Chronik der Stadt Plettenberg - 1950

Angefertigt im Auftrag der Stadtverwaltung Plettenberg von Albrecht von Schwartzen

August 1950

Klimaverhältnisse
An Niederschlägen wurden im August registriert: 74,9 mm Gesamtniederschlagshöhe. Größte Tageshöhe 15,3 mm. Zahl der Regentage 17. Gewitterzahl 8. Der Regen trat meist in Begleitung von Gewittern auf.

DER MENSCH ALS EINZELWESEN
Standesamtsbeurkundungen
Geburten: 23, davon 11 Knaben und 12 Mädchen. Sterbefälle: 17 (1 Totgeburt). Der Geburtenüberschuß betrug somit 30 %. In den Sterbefällen sind 2 nachträglich beurkundete Kriegssterbefälle enthalten. In einem Falle wurde der Tod durch Verkehrsunfall verursacht. Das erreichte Höchstalter betrug 85 Jahre. Fast die Hälfte der Verstorbenen war über 70 Jahre alt. Eheschließungen: 31.

Von unseren Alten
Insgesamt 14 über 80 Jahre alte Mitbürger konnten bei körperlicher Frische in diesem Monat ihren Geburtstag feiern: Wilhelm Seuthe, Holthausen (88); Wwe. Sophie Schmellenkamp geb. Hillesmann, Landemert (88); Wwe. Anna Ratzke geb. Röthing (86), Franz Hennecke, Eiringhausen (86); Wwe. August Domröse geb. Hoffmann (84), Frau Luise Ashoff geb. Althaus, Ohle (84); Wwe. Anna Schulte geb. Becker, Osterloh (84); Josef Sasse, Ohle (84); Wwe. Maria Figge geb. Mondroch, Eiringhausen (83); Rudolf Niederhoff, Eiringhausen (83); Wwe. Minna Vieregge geb. Sechtenbeck, Holthausen (82); Wwe. Mathilde Eschenbrücher geb. Beckers, Oesterau (82); Wwe. Lina Gregory geb. Schulte, Immecke (81) und Wwe. Anna Groll geb. Graewe (81 Jahre alt).
3 Goldene Hochzeiten konnten gefeiert werden und zwar von den Eheleuten
Reichsbahnlokomotivführer a. D. Ernst Menschel und seine Frau Lina, auf der Weide; Rudolf Sirringhaus und Alwine geb. Kaiser sowie Hüttendirektor a. D. August Heil und Anna geb. Kraus, Ohle.

DIE GEMEINSCHAFT
a) Die Siedlungsgemeinschaft
Die Gesamtbevölkerung erhielt im August einen Zuwachs von insgesamt 41 Personen. Ende des Monats betrug die Einwohnerzahl 24 327. Davon waren 11490 männlichen und 12837 weiblichen Geschlechts. In dieser Zahl sind ebenfalls enthalten 3638 Ostvertriebene und 867 Evakuierte.

Straßen und Wege
Die Lechteickenstraße in Eiringhausen wurde neu eingewalzt. Vom Bauausschuß der Stadtvertretung wurde die Instandsetzung folgender Straßenstrecken beschlossen: Straße nach Landemert, einzelne Teile des Böddinghauser Weges und ein Teil der Ohler Straße am Gringel. Die Straßenstrecken solen neue Teersplitdecken erhalten. Mit dem Neubau der Rheinlandstraße, durch die gleichzeitig eine Kanalisation geführt werden soll, wurde begonnen.

Wohnungsbau
Im Elhauser Tal wurde die 14 Waldarbeitersiedlungen gerichtet. Auf dem Silberg wurde das Eigenheim Stegborn und an der Hallenstraße der Neubau Wahle rohbaufertig. Das gleiche gilt für den Neubau Arndts auf dem Hechtenberg und für den Bau Vetter. 2 Neubauten mit zusammen 5 Wohnungen des Ernst Herzhoff an der Schubertstraße konnten gerichtet werden. Ebenfalls wurden Richtfeste gefeiert beim Wohnhaus Blum an der gleichen Straße, beim Neubau Thomas an der Dillackerstraße. In Ohle sind z. Zt. 2 Bauunternehmen mit Baggern an den Ausschachtungsarbeiten für die ersten 6 großen Doppelhäuser in der Papenkuhle beschäftigt. Auf dem Fabrikgebäude der Firma August Assmann wird z. Zt. eine Werkswohnung errichtet. An der Sundhelle wurde mit dem Großheimschen Wohnhausneubau und auf der Grutmecke in Eiringhausen mit dem Büro- und Wohnhausneubau Vieregge begonnen. Am Brockhauser Weg errichtet Frau Apelt ein Wohnhaus. Der Umbau Zeni an der unteren Bahnhofstraße ist durchgeführt. An der Ziegelstraße sind Keller und Erdgeschoß des Wohnhauses Buschhaus fertiggestellt.

Wasserversorgung
Der neue Wasserbehälter auf der Sundhelle oberhalb der Kleinsiedlung wurde fertig. Er faßt 300 cbm.

Kanalisation
Die Kanalisation am Unterstadtgraben wurde abgeschlossen. Mit der Pflasterung der Unterstadtgrabenstraße wird jedoch bis zum nächsten Jahrn gewartet, bis der Kanal sich gesetzt hat.
Um etwa 90 m wurde der Kanal in der Rittershausstraße am Neubau Thomas verlängert. Damit konnten auch die älteren Bauten an das Kanalisationsnetz angeschlossen werden.

Verkehrsunfälle
Ein 66jähriger Invalide wurde von einem Pkw angefahren und zu Boden geschleudert. Wegen mehrerer Rippenbrüche mußte er dem Krankenhaus zugeführt werden. - Eine Radfahrerin aus Eiringhausen stieß beim Einbiegen in den Brockhauser Weg an der Bahnhofstraße an den hinteren Aufbau eines entgegenkommenden Lkw, kam zu Fall und wurde mit schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus gebracht. - Ein Hohenlimburger Lkw geriet auf der Bundesstraße oberhalb Siesel in Brand. Der Benzintank explodierte. Der brennende Wagen und das über die Straße fließende Benzin blockierten die Bundesstraße für mehere Stunden. - Ein 18jähriger Junge aus Bochum verlor auf der Selscheider Straße die Gewalt über sein Rad, prallte mit voller Wucht auf den entgegenkommenden Pkw eines Werdohler Arztes. Der Junge mußte mit einer schweren Gehirnerschütterung und einem Schlüsselbeinbruch ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Feuerlöschwesen
Die Oesterauer Feuerwehr erhielt einen modernen Gerätewagen.

b.) DIE KULTURGEMEINSCHAFT
Volksfeste, Brauchtum
Die Böddinghauser Dorfgemeinschaft feierte ihr diesjähriges Sommerfest bei Groll. Das Fest reiht sich würdig denen der früheren Jahre an. - Seit 11 Jahren zeigte die Kirmes auf dem Wieden wieder einen vollen Betrieb, der so groß war, daß der Verkehr in die Grüne über die Königstraße umgeleitet werden mußte. Russische Schaukel, Motorroller, Glücksräder, Schießbuden. Der Umsatz an Bratwürsten ging in die Zehntausende. - Im Hinblick auf den stetig wachsenden Umfang des Freitagswochenmarktes wurde der "musikalische Tag" von der Stadtverwaltung auf den Mittwoch verlegt. Bekanntlich war bisher in Plettenberg der Freitag für das Auftreten von Straßenmusikanten frei.

KIRCHLICHES LEBEN
Evangelische Gemeinde
Die Ferienkinder der Evangelischen Kirchengemeinde wanderten in großen Scharen zum Heiligenstuhl. - In der Böhler Kirche fanden aus Anlaß des deutschen Evangelischen Kirchentages in Essen Rundfunkübertragungen unter dem Titel "Rettet den Menschen" statt.

Katholische Gemeinde
Durch freiwillige Helfer aus der Gemeinde wurde in der St. Laurentius-Kirche eine neue Sakristei geschaffen. - Für den in Paderborn verstorbenen Pfarrer Heinrich Leimann fand in der St. Laurentiuskirche, der Stätte seines langjährigen Wirkens, das feierliche Requiem statt. Seine Berufung als Pfarrer der hiesigen katholischen Gemeinde erfolgte im Oktober 1932.

Schulwesen
Das Gymnasium und die Martin-Luther-Schule erhielten einen neuen Außenanstrich, nachdem diese so lange Zeit in recht schäbigem Zustand bleiben mußten. Auch sämtliche übrigen Schulgebäude wurden außen, teilweise auch innen, renoviert. - Die Selscheider Schulkinder erlebten unvergeßliche Stunden im Hochsauerland. - Mehrere Schulklassen besuchten das Süderländer Tageblatt, um einmal einen Zeitungsbetrieb kennen zu lernen.

Erwachsenenbildung
Während der VHS-Ferien fanden keine Veranstaltungen statt. Lediglich das städtische Kulturamt veranstaltete einen Serenadenabend, der jedoch infolge der unbeständigen Witterung vom Amtshausgarten in den Sitzungssaal des Amtshauses verlegt werden mußte. Der Besuch war erfreulich stark. Die Plettenberger Kammermusikvereinigung bot eine vorzüglich abgerundete Leistung.

Heimatvereine
Der SGV Plettenberg veranstaltete eine Tageswanderung von Herscheid über Reblin, Fürwiggetalsperre, Neuemühle, neue Versesperre, Herscheider Mühle und zurück. - Der SGV Oestertal veranstaltete mit dem Lautensänger Erwin Althoff aus Wetter einen gehaltvollen Heimatabend.

Vereinstätigkeit
Der MGV "Bergeshall" machte eine frohe Sängerfahrt vom Oestertal zu Wupper und Rhein.

c) DIE WIRTSCHAFTSGEMEINSCHAFT
Landwirtschaft
Der voraussichtliche Ertrag an Frühkartoffeln wird auf 157,7 dz je ha geschätzt und liegt damit um 14,8 dz unter den Ergebnissen der Vorjahresernte. Der Ertrag an Wiesenheu entsprach dem des Vorjahres. Die Ernteaussichten für Spätkartoffeln sind sehr gut. Das in diesem Jahre starke Auftreten des Kartoffelkäfers konnte wegen der durchgeführten Spritzung der Anbauflächen keine nennenswerte Verminderung des Ernteertrages hervorrufen.
Obwohl der Milchertrag, und dementsprechend auch die Butterausbeute, saisonbedingt etwas nachließen, lagen sie doch noch günstig. Die durch den Ausbruch des Korea-Krieges eingetretene Hamsterwelle hatte den Buttermarkt kaum berührt.
Das durchweg gute Erntewetter drängte die diesjährige Kornernte auf nur wenige Wochen im August zusammen. Roggen und Weizen waren bereits in der ersten Augusthälfte restlos geborgen, und die Haferernte folgte in der zweiten Augusthälfte. Und schon zog wieder der Pflug seine geraden Furchen, um den Boden für die neue Aussaat vorzubereiten.

Industrie
Die heimische Industrie erfuhr im Berichtsmonat eine starke Belebung. Besonderen Anteil hieran hat der durch den Korea-Konflikt stark erweiterte Exportmarkt. Die Industrie konnte eine rapide Steigerung des Auftragseinganges verzeichnen. Einer nennenswerten Produktionssteigerung steht jedoch die schwierige Beschaffung des notwendigen Rohmaterials hemmend im Wege. Auch die Energieversorgung dürfte bald zum wichtigeren Problem werden.
Der letzte Sohn des Gründers der Firma Voß & Schröder, Albert Voß, der über 60 Jahre im Betrieb seines Vaters tätig war, schied aus dem Leben.
Die Firma Wagner, Köbbinghauser Hammer, konnte auf ihr 100jähriges Bestehen zurückblicken. Aus diesem Anlaß fand ein Betriebsausflug in das Rhein- und Ahrtal statt, wobei die Bedeutung dieses Tages entsprechend gefeiert wurde. - Die Belegschaft der Firma C. Meuser verlebte frohe Stunden im Siebengebirge und am Rhein.

Handel
Der vom Einzelhandel veranstaltete Sommer-Schlußverkauf hatte ein befriedigendes Ergebnis.
Es gibt schon wieder einen schwarzen Markt! Zucker ist kaum noch zu haben und wird teilweise zu Schwarzmarktpreisen verkauft.
In der Schützenhalle fand eine Werbeveranstaltung des Plettenberger Einzelhandels mit kabarettistischer Unterhaltung statt.

Arbeitsmarktlage
Die Arbeitsmarktlage nahm im August eine besonders erfreuliche Entwicklung. Im Bezirk Plettenberg, Ohle und Herscheid ging die Arbeitslosigkeit von 220 auf 164, also um 25 % zurück. Während nach dem Einholen der Ernte in der Landwirtschaft der Bedarf an Arbeitskräften sank, hielt er im Baugewerbe weiter an. Um die Vielzahl der anstehenden Bauvorhaben durchführen zu können, mußten Maurer aus anderen Bezirken herangeführt werden. Obwohl die Baustoffindustrie auf vollen Touren läuft, herrscht bereits fühlbarer Baustoffmangel.
Die Metallindustrie hat eine weitere Besserung erfahren. Bei einzelnen Firmen sind die Exportaufträge überwiegend. Im Durchschnitt sind die Betriebe Plettenbergs mit etwa 30 % für den Export beschäftigt. NE-Metalle sind knapp und außerdem sehr teuer. Firmen, die ausschließlich NE-Metalle verarbeiten, gingen bereits dazu über, andere Produktionen aufzunehmen.

Märkte und Messen
Die Preise auf den Wochenmärkten waren gegenüber dem Vormonat kaum verändert. Gemüse und Obst wurden reichlich geboten. Der Markt zeigte keine Verknappung. Infolge des Sommerschlußverkaufes waren die Umsätze an den Textilständen spürbar geringer. - Der zwischen dem Textileinzelhandel und der Stadtverwaltung ausgebrochene Streit wegen der neuen Marktordnung geht unverändert weiter. Der Textileinzelhandel verlangt ein Marktrecht, das den Textilienverkauf auf dem Markt stark einschränkt bzw. ganz unterbindet, während die Bevölkerung durch die Stadtvertretung als berufene Instanz sich für eine freiere Marktordnung entschieden hat. Der ambulante Handel strebt bei Einschränkung des Marktes sogar die regelmäßige Abhaltung von Krammärkten an, auf denen bekanntlich alles verkauft werden darf. - Während der Kirmestage wurde der Wochenmarkt auf dem Schulplatz der Oberschule abgehalten.
Die Auto-Union präsentierte sich mit einer DKW-Kolonne auf dem Wieden. Gezeigt wurden die verschiedensten Typen der DKW-Fahrzeuge.

Eisenbahn
Der "Herscheider" hatte Pech. Er entgleiste bei Hüinghausen. Personenschaden trat nicht ein. Dieser Unfall droht eine Diskussion auszulösen, in der die Frage nach der weiteren Existenzberechtigung der Strecke Plettenberg-Herscheid allen Ernstes aufgeworfen werden wird. - Die Bahnsteigüberdachungen auf dem Eiringhauser Bahnhof, die durch den Krieg ziemlich beschädigt worden waren, wurden wieder instandgesetzt.

Medizinalwesen
Der öffentliche Krankentransport Plettenberg führte im August 184 Krankentransporte mit insgesamt 4446 Fahrtkilometern durch. Bei 29 Transporten handelte es sich um Unfälle aller Art und in 11 Fällen um Infektionskrankheiten.
Die innere Station des evgl. Krankenhauses in der Villa Kaiser wurde ihrer Bestimmung übergeben. Das Krankenhaus II erhielt nach einem für die Evangelische Kirche sehr verdient gewordenen Mann des Glaubens und der entschlossenen Tat, Johann Heinrich Wichern, den Namen "Wichernhaus".

Juli 1950      September 1950

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Lexikon für die Stadt Plettenberg, erstellt durch Horst Hassel,
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