Die Hölterhoff-Chronik

Julius Hölterhoff wurde 1809 als Sohn des Lehrers Gottlieb H. wahrscheinlich in Neukirchen, wo sein Vater als Lehrer tätig war, geboren. Spätestens ab 1836 war er als Gerichtsaktuar (Gerichtsschreiber, Schnellschreiber) beim Amtsgericht Plettenberg tätig. Aus seiner Ehe mit Juliana Rehse (*1814 †05.03.1858), Tochter des in Plettenberg tätigen Chirurgen und Wundarztes Moritz B. Rehse, gingen drei Kinder (Bertha *26.04.1838, Walter *30.01.1840, Erwin Tugendhold *04.06.1843) hervor. Die Familie bewohnte im Jahre 1843 in Plettenberg das Haus Nr. 87. Im Jahre 1843 begann Julius Hölterhoff mit dem Entwurf zu einer Chronik der Stadt Plettenberg, die er 1844 abschloß. Diese handschriftlich erstellte Chronik wurde nie gedruckt. Julius Hölterhoff wanderte nach dem Tode seiner Frau nach Amerika aus.

Chronik der Stadt Plettenberg

zusammengestellt aus dem städtischen Archiv und nach von Steinens westfälischer Geschichte von Julius Hölterhoff, 1844 (über 400 Folio-Seiten)

1. Geschichte von der ältesten Zeit bis 1843
A. Allgemeine äußere Geschichte

  Bei der Lage der Stadt Plettenberg, an der Grenze zwischen der Grafschaft Mark und den ehemaligen Herzogtümern Engern in Westfalen, läßt sich annehmen, daß sie in den Zeiten, in welchen die Herrschaft und das Recht hauptsächlich in der Hand der Gewalt ruhte, bei der Behauptung der Ersteren nicht selten Zeugin oder Teilnehmerin der Anstrengungen war, welche angewandt werden mußten.
  Aber weder die allgemeine Geschichte berichtet hierüber etwas, noch hat sich irgendeine Tradition aus diesen älteren Zeiten erhalten von so viel historischer Bedeutung, daß an ihr bestimmtes oder mutmaßliches Datum für eine Geschichte der Stadt geknüpft werden könnte.
  Dies scheint überhaupt an der Geschichte der verflossenen Jahrhunderte nur als integrierender Teil des Landes Anteil und Erfahrung genommen zu haben, da sich nirgendwo Spuren von Einzelhandlungen oder abgesonderter Selbständigkeit vorfinden, weshalb denn auch die Geschichte der Stadt bis auf die neueste Zeit, mit Ausnahme der Gestaltungen ihrer inneren Verhältnisse, in die Geschichte des Landes und der Landesherrschaft verschmolzen ist.

  Der Ursprung der Stadt ist völlig dunkel - ihre Erhebung als solche mit den Umständen unter welchen unbekannt und nach dem Zeitpunkte, in welcher sie geschehen, zweifelhaft.
  Die im Archiv der Stadt vorhandenen, aus dem Brande 1725 geretteten ältesten Urkunden reichen bis in das 14. Jahrhundert. Bis jetzt sind sie aber noch nicht alle entziffert, weshalb eine Ordnung ihrer Nachrichten untereinander, auch für den Gebrauch rücksichtlich späterer Zeiten und Verhältnisse, nicht hat ausgeführt werden können.
  Wir haben nur eine einzige Zusammenstellung der größtenteils nur aus jenen Urkunden geschöpften Nachrichten, und zwar bei von den Steinen im zweiten Teil der Westfälischen Geschichte; und der vorliegende Entwurf muß sich hier an die Mitteilung des verdienten Geschichtsforschers halten, um so mehr, als die übrigen von dem letzteren nicht benutzten Dokumente des Archivs dem Verfasser unlesbar sind.
  Nur über den Ursprung des Namens kann man sich mit dem Gewährsmann nicht einverstanden erklären, da derselbe gegen dessen Ableitung eigentlich geradezu in die erste Geschichte der Stadt hineinzuführen scheint.
  Wenn von den Steinen den Namen des Ortes von einem in der Nähe desselben gelegenen Berge, noch jetzt die "Bracht" geheißen, ableitet, weil die Stadt auf einer Ebene vor diesem Berge, "Plat vor der Bracht", angelegt sei, so folgt er hierin gewiß weniger den Forderungen der Historie, als irgendeiner der Mitteilungen städtischer Zeitgenossen, welche vielleicht aus einem kleinlichen Beweggrunde der Zeit den Namen der Stadt lieber von einer zufälligen örtlichen Lage herleiten möchten, als, was der Wahrheit gewiß näher lag, von dem Einflusse, welche eine anerkannt schon in der Kindheit des Ortes blühende Ritterfamilie, die "von Plettenberg", auf die Entwicklung derselben ausüben mußte.
  Welche Bedeutung der in der Gegend häufig vorkommende Name "Bracht" als Wurzelwort auch immer haben mag, so ist doch der Flächenraum bei der Stadt, welche diesen Namen führt, an sich und im Verhältnis zu anderen gleich nahe gelegenen, mit Eigennamen versehenen, gar zu unbedeutend, als daß derselbe hätte Veranlassung geben können, den Namen des Ortes in der vom Geschichtsschreiber angedeuteten Art zu bilden.
  Zweifelsohne ist die Niederlassung der Familie von Plettenbracht, Plettenbrecht, Plettenbergh oder welche Endformen der Name erlitten haben mag, älter als die erste Ansiedlung für die jetzige Stadt um diesen Stammsitz; und es erscheint schon deshalb ungezwungen, wenn der Name des Ortes von der ältesten und gewiß (ohne andere Beziehungen) bedeutendsten Familie abgeleitet werde.
  Diese Ableitung wird dem Beweise nahegebracht, wenn man mit von Steinen es als eine kundliche Wahrheit voraussetzt, daß die meisten Güter in und um Plettenberg Besitztum der Herren von Plettenberg bis in das 14. Jahrhundert gewesen seien. Läßt man hierfür den Mitteilungen von Steinen aus einem Register der um das Jahr 1410 gesammelten Märkischen Briefschaften, die Beweiskraft alter Kopien, nach welchen
1.) Henderich von Plettenberg und sein Sohn dem Grafen Engelbert die Vogdie zu Plettenberg zur Hälfte verkauften,
2.) Johann von Plettenberg dem Grafen Engelbert den Gemahl des Hafers in der Mühle zu Plettenberg,
3.) die Söhne Duderichs von Plettenberg, Henrich, Heidenreich, Aleff und Johann von Plettenberg, dem Grafen Engelbert von der Mark ihre Landleute und Untersassen verkauften,
4.) Gert von Plettenberg, Gerdes Sohn vorscheiden ist (geschieden ist) mit Greve Engelbert von dem Dorpe und Luiden to Plettenberg und Landebert das Dorp, so erscheint jene Behauptung mit nicht unwichtigen Beweismitteln versehen.
  Außerdem befindet sich im städtischen Archiv als älteste Urkunde aus dem Jahre 1362 ein Vertrag zwischen Heidenreich zu (von ?) Plettenberg und dem Kapitel St. Andreae zu Cöln über den großen Zehnten zu Plettenberg; von Steinen teilt diesen Brief nicht mit und es findet sich auch keine Übersetzung vor, aus der der Grund zur Zehntverpflichtung zu entnehme wäre.
  Das Kapitel St. Andreae hat aber nach der im Archiv befindlichen Urkunde vom Jahre 1555 diesen (großen und schmalen) Zehnten dem Rat der Stadt Plettenberg verkauft und benennt denselben ausdrücklich als zur Kirche St. Andreae gehörig: Erbpacht und Lehngut.
  Man muß daher annehmen, daß Heidenreich von Plettenberg im Jahre 1362 Lehnträger der mit diesem Zehnten belasteten Grundstücke war. In den Jahren 1810 bis 1818 ist dieser Zehnten als ein Garbenzehnten ausgekauft und kapitalisiert worden und die Verhandlungen weisen nach, daß ein großer, ja fast der größte Teil der städtischen Feldmark, die sicherlich vorgekommenen Verdunkelungen außer Acht gelassen, diesem Zehnten unterworfen war.
  Es läßt sich daher dem Schlusse: daß früher und noch bis zum Jahre 1362 außen den vielen noch bis in die neueste Zeit der Familie von Plettenberg zuständig gewesenen Gütern des Amtes Plettenberg, auch die Stadt und deren Feldmark Eigentum der Ritter von Plettenberg war oder unter ihrer Herrschaft stand, wohl nichts erhebliches einwenden. Denn wenn auch das Archiv aus dem Jahre 1498 noch eine Urkunde besitzt, nach welcher Hermann Kobbenroth demselben Kapitel St. Andreae mit dem schmalen Zehnten (einen halben Goldgulden jährlich) pflichtig war, die Übertragung des großen und schmalen Zehnten an den städtischen Rat, im Dokumente vom Jahre 1555 aber keiner Ausnahme gedenkt, in der Zeitfolge aber eine solche auch nicht herausgestellt hat - so schließt dieses Dokument für jene Behauptung weiter nichts aus, als daß Hermann Kobbenroth mit Bewilligung des lehnherrlichen Kapitels, teilweise Zwischenlehnsträger war.
  Eine vollständige Übersetzung der Urkunde vom Jahre 1362 würde vielleicht die frühesten Besitzverhältnisse aufhellen.
  Hiernach rechtfertigt sich nicht allein die Ableitung des Namens der Stadt Plettenberg (von) den früheren Besitzern des Teritorii, sondern es beginnt auch die Geschichte der Stadt mit der Zeit, in welchem die Familie von Plettenberg sich des Eigentums oder der Herrschaft über derselben entäußerte.
  Im städtischen Archiv befindet sich noch ein Brief vom Jahre 1433, laut dessen Gert von Plettenberg viele Dienstleute der Dienstbarkeit entläßt, dessen Inhalt aber zu der Geschichte der Stadt in keinem Verhältnis steht.
  Hiermit schließt, so weit alle Nachrichten reichen, die Verbindung zwischen der Familie von Plettenberg und der Stadt ab, mit den Ausnahmen, daß ihre Stammburg in derselben vielleicht noch längere Zeit bestanden hat, daß sie noch in den Jahren 1830 zur Hälfte Eigentümerin der bei der Stadt gelegenen Wahlmühle (Walkmühle?) war, nur daß das Haus Schwarzenberg, im Amte Plettenberg, das letzte adlige Besitztum der Familie in hiesigen Grenzen, die bei Eiringhausen über die Lenne führende Brücke mit der Stadt gemeinschaftlich (jetzt jeder Teil zur Hälfte mit gleichen Anrechten an dem Brückenzoll) bauen und unterhalten muß.
  Die Geschichte der Stadt Plettenberg beginnt also in der Zeit, in welchem der Ort aus der Privat-Dienstbarkeit, oder der Spezialherrschaft der Ritter von Plettenberg im 14. Jahrhundert, teils durch Verkauf, oder nach den oben angeführten urkundlichen Mitteilungen, teils, nach der von Steinen sagenhaften Mitteilung (pag. 16) durch Einziehung eines Teils der Güter infolge eines blutigen Bruderzwistes, an den Grafen von der Mark mit mehrerer oder minderer Selbständigkeit, unter landesherrliche Hoheit kam.
  Der Graf Engelbert von der Mark erteilt im Jahre 1387 dem Dorfe Plettenberg das Recht, Bauen und Zaunen innerhalb und außerhalb des Ortes, welches Straßen und Plätze schädigen möchte, selbst zu strafen. (Die Strafen verfallen nicht dem Landesherrn) Hier kann man also schon ein geordnetes inneres Regiment annehmen.
  Das Dorf Plettenberg erhält in demselben Jahr das Recht, für die dazugehörigen Waldungen einen eigenen Holzrichter zu setzen, der (sich) nach den der Stadt Iserlohn verliehenen Marken-Rechten und den dort üblichen Gewohnheiten richten möge. Also eine Privat-Jurisdiction.
  Nach einem Briefe bei von Steinen (Nr. 3 Pag. 54) erteilt der Graf Diedrich von der Mark der Stadt Plettenberg 1397 ein besonderes Gericht, wie zu Lüdenscheid; einen freien Wochenmarkt; Heimfall der Erbabfindung zu dem Stammhause; eheliche Gütergemeinschaft; die Befreiung von anderen als den gewöhnlichen Schatzungen der Städte. Ferner das Recht zwei Bürgermeister und acht Ratsleute aus den Bürgern zu wählen, welche alljährlich je zur Hälfte neu erwählt werden.
  Im Archiv ist dieses Dokument nicht, weder im Original, noch in einer authentischen Abschrift, auch nicht ein altes Statuten- oder Kopiarbuch, nach welchem das Datum des Dokuments, welches gemäß einer Mitteilung der Königlichen Regierung vom 21. Dezember 1835 fehlerhaft sein soll, berechtigt werden könnte.
  Im Jahre 1400 bestätigt Graf Adolph von Cleve und Mark (nach von Steinen pag. 58) die der Stadt verliehenen Rechte und Freiheiten, und im Jahre 1423 Graf Adolph von Cleve und von der Mark in Ravensburg, Herzog von Berg, die von seinen Neffen von Cleve und von der Mark und deren Vorfahren der Stadt verliehenen Freiheiten.
  Das Datum des Dokuments vom Jahre 1397 in Zweifel gezogen, fällt also die Erhebung des Dorfes resp. der Freiheit Plettenberg zu dem Range einer Stadt in den Zeitraum von 1387 bis 1400.

Das Wappen der Stadt ist ein Wappenschild zwischen zwei Türmen, geziert mit vier Querbalken und 25 Feldern, welche mit den märkischen Farben Rot und Silber abwechseln, und einem über demselben geschlungenen Bande.
Diesem Wappen entsprechen auch die ältesten wie die neuesten Siegel. Bei der Grafschaft Mark ist die Stadt auch durch allen Wechsel der Herrschaften und Regenten-Familien hindurch verblieben, wie von diesen von Zeit zu Zeit und nach der jüngsten vorhandenen Urkunde am 20. Oktober 1689 von Friedrich III., Markgrafen von Brandenburg (v. d. Cleve), die Rechte in Freiheiten der Stadt teils bestätigt worden sind.

Wie die Familie von Plettenberg, so haben auch wohl die übrigen in der Stadt ansässig gewesenen freien Lehnsmänner, von denen außer dem noch vorhandenen und mit seinen Gütern als adelig behandelten Hause Cobbenroth von Steinen noch des Starckenhauses erwähnt, auf dieselbe seit ihrer Selbständigkeit wenig Einfluß gehabt, da derselbe nirgendwo bemerkbar ist.
Die Stadt ist früher befestigt gewesen, wie noch heute an den zu Gärten umgewandelten, den Namen "Damm" führenden Resten der Umwallung ersichtlich ist. Nach von Steinen ist die Ringmauer mit sieben Türmen versehen gewesen, von denen einer, der Gefängnisturm, und die beiden im Süden und Norden der Stadt gelegenen Tore zur Zeit des Geschichtsschreibers (1755) noch vorhanden gewesen sind.

Die Befestigung mag teils zur eigenen Sicherheit der Stadt geschehen sein; sie hat aber großenteils als Grenzschutzwehr des Landes gedient. Dies anerkennt schon das Privilegium des Herzogs von Cleve vom Jahre 1510 mit den Ausdrücken, daß die Stadt als an den Grenzen (Kanten) zunächst des Stifts (Gestifts) Cöln gelegen, mehr als andere Orte von Widerwärtigen und Feinden des Landes zu leiden haben, sonderlich in der jüngsten Zeit ihres Notdürftigsten beraubt worden, deshalb der erbetenen Gnade würdig sei, mit der Erwägung: daß der Flecken "eyn vürpael des Landtz eyn den Huyck gelegen von noiden to bevesten iß" - also: daß in dieser Zeit die Stadt als ein Vorwerck, ein Vorschutz an dieser Grenze für das Land anzusehen war.

Gleichwohl berichtet weder die Geschichte noch die Tradition keine einzelne bestimmte Tatsache; und mit den Räubereien und Raufereien zu den Zeiten des Faustrechts, welche mit den Geschichten des Tages untergingen, scheinen auch die Wechselfälle der Zeiten und des Krieges auf die äußeren Schicksale der Stadt nur wenig Einfluß gehabt zu haben, wie denn auch von Steinen bei den widrigen Schicksalen aus dem 30jährigen Kriege nur eine Plünderung am 27. und 28. Dezember 1632 erzählt und dann einen Einfall der Franzosen im Jahre 1672 und 1679 erwähnt.
So würde dann, wie bereits im Eingange gedeutet worden ist, die äußere Geschichte der Stadt Plettenberg von der älteren bis auf die jüngere Zeit mit der Geschichte des Landes und der Regenten erzählt werden.

So innig aber in angeborener Treue die Stadt dem angestammten, größtenteils in friedlicher Erbfolge sich fortpflanzenden Herrscherhause angehangen hatte, mit immerfertiger Bereitswilligkeit, behufs der Herrscherheerzüge und der vaterländischen Kriege, zum Kriegsschatz steuerte und ihre Söhne den ruhmgekrönten Fahnen folgen ließ, - so widerwärtig wirkte auf sie die Besitzergreifung der Franzosen im Jahre 1810.
Zwar mußte gewiß auch das Städtchen Plettenberg sich der Gewalt der Eroberung beugen und in den Umsturz ihrer Rechte und Freiheiten, in die Abänderung aller Regierungs- und Verwaltungsformen mit Geduld sich fügen; aber die Schmach der Unterdrückung wurde tief empfunden und erfüllte, weit entfernt von dem Jubel anderer Orte, die Herzen mit bitterem Haß gegen die Unterdrücker.


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Lexikon für die Stadt Plettenberg, erstellt durch Horst Hassel,
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