-Haus oberhalb Brüninghausen brannte vor 60 Jahren nieder, wurde aber nicht wieder aufgebaut.
4. Kriegsungemach
Am Hemberge und Dickenhage sind Spuren der sogenannten Hütelöcher anzutreffen, die aus der Zeit des 30jährigen Krieges herrühren sollen. Die Vorfahren verbargen darin ihre Kostbarkeiten und vielleicht auch in gefahrvollen Augenblicken ihre eigene Person.
Im Siebenjährigen Kriege nahmen die Franzosen in Teindeln ein Pferd weg; der Freifrau von Katzler zu Grimminghausen, deren Gemahl als Generalmajor in der preußischen Armee diente, nahmen die französischen Kriegsvölker außer anderen Kostbarkeiten eine Menge Leinwand weg. 1813 hatten die Eingesessenen mehrere Ordonnanzfuhren zu verrichten (5.
1814 mußte viel Hafer, Heu, Stroh und Brot als Kriegskontribution geliefert werden (6.
Himmelfahrt 1813 kamen 60 Franzosen durch das Dorf, später noch 100. Im März 1814 kamen 100 russische Dragoner durch.
5. Teuerung und Hungersnot
Schon 1739 fiel ein früher strenger und anhaltender Winter, daß die Garten- und Feldfrüchte nicht eingeerntet werden konnten. Dadurch entstand, namentlich an den spätreifenden Orten, ein so großer Futtermangel, daß kaum ein Fünftel des Viehs bis zum nächsten Frühjahr erhalten werden konnte, welches zum Teil mit abgenommenem Dachstroh und den Spitzen des Heidekrautes ernährt wurde. 1789 und 1795 traten abermals teure Zeiten ein, die Friedrich Wilhelm der Zweite dadurch mildern ließ, daß er Korn und Mehl in die Grafschaft Mark sandte. 1795 kostete in Attendorn ein Malter Hafer von 240 Pfund 25 Rtlr.
Mitte Mai 1816 fiel ein für die Blüten höchst verderblicher Schnee. Später stellte sich kaltes, anhaltendes Regenwetter ein, das fast bis zum Schlusse des Jahres andauerte. Daher konnten die Früchte nicht reif eingeerntet werden und blieben an den spätreifenden Orten auf dem Halme stehen. Auf dem hiesigen Kirchspiel wurde noch Hafer zwischen Weihnachten und Neujahr eingefahren und beim Ofen getrocknet. In den Tälern hatte man eine etwas günstigere Getreideernte; dagegen blieben die Kartoffeln fast allenthalben in der Erde.
Mit dem folgenden Frühjahr begann man das "teure Jahr", in welchem ein Malter Roggen mit 32 und ein Malter Hafer mit 16 Rtlr. bezahlt wurden. Das siebenpfündige Brot kostete im Sommer 1817 durchschnittlich 40 Stüber oder 15 ½ Silbergroschen und war dazu fast ungenießbar. Arme und Bedürftige suchten ihr Leben durch allerhand Kräuter, Gräser und Wurzeln kümmerlich zu fristen, kurz - die Not, das Elend und der Jammer waren unbeschreiblich groß (7.
Eine wohlfeile Zeit war 1824. Damals galt ein Berliner Malter Roggen nur 5 Tlr. und ein siebenpfündiges Brot kostete 2 Sgr. 2 Pf.
Hagelschlag. Ein solcher kam am 1. Juli 1825. Die Schlossen hatten die Größe einer Walnuß, mitunter auch wohl eines Hühnereies, zerschlugen viele Fenster und waren dem Roggen sehr verderblich.
Ein schlimmer Hagelschlag kam am 13. August 1832. Dieses Unwetter entlud sich am fürchterlichsten über den Gemeinden Herscheid, Kierspe, Meinerzhagen und Valbert. Es gab in dieser Gegend Felder, auf denen das Getreide so spurlos verhagelt war, daß man kaum noch die Art desselben erkennen konnte. Den Häusern erging es ebenfalls nicht vom besten, indem die Fensterscheiben an verschiedenen Orten zu Tausenden zerklirrt waren (8.

Von der Kirche und dem Kirchhofe
Die Kirche ist 55 Fuß lang und 38 Fuß breit. Anscheinend ist die Sakristei nach der Reformation angebaut (9. Die Höhle unter derselben wurde vormals als Beinhaus benutzt. Auf dem Boden der Sakristei befanden sich noch verschiedene Heiligenbilder aus katholischer Zeit, sowie die Familienwappen der v. Mascherell und v. Katzeler.
Der Altar wurde 1720 neu verfertigt. Die zwei zinnernen Leuchter darauf haben die Inschrift "Johan aufdr Wordt. Anno 1659 Kerkmester". Das weiße Altartuch soll ein Vermächtnis einer hundertjährigen Jungfer im Vosloh sein (10. Abendmahlskelch und Hostienteller sind ein Geschenk des Freiherrn von Katzeler, wie solches sein Wappen erkennen lässt. Der Klingelbeutel ist von seiner Gemahlin gestiftet worden. Das Altarbild stellt das heilige Abendmahl dar und hat die Unterschrift: "Jesus nam das brod danket und brachs den Jüngern und sprach nemet das Ist mein leib. Matth. 26". Oben siehet man die Aufopferung Isaaks. Zur einen Seite der letztgenannten Abbildung steht der Gesetzgeber Moses, die beiden Tafeln im Arm haltend, und zur andern der Priester Aaron in seinem Amtsgewande. Die äußeren Seiten des Blattes werden durch zweifach gewundene Doppelsäulen begrenzt, welche mit Engelsgestalten geziert sind. Die Krone des Ganzen bildet ein Kruzifix.

An der Seitenwand des Chores zeigen sich oberhalb der Sakristei-Türe die Bildnisse der 12 Apostel, das einzige Fresko-Gemälde der Kirche, mit der Jahreszahl 1755. Die Grabsteine ...


Fußnoten:
1) Diese Sage steht nicht im Einklang mit den Tatsachen, denn 1651 lebten außer den zum Hause Grimminghausen in einem Pachtverhältnis stehenden Bauern noch 33 steuerpflichtige Bauernfamilien in der Gemeinde, von denen 15 im Dorfe, 5 in Hilfringhausen, 4 in Selscheid, 3 in Teindeln, je 2 in Elhausen und Erkelze und je 1 im Voßloh und auf dem Winterhofe wohnten.
2) Auch in den Jahren 1730, 1750, 1758, 1763, 1796 und 1800 war die Zahl der Todesfälle bedeutend größer als die der Geburten. Auch 1758, 1769, 1779 und 1896 traten die Blattern auf. 1761 starben 9 Personen an der Roten Ruhr.
3) In den 113 Jahren von 1696 - 1809 wurden in der Gemeinde 1.614 geboren, es starben 1.311; mithin betrug der Geburtenüberschuß 303. Von den 1.311 gestorbenen Personen waren 17 verunglückt, und zwar 4 in der Lenne und 3 in Brunnen ertrunken. Ein sehr gutes Zeichen für die Gemeinde ist, daß in den 113 Jahren dort weder Mord noch Selbstmord vorgekommen ist. Es erschoß sich zwar zu Brüninghausen 1704 ein aus Prag stammender Bediensteter, der aber nicht in Betracht kommt, weil er in die Gemeinde Affeln gehörte.
4) 1739 riß die große Flut die Lennebrücke weg, so daß man "mit dem Katechismus-Unterricht nicht hat fertig werden können". Im Winter 1803 zertrümmerten große Eismassen die Brücke.
5) Es gab damals im Dorfe 9 und im Kirchspiel 20 Pferde, die alle zu Spanndiensten herangezogen wurden. Joh. Pet. Werdes, D. Wilh. Schmidt und D. W. Hesmer fuhren bis nach Burbach und gebrauchten zur Hin- und Rückfahrt 16 Tage. Joh. Pet. Schmidt und der Fuhrmann des Rentmeisters Lübbecke machten ihre Fahrt bis Diez in 23 Tagen. Die meisten machten mehrere Fahrten von kürzerer Dauer. Es fuhr z. B. Pet. Middendorf einmal nach Elberfeld in 4 Tagen, 3 mal nach Unna in 3 Tage, einmal nach Hagen in 1 Tage, einmal nach Dormagen in 8 Tagen; Pet. Wilh. Vollmer zweimal nach Elberfeld in 4 Tagen, viermal nach Schwelm (3 Tage) und einmal nach Balve (1 Tag).
6) Die Gemeinde Ohle hat geliefert 253 Scheffel Hafer, 63 ½ Ctr. Heu, 20 Ctr. Stroh. Sie brachte im November und Dezember 1813 235 Rtlr. Darlehen zu Kriegszwecken auf.
7) Eine sehr wertvolle Ergänzung dieser Rötelmannschen Angaben bilden die von Herrn P. Kriegskotten veröffentlichten Aufzeichnungen des Johan n Dietrich Ossenberg zu Kettling aus den Jahren 1802-1860. Darin steht über das Jahr 1816 und 1817:
"Anfangs März 1816 ging die nasse Witterung an, welche den ganzen Sommer und auch den ganzen Herbst anhielt. Der Herbst war aber schon ziemlich kalt. Im Oktober fiel schon reichlich Schnee. Auch im November gab es viel Schnee. Am 11. November war bei uns an der Lenne der Schnee schon ziemlich tief. Im Dezember gab es viel Schnee und Frost. Den Sommer hindurch regnete es fast täglich. Trotzdem gab es ziemlich Roggen, Hafer, Gerste und Weizen. Die Kartoffeln aber waren schlecht, denn es war ihnen zu naß. Wegen der nassen Witterung sind alle Früchte ziemlich schlecht eingeerntet. Es gab viel Heu, aber es ist schlecht und naß eingeerntet. Verschiedenes ist verdorben. Das Getreide ist auf den Feldern infolge der nassen Witterung ausgekeimt. Das Grummet ist auch spät eingekommen. Es war überhaupt ein spätes Jahr. Den 17. Oktober haben wir den letzten Hafer eingefahren und zwar beim Lampenscheine. An den späteren Orten unserer Heimat ist viel Hafer erst im Dezember eingebracht worden. Viel ist umgekommen und auf dem Felde verdorben. Es war erbärmlich."
Über das Jahr 1817 berichtet Ossenberg: "Die Teuerung und Hungersnot war sehr drückend. Am teuersten war das Brot im Sommer. Man sah viele Leute Brennesseln sammeln und sie wurden dann mittags gekocht gegessen. Auch hat man Sauerkraut mit Gras gestreckt. Aus dem gekeimten Roggen ward schlechtes Brot gebacken, an welchem sich viele Leute krank aßen. Für Geld war bald kein Brot mehr zu bekommen. Man mengte in das Roggenmehl Kartoffeln-, Hafer-, Erbsen- und Bohnenmehl. Letzt im Sommer kam noch Roggen aus Polen in unsere Gegend. Die armen und geringen Leute wehklagten über die Teuerung und Hungersnot. Fast täglich kamen arme Leute, um Brot und Kartoffeln zu sammeln. War ein armer Mensch aus dem Hause, so kam der andere. Alle forderten ein klein Stück Brot oder ein paar Erdäpfel."
8) Der von dem Hagelschlag am 13. August 1832 angerichtete Schaden wurde betreffs der Gemeinde Herscheid in folgender Höhe geschätzt: für 81 Familien der Ebbe-Bauerschaft auf 9702 Rtlr., für 100 Familien der Dorfbauerschaft auf 1.527 Rtlr. und Berg-Bauerschaft auf 1.660 Rtlr., für 33 Familien in der Silveriner Bauerschaft auf 2.748 Rtlr., für 69 Familien der Dankliner-Bauerschaft auf 17.320 Rtlr.. Nach den Angaben von Julius Hölterhoff sollen Stadt und Amt Plettenberg durch diesen Hagelschlag auch einen Schaden von etwa 24.000 Trlr. erlitten haben. Hölterhoff berichtet auch noch von einem verheerenden Hagelwetter im Frühsommer 1813 und von einer großen Wasserflut in der Nacht vom 23. zum 24. Juni 1813: "Das Wasser kam in Plettenberg bis an die Kirche. Die Ehefrau Kuhne wurde mit dem Bett, worin sie lag, aus ihrer Wohnung auf den sogenannten Keller an der Oester fortgeschwemmt und erst unter der Stadt gerettet. Die Gärten versandeten."
9) Sie wurde 1653 erbaut.
10) Gemeint ist offenbar die zu Soest geborene Anna Gertrud Böhmer, die 80 Jahre lang als Kammerjungfer in Grimminghausen tätig und 1772 im Alter von 110 Jahren gestorben ist.

(die gesamte Chronik kann auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden)


Lexikon für die Stadt Plettenberg, erstellt durch Horst Hassel,
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