Fortsetzung (S. 2)
Von den Marken wurden für den Landesherrn besondere Flächen ausgesondert,
die sogenannten Sundern. Ein solcher ist zweifellos der Sundern bei Ohle
gewesen. Außer diesem befindet sich noch ein anderer in Flur 6 der
Gemarkung Dankelmert. Weil die fränkischen Könige von den zahlreichen
und weit ausdehnten Marken nur einen Teil für sich verwerten konnten,
so wurden die meisten als eine Ausstattung an königliche Beamte verliehen,
namentlich als Amtslehen der Grafen.
Aus der Bezeichnung "Königsbach", den das in den Gringelswaag mündende
kleine Bächlein führt, kann wohl mit Sicherheit gefolgert werden, dass
der Sundern bei Ohle bis zu dem Königsbach nach 780 in den Besitz der
fränkischen Könige gekommen ist, obwohl er unter dem sonst aufgeführten
Reichsgut im Sauerlande nicht erwähnt ist. Als solches wird in alten
Urkunden bezeichnet: 1317 curtem Webelngenwerde, bona imperii sita
prope Altena, ferner 1023 nostrum predium Hohunseli (Honsel bei
Hohenlimburg), und schon 890 schenkte König Arnulf Balve an das
Kloster Werden (Quelle: Rübel, Beiträge zur Geschichte Dortmunds).
Auf der Spitze des Sundern sind sehr gut erhaltene Reste einer Wallburg,
die sicherlich aus der karolingischen Zeit stammt, wenn sie nicht noch
viel älter ist, und früher mit dem Namen "Hünenburg" bezeichnet wurde.
Aus den Trümmern erkennt man noch deutlich die beiden Hauptteile
derartiger alter Burgen, nämlich die Haupt- und die Vorburg. Wie die
vorhandenen Mauerreste zeigen, bildete die zuerst erwähnte ein Rechteck
mit einer Länge von etwa 55 und einer Breite von 45 Schritten auf der
höchsten Stelle des schönen Bergkegels. Die innere Höhe des Mauerwalles
beträgt durchweg 1 Meter, die äußere an einigen Stellen bis zu 2,50 Meter.
In der Norwestecke ist eine trichterförmige Vertiefung, die anscheinend
früher tiefer gewesen ist. Der Zugang zu der Hauptburg befand sich im
Ostwall. Nach dem Lennetal hin ist der Hauptburg die Vorburg vorgelagert
gewesen und zwar derart, dass erstere die Nordwestecke der Gesamtburg
ausfüllte. Die Vorburg war ebenfalls in Rechteckform durch einen
Mauerwall abgegrenzt und befestigt. An der Längsseite nach der Lenne
hin ist diese Befestigung nicht überall mehr auffällig erkennbar, was
Mummenthey zu der Behauptung veranlasst hat, dieser Wall sei an der
Ostseite nur etwa 60 Schritt lang (Quelle: Mummenthey, Zweites Verzeichnis
der Stein- und Erddenkmäler des Süderlands unbestimmten Alters). Man
kann ihn aber ohne Mühe über 60 Schritte hinaus bis zur Nordwestecke
der Hauptburg ununterbrochen verfolgen. Mummenthey gibt auch an, es
sei weder Quelle noch Brunnen auf dem Burggelände zu finden. Nach
Daniels Schilderungen (Quelle: Daniel, Sagen und Geschichten von der
mittleren Lenne) muss aber früher ein jetzt verschütteter Brunnen
vorhanden gewesen sein. An der Südost-Ecke, wo bei Einbruchsversuchen
die größte Gefahr bestand und wo zugleich das Eingangstor gewesen zu
sein scheint, beträgt die Wallhöhe außen etwa 5 Meter. Das Hinaufschleppen
der vielen Steine auf den Gipfel des steilen, 375 Meter hohen Berges
und die Anlage der ausgedehnten Wallburg hat jedenfalls sehr viele
fleißige Hände und einen langen Zeitraum erfordert.
Über den Zweck der Burg sind natürlich keinerlei schriftliche
Nachrichten vorhanden, so dass wir auf Mutmaßungen angewiesen
sind. Am Fuße von Bergen mit alten Sachsenfesten, wie die
Syburg oder Eresburg, lagen fränkische Königshöfe. Ferner ist
bemerkenswert, dass auch Balve und verschiedene andere Orte
nicht weit von solchen alten Volksburgen liegen wie Ohle, in
unmittelbarer Nähe des Sundern. Durch Vergleichung mit diesen
Örtlichkeiten sind daher Schlüsse möglich.
Ursprünglich waren alle diese Wallburgen zweifellos Fliehburgen.
Damals kam dem Ackerbau nur untergeordnete Bedeutung zu, die
Haupt-Nahrungsquelle bildete die Viehzucht. Dieselbe erforderte
aber bei dem Mangel an Wiesen, Düngung usw. große Weideflächen,
dass der Landwirt der Gegenwirt der Gegenwart diese sich kaum
groß genug vorstellen wird. Als Viehtriften kamen fast ausschließlich
die großen Markenwaldungen in Betracht. Unter diesen Umständen
konnte die heimatliche Gegend nur verhältnismäßig wenigen Familien
ausreichend Nahrung gewähren.
Das Vieh bildete in jener Zeit den Hauptreichtum unserer Vorfahren.
Um dieses und das eigene Leben in Zeiten feindlicher Einfälle
einigermaßen schützen zu können, hat man im Laufe längerer Zeit
durch gemeinsame, anstrengende Arbeit auf steil abfallenden
Bergen die Wall- oder Fliehburgen angelegt.
Die fränkischen Eroberer brachten ihre militärische Besatzungen
zunächst in diesen alten Volksburgen unter. Dann aber legten sie,
gleichsam als Beobachtungsposten, an ihnen bequemeren Stellen in
der Nähe curtes (Höfe) an, die sie im Laufe der Zeit dermaßen
befestigten, dass sie die Mittelpunkte der fränkischen militärischen
Stellungen bildeten. Sie bestanden aus dem Familienhaus nebst
Bergfried, zu welchen wohl noch eine Kapelle hinzukam, und dem
die eigentliche Curtis umgebenden Pomerium, dem Baumhof.
Höchstwahrscheinlich ist auch in Ohle eine solche Curtis gewesen.
Das "Hofhaus" erinnert durch seinen Namen noch an das Pomerium,
den Hof, während die eigentliche Curtis südlich davon, wo heute
Kirche, Schule und Schneiders Hof sind, gewesen sein wird. Den
marschierenden Heeren dienten die Curtes als Herbergen, in denen
sie auch wohl verpflegt wurden.
Zum Unterhalt der Krieger hatten die um die Curtis herum wohnenden
Hofesbesitzer Getreide, Fleisch u. a. zu liefern. Hier liegen
wohl auch die Anfänge der eigentümlichen Verhältnisse späterer
Zeit. Ganz eigenartig ist, dass sämtliche Ohler Bauern durchs
ganze Mittelalter hindurch bis zum Anfange des vorigen Jahrhunderts
abgabepflichtig waren - den vom 11. Jahrhundert an die Ohler Burg
bewohnenden Rittern von Ohle, und nach ihnen deren Nachfolgern,
den mit dem Hause Brüninghausen vom Kölner Bischof Belehnten.
Durch die Errichtung der Burg Ohle hatte die Wallburg auf dem
Sundern ihre Bedeutung für Kriegszeiten fast gänzlich verloren.
Wahrscheinlich siedelten sich nun in ihrem Bereich mehrere
Familien an. Jedenfalls hat dort eine Familie Nolken gewohnt,
nach welcher die Burg in Zeugenverhören aus den Jahren 1517,
1540 und 1582 Nolkenberg genannt worden ist.
Ohne Frage haben andere Wallburgen des Lennetales, wie die Syburg
oder die Raffenburg bei Hohenlimburg, durch die Sachsenkriege
Karls des Großen eine größere geschichtliche Berühmtheit erlangt
als die auf dem Sundern. Diese hat aber für die Gegenwart das
vor den anderen voraus, dass von ihr die meisten Ruinen erhalten
geblieben sind.
Die Flurbezeichnungen "Burg, unter, vor und auf der Burg" bei
Herscheid halten wahrscheinlich auch noch die Erinnerung an
eine zweite Wallburg aus der Zeit der Kämpfe zwischen Franken
und Sachsen wach. Eine mittelalterliche Ritterburg kann hier
nicht in Frage kommen, weil über eine solche Burg oder das
dort ansässig gewesene Geschlecht doch irgend welche schriftlichen
Aufzeichnungen erhalten geblieben wären.
Noch viel schärfer als die Enteignung der Marken griff die
Einführung des Heerbannes in die altsächsischen Verhältnisse
ein. Das war eine Art allgemeine Wehrpflicht, die bei den
vielen Kriegen, die Karl der Große unternahm, sehr drückend
wurde. Durch eine kaiserliche Anordnung vom Jahre 807 waren
je nachdem es die Verhältnisse erforderten, 9, 5 oder 3 Hufen
verpflichtet, einen Mann für das Feld zu stellen und ihn
drei Monate lang mit Nahrung und Ausrüstung zu versorgen.
Die Durchführung dieser harten Bestimmung hatte die Anfänge
des Lehnwesens im Gefolge. Um sich in Ruhe seiner Landwirtschaft
widmen und dadurch seine Familie gegen wirtschaftliche Not
schützen zu können, übertrug mancher Freie sein Besitztum
einem Edlen, der ihm dafür die Verpflichtung zum Heerdienst
abnahm und es ihm gegen eine regelmäßig wiederkehrende jährliche
Abgabe zur Nutznießung weiter beließ.
Das öffentliche Leben unserer Vorfahren erfuhr eine völlige
Umgestaltung durch das von den Franken im Sachsenlande betriebene
Missionswerk. Die Namen der Männer, die in die hiesigen Täler
das Licht des Evangeliums hineingebracht haben, sind uns nicht
erhalten geblieben. Jedenfalls gehörten zu ihnen Mönche aus dem
im Jahre 799 von Ludgerus zu Werden an der Ruhr gegründeten
Benediktinerkloster. Es sind zwar keine schriftlichen Aufzeichnungen
über diese Ereignisse vorhanden, aber das ist weiter nicht
verwunderlich, wenn man bedenkt, dass selbst geistig hervorragende
Männer damaliger Zeit, wie Karl der Große und Kaiser Heinrich I.
des Schreibens nicht kundig waren.
Geistiger Bildung begegnet man in jener Zeit fast nur bei Geistlichen
und Mönchen. Darum hätte die schriftliche Festlegung der Vorgänge
aus der Missionstätigkeit für andere Kreise kaum Zweck gehabt. Weil
die Besitzungen des Klosters zu Werden bis in unsere Gemeinden
hinein zerstreut lagen, so liegt die Annahme nahe, dass es Einfluss
auf die Christianisierung derselben gehabt haben muss.
Über die Klostereinkünfte führten die Mönche genau Buch. Das älteste
der Werdener Heberegister, das um 1100 angelegt sein wird, führt
auf Seite 30a an "de Liudoluescetha VI d, de Hirutscetha VI d".
In dem zweiten, um 1125 aufgestellten Verzeichnisse kommen Herscheid
und Lüdenscheid nicht mehr vor. Durch eine besondere Urkunde
schenkte (hier sind wir auf Seite 5 [von 180] der gedruckten Chronik
angekommen) der Abt Giselbert (1063-1078) dem Kloster auch Einkünfte
aus Plettenberg, und zwar Geld im Betrage von 3 sol. und 4 de. Der
Name Plettenberg hat darin die Form "plettonbraht". In einem dritten
Register aus dem 13. Jahrhundert steht unter den zum Oberhof Schöplenbuere
abgabepflichtigen Orten auch Ole mit XII den. (Quelle: Bouterwek und
Crecelius, Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins II. Band.
Kötzchke, Rheinische Urbare [die Urbare Abtei Werden an der Ruhr])
Der aus der Geschichte Kaiser Heinrichs IV. bekannte Kölner Erzbischof
Anno II. gründete außer anderen Klöstern 1072 auch die Benediktiner-Abtei
Grafschaft an der oberen Lenne und vereinigte mit derselben eine Anzahl
Kirchen des Sauerlandes, zu denen die zu Attandarra, Liudolfessceide,
Falebracht, Hertsceido, Heslipho und andere (Seibertz, Urkundenbuch I,
Urk. 30) gehörten (Hinweis: die
Pfarrstellen dieser Gemeinden wurden fortan von Mönchen des Klosters
Grafschaft verwaltet, das dafür das Stelleneinkommen erhielt. Mangelte
es an einem geeigneten Mönche, so übertrug der Abt die Stelle wohl
einem Weltpriester [plebanus], der dafür alljährlich einen vereinbarten
Teil der Pfarreinkünfte oder eine einmalige Summe an das Kloster
entrichten musste. In einer etwas jüngeren Urkunde des Erzbischofs
Friedrich I. (1101-1131) stehen wieder: Attendarra, Liudolfischet,
Falebracht, Hertschet, Heslipho (wohl allgemein verbreitet ist die
Ansicht, dass mit Heslipho Plettenberg gemeint sei. Tatsächlich hat
das Kloster Grafschaft in späterer Zeit ein Recht an der Besetzung
der Pfarrstelle zu Plettenberg gehabt und auch ausgenutzt. Deshalb
muss die Möglichkeit zugegeben werden, dass die Pfarrstelle in Heslipho
und später die in Plettenberg identisch sind. Es ist aber kaum
denkbar, dass derselbe Ort gleichzeitig Heslipho und Plettonbraht
hieß.
In den folgenden Jahrhunderten begegnet man dem Namen Plettenberg
in verschiedenen Formen nicht selten, während Heslipho kaum noch
vorkommen dürfte. Vielleicht handelt es sich ursprünglich um zwei
nahe beieinander liegende Orte, von denen Heslipho bei der Befestigung
Plettenbergs oder gar infolge von Brand oder dergl. schon eher
befestigt worden ist. Es läge dann ein ähnlicher Fall vor wie bei
der Gründung der Festung Neuenrade 1353. Die Orte Royde und
Mengenscheid im oberen Hönnetal sind auch verschwunden, seitdem
etwas talabwärts das durch Mauern und Gräben umwehrte Neuenrade
deren Bewohner aufgenommen hatte. Freilich besteht ein wesentlicher
Unterschied: Dort sind sichere Nachrichten vorhanden, während es
sich bei Heslipho und Plettenberg nur um unmaßgebliche Vermutungen
handelt. Alois Friedhoff hat wahrscheinlich das Richtige getroffen
mit seiner Behauptung, Heslipho sei übereinstimmend mit Hesilibach
(Hesselbach) im Hessischen (Quelle: Friedhoff, die Stellung des
Benediktinerklosters Grafschaft zur Pfarrseelsorge. S. 66)
Obige Urkunde beweist, dass 1072 Kirchen in Attendorn, Lüdenscheid,
Valbert, Herscheid und wohl auch in der Gemeinde Plettenberg
vorhanden waren. Die viel jüngere Kirchengemeinde Ohle war damals
noch ein Bestandteil des Plettenberger Kirchensprengels.
785 bestimmt Karl der Große (Quelle: Capitulatio de partibus
Saxoniae), dass für je 120 freie Familien, die eine Markengenossenschaft
bildeten, eine Kirche erbaut werden sollte. Zu deren Ausstattung
musste eine "Wedeme" in der Größe von zwei Bauernhöfen beschafft
werden. Es war Regel, die Kirchen an den Mal- oder Gerichtsstätten
zu erbauen. Schwere Strafen bedrohten den Einbruch in die Gotteshäuser,
das Anzünden derselben und die Verbrennung von Leichen, die demnach
in heidnischer Zeit Sitte gewesen sein muss. An den Wegen wurden
Kreuze errichtet. - Aus der Tatsache, dass Erzbischof Anno 1072
über die Kirchengemeinden unserer Heimat verfügte, geht schon hervor,
dass diese dem Erzbistum Köln zugeteilt waren.
Als Beamte der Könige waren Grafen tätig. Ihre Würde umfasste das
Richter- und das Feldherrnamt. Dafür empfingen sie königliche
Einkünfte aus Gütern und durch Dienstleistungen der Eingesessenen,
zu deren Nutzen sie ihr Amt verwalteten. Ursprünglich war die
Grafenwürde nicht erblich. Unter den späteren, schwächeren Karolingern
brachten es aber einzelne Grafen fertig, mehrere benachbarte
Grafschaften in ihrer Hand zu vereinigen und an ihre Nachkommen
zu vererben.
987 verwaltete den Gau Westfalen - das ganze Sauerland und das Gebiet
nördlich davon - der Graf Hermann I.. Seine Gemahlin war die Tochter
des Königs von Burgund und eine Tochter der beiden die Kaiserin
Gisela, die Gemahlin Konrad II.
Eine Enkelin Hermanns I. ist die Stammmutter der Grafen von Altena
geworden, die nach und nach immer neue Stücke das Gaues Westfalen
unter ihre Herrschaft bekamen. |