1933-1939
1933:
Anläßlich des 44. Geburtstages unseres Führers am 20. April haben die
öffentlichen Gebäude, die Kirchen u. viele Privathäuser geflaggt. Das
Städtische Orchester veranstaltete abends um 7 Uhr auf dem Maiplatz ein
Promenadenkonzert. Fast nur leuchtende, hoffnungsvolle Augen sah man dort
in dem Wogen der Massen, das mit vordringender Dunkelheit immer stärker
wurde, Augen, aus denen der Ausdruck tiefster Dankbarkeit leuchtete für
den Mann, dem die Feiern galten. Als es dann vollends dunkel war, hatten
es sich begeisterte Hitlerjungen nicht nehmen lassen, an den Hängen des
Kirchlöh ein Freudenfeuer anzuzünden. Den Abschluss des Tages bildete eine
schlichte Feier im Hotel "Zum Schwarzenberg". Bei dieser machte der
Ortsgruppenleiter Pg. Albert Menschel bekannt, dass die Hitlergeburtstags-Spende
in Plettenberg 555,00 RM in bar und für etwa 200,00 RM an Lebensmitteln
eingebracht habe, deren Verteilung ohne Ansehen der Person, der Partei
und der Religion an die Bedürftigen der Stadt im Einvernehmen mit dem
Wohlfahrtsamt vorgenommen wurde.
Die in der letzten Stadtverordnetensitzung beschlossene Ausschreibung der
seit mehr als 2 Jahren vakanten Bürgermeisterstelle ist erfolgt. Die
Ausschreibungsfrist läuft bis zum 30. April.
Der 1. Mai, der Tag der nationalen Arbeit, wurde unter Anteilnahme aller
Bevölkerungskreise feierlich begangen. Derartiges hatte Plettenberg noch
nicht erlebt. Es war etwas Grandioses. Die Straßen glichen einem Fahnenmeer.
Die einzelnen Häuser überboten sich geradezu im Flaggen- und Grünschmuck.
Die meisten Häuser hatten die schwarz-weiß-rote Flagge und die Hakenkreuzfahne
gehisst. Auch kleine Fähnchen und Wimpel schmückten Fenster und Portale.
Die öffentlichen Gebäude hatten außer der schwarz-weiß-roten u. der
Hakenkreuzfahne auch die preußische Fahne (schwarz-weiß) geflaggt, während
die Kirchen ihre Kirchenfahnen ausgehängt hatten. Die Lokomotiven der
Kleinbahn waren ebenfalls festlich mit Girlanden und Fähnchen geschmückt.
Wohl noch nie zeigte die Stadt ein so prächtiges Farbenbild wie am 1. Mai.
Alles, was Beine hatte, war unterwegs, um den Tag der Nation miterleben zu
dürfen. Es war ein Gedränge und Geschiebe in der Stadt, kaum zum Durchkommen.
Der Festzug mit seinen historischen Gruppen war wohl der größte, der bisher
in Plettenberg veranstaltet wurde. Nach ungefährer Schätzung umfasste dieser
annähernd 3.000 Personen.
Den Auftakt des Tages bildete die feierliche Hissung der Fahnen auf den
Betrieben. Anschließend marschierten die einzelnen Betriebe u. Verbände
zum gemeinsamen Feldgottesdienst im Wieden. Hernach wurde die Rede des
Reichspräsidenten von Hindenburg und des Reichsministers Dr. Göbbels
übertragen, woran auch sämtliche Schulen der Stadt teilnahmen. In der
Schützenhalle u. vor derselben waren Lautsprecher aufgestellt. Von 12 - 1 Uhr
fand im Wieden ein Platzkonzert statt. Zwischen 2 und 2.30 Uhr versammelten
sich die einzelnen Vereine und Verbände auf ihren Sammelplätzen oder bei
ihren Vereinslokalen u. marschierten geschlossen zwecks Aufstellung des
Festzuges zum Wieden. Kurz nach 3 Uhr ertönten Böllerschüsse, die den Beginn
des gewaltigen Mai-Festmarsches ankündigten.
Eröffnet wurde der Festzug von der Polizei u. der Hilfspolizei. Es folgten
sodann die einzelnen Vereine u. Verbände mit Fahnen und Standarten in
nachstehender Reihenfolge:
Dann folgten die Sanitätskolonne, die SA und SS, Wagen mit Veteranen,
Hitlerjugend, Stahlhelm und Kampffront Schwarz-Weiß-Rot, Jungdeutscher Orden,
Kavallerie-, Artillerie-, Landwehr-Garde-Verein, Landwehrverein Elsetal und
Eiringhausen, freiwillige Feuerwehr mit Handpumpe und Motorspritze, Städt.
Reinigungswagen, freiw. Feuerwehr Holthausen, Plettenberger Schützengesellschaft,
Schützenverein Pl.-Grünetal, Fliegergruppe, Pl. Männergesangverein, Gesangverein
Cäcilia, Männerquartett Holthausen, Holthauser Männerchor, Männergesangverein
Bremcke, Kaninchenzuchtverein Eintracht Plettenberg mit einer Abteilung
festlich und mit Blumen geschmückter junger Mädchen, Sportvereinigung 1911
Plettenberg, Schachklub, Jungschar, Reiterverein, landwirtschaftlicher Wagen
und Landwirte zu Pferde, Pl. Turnverein, Turnverein Jahn, Tv Westfalia
Holthausen, Tv Eiringhausen, die Gewerkschaften, Turnverein Oestertal,
Turnverein Wiesental, der deutsche Handlungsgehilfen-Verband, POstautos u.
als Abschluss des imposanten Festzuges die Wagen mit den Veteranen der Arbeit.
Die Marschmusik wurde von mehreren Musikkapellen und verschiedenen Tambourkorps
in schneidiger Weise ausgeführt. Auch die Jugend kam zu ihrem Recht. Für die
Kinder verteilten die Metzger Würstchen, die Bäcker Brötchen u. die Milchhändler
Sahnehörnchen. Das war ein Rennen, Schieben und Hasten, denn jedes Kind wollte
etwas mithaben. Aufgelöst wurde der Festzug im Wieden. Anschließend war in der
Schützenhalle ein Konzert, und den Schluss des Tages bildete der Maitanz.
Um die Bürgermeisterstelle in Plettenberg haben sich 77 Personen beworben. Eine
Kommission trifft eine gewisse Auswahl und wird demnächst die Wahl erfolgen.
Pfingsten fiel in diesem Jahr auf den 4. und 5. Juni. Lachende Sonne lag an den
beiden Feiertagen über der im schönsten Frühlingskleide prangenden Natur. Alle
Reize der Frühlingszeit waren ausgebreitet vor der Glück suchenden und nach
Schönheit dürstenden Menschheit, die in hellen Scharen hinauseilte aus der Häuser
bedrückende Enge, hinaus in die kühlen Wälder, auf die sonnigen Höhen, in die
romantischen Täler unserer herrlichen sauerländischen Heimat. Der Verkehr auf
der Eisenbahn, mit Autobussen und sonstigen Verkehrsmitteln war recht lebhaft.
Besonders stark zog es am 2. Feiertage die Plettenberger nach Ohle zur Kirmes.
Endlich, nach dreijähriger Unterbrechung, stand Plettenberg wieder einmal, und
zwar am 18. und 19. Juni, im Zeichen des von den Altvorderen und überlieferten
großen Volksfestes, des Plettenberger Schützenfestes. Jahre der Not und Entbehrung
waren es, in denen das beliebte Fest nicht gefeiert werden konnte. Nun endlich,
nachdem ein neuer Frühling für unser Land angebrochen ist, nun nach der großen
nationalen Erhebung unseres Volkes, hielt die Hüterin alter Tradition, die
Plettenberger Schützengesellschaft, den Zeitpunkt für gekommen, wieder ein
Schützenfest nach der Väter Art und Sitte zu feiern. Wenn das Fest in diesem Jahre
auch noch auf zwei Tage beschränkt bleiben musste, so zeigte doch die Begeisterung
unter der Plettenberger Bevölkerung, dass der alte Schützengeist noch lebt, dass
die Plettenberger noch Schützenfest feiern können.
Nein, das haben sie nicht verlernt und werden sie nicht verlernen trotz Not und
Elend, trotz Entbehrungen und der Ungunst der Verhältnisse. Das Schützenfest
ist und bleibt das Plettenberger Volksfest im wahrsten Sinne des Wortes. Die
Stadt prangte im Schmuck der Fahnen, von frischem Grün und Girlanden. Auf dem
Wieden herrschte Kirmestrubel, wenn auch nicht so lebhaft wie in früheren Jahren,
dennoch genug, um für einen Nachmittag die Sorgen zu Hause zu lassen und
sich einem harmlosen Kirmesvergnügen hinzugeben. Das Wetter war allerdings
nicht besonders gut, denn am Tage vorher setzte nach einem Gewitter ein
Landregen, der jedoch die Stimmung der Schützen während der Festtage nicht
beeinträchtigen konnte. Am zweiten Morgen fand wie alljährlich das Biergericht
statt, das viel Heiterkeit auslöste.
Auf seiner Reise durch die Provinz Westfalen kam der Herr Oberpräsident Freiherr
von Lüninck im Laufe des Nachmittags des 21. Juni zu einem kurzen Besuch
nach Plettenberg. Im Rathaus wurde er von dem kom. Bürgermeister empfangen,
von dem er sich über die örtlichen Verhältnisse orientieren ließ. In Begleitung
des Herrn Oberpräsidenten befanden sich die Herren Landrat Delius, Regierungs-
Assessor Dr. Enneper und Kreisleiter Bracht.
Zum 14. Male jährt sich heute, am 28. Juni, der Tag der Unterzeichnung des
Schanddiktats von Versailles. Aus diesem Anlass haben die öffentlichen Gebäude
halbmast geflaggt.
Zahl der vorhandenen Haushaltungen: 2021 (1925: 1794)
Religionsbekenntnisse:
Die hiesige Regenstation verzeichnete im Juni 18 Tage mit Niederschlag
mit einer Gesamtniederschlagsmenge von 143,3 mm. Die größte Tagesmenge
betrug 28,4 mm, gemessen am 25. Juni.
Die von der Stadtverordnetenversammlung gewählte Kommission zur
Vorbereitung der Wahl des Bürgermeisters der Stadt Plettenberg hat
den Herrn Bürgermeister Dr. jur. Eckler aus Wengeringhausen in Waldeck
zum Bürgermeister von Plettenberg gewählt. Er trat heute, am 1. Juli 1933,
am Bahnhof ein und wurde von der SA und NSDAP abgeholt. Herr Dr. Eckler
wurde in Frankfurt a. Main geboren, besuchte in Darmstadt das Gymnasium
und bestand in Berlin sein Abiturientenexamen. In Würzburg promovierte
er zum Dr. jur. und trat folglich in den Verwaltungsdienst ein. Unter anderem
war er Magistratsassessor in Grünberg in Schlesien und zuletzt 4 Jahre
Bürgermeister von Wengeringhausen in Waldeck. Er ist 31 Jahre alt und
gehört zu den langjährigen Kämpen der nationalsozialistischen Bewegung.
Das "Fest der Jugend", das in diesem Jahre zum ersten Male auf Anordnung
der Reichsregierung gefeiert wurde, konnte in Plettenberg wegen der
Ungunst der Witterung an dem vom Reichsminister festgelegten Termin,
am 24. und 25. Juni, nicht begangen werden, und fand daher erst am Dienstag,
dem 4. Juli, statt.
Abends gegen 9 Uhr versammelten sich Jugendliche und Erwachsene zur
Siegerehrung im Wieden. Nach derselben ging es in stattlichen Zügen unter
Vorantritt des Städtischen Orchesters hinauf zum Edenbornplatz zur Sonnwendfeier.
Um den dort aufgeschichteten hohen Holzstoß nahm die Jugend im Kreis
Aufstellung, umringt von einer großen Anzahl Zuschauer. Immer mehr und
mehr senkte sich die Dunkelheit hernieder, als das Städtische Orchester die
Feier mit dem Niederländischen Dankgebet einleitete. Sprüche, begeistert
von Jugendlichen hinausgestoßen in die Nacht, wiesen auf den Sinn des
Geschehens hin. Kinder und Mädchen tanzten Reigen, dann Flaggenschwingen,
ein Fackelreigen, und endlich stießen die brennenden Fackeln in den Holzstoß
hinein, der hell aufloderte in einer einzigen Riesenflamme, weithin sichtbar
und der in Dunkel gehüllten Stadt kündend von deutscher Jugend, die bereit
ist, für ihr Vaterland sie zu verzehren wie diese Flamme. Da brauste es über
den weiten Platz: Flamme empor! Pfarrer Dr. Klein nahm nun das Wort zur
Flammenrede und Bürgermeister Dr. Eckler sprach die Schlussworte.
Immer wieder kommen im Monat Juli Waldbeerensucher aus dem Industriegebiet,
aus der Gegend von Dortmund, Bochum, Essen usw. per Rad nach hier, um die
leckere Frucht mühsam zu sammeln. Bewaffnet mit Rucksäcken, Körben, Taschen,
Eimern oder Kartons durchziehen sie rudelweise unsere Stadt. Sie nächtigen
auf dem Lande in Scheunen, Heuschobern oder auch im Wald. Zu diesem Zweck
führen viele auch Decken mit. "Blaumaul Heil!" rufen sich die Sammler vielfach zu.
Viele haben leider Beerenkämme bei sich, mit denen sie an den Sträuchern
großen Schaden anrichten, da durch das Abkämmen wahllos reife und unreife
Früchte abgeerntet werden. Mit den gesammelten Beeren machen die Leute,
alle sind arbeitslos, oft in ihrer Heimat ein gutes Geschäft, indem sie die
Frucht pfundweise verkaufen.
Die hiesige Regenstation verzeichnete im Juli 14 Tage mit Niederschlag mit
einer Gesamtniederschlags- menge von 65,5 mm. Die höchste Tagesmenge betrug
10,8 mm, gemessen am 31. Juli.
Am Donnerstag, dem 17. August, weilte Regierungspräsident von Stockhausen
aus Arnsberg in unserer Stadt. In der Aula des Realreformprogymnasiums fand
in Gegenwart der hiesigen Behördenvertreter, der Geistlichkeit, der Vertreter
der NSDAP, der SA, des Stahlhelms, der Wirtschaft und der Presse eine
Begrüßung durch den Bürgermeister Dr. Eckler statt. Dieser trug dann in kurzen
Zügen die wirtschaftliche Entwicklung, die Sorgen und die derzeitigen Probleme
der Stadt Plettenberg vor. Plettenberg zählte am 01.03.1933 538 Erwerbslose =
10,8 Prozent der Bevölkerung; am 01.04.1933 508 Erwerbslose = 9,9 Prozent;
am 01.07.1933 262 Erwerbslose = 6,9 Prozent. Das Problem war Zusammenlegung
von Stadt und Amt Plettenberg vermittels Eingemeindung in die Stadt, wodurch
jährlich 40-50.000 Mark gespart werden sollten.
Sonntag, den 20.August, war Kirmes. Während noch zwischen 2 und 1/2 3 Uhr
nachmittags ein tüchtiger Regenschauer niederging, klärte sich der Himmel bald
auf, und am ganzen Nachmittag und Abend herrschte das schönste Kirmeswetter,
Dementsprechend war das Gedränge auf dem Wieden und in der untern
Grünestraße zeitweilig recht stark. Die Kauflust hingegen ließ zu wünschen übrig.
Neben den üblichen Verkaufsständen, Jakoben usw., die vor allem in der
Grünestraße Aufstellung genommen hatten, beherrschten den Wieden die
verschiedensten Verlosungs-, Glücks- und Geschicklichkeitsbuden (Ballwerfen),
wo man für 5 oder 10 Pfennig sein Glück machen konnte. Außerdem waren noch
Schießbuden, 2 Karussells, eine Schiffschaukel, ein Schauzelt und - was besonders
unsere lieben Kleinen erfreute - ein Kasperletheater vorhanden. Die Kirmes wurde
bis Montag abend 23 Uhr verlängert.
Der große Aufklärungsfeldzug über die Gefahren des Luftangriffes, vor allem
aber über die wirksame Abwehr derartiger Angriffe, der überall im deutschen
Vaterlande bereits auf dem Vormarsch ist, ist auch hierorts im vollem Gange.
Schon seit Tagen wurde die Bevölkerung durch Propagandafahrten mit Bomben-
Attrappen, durch Aushängen von Plakaten und durch Verteilung von Flugblättern
sowie Aufrufen in den hiesigen lokalen Tageszeitungen auf die ihr durch einen
Luftkrieg drohenden Gefahren aufmerksam gemacht. So war es denn kein Wunder,
dass die für den 30. August 1933 zur Schützenhalle einberufenen Gründungsversammlung
einer Ortsgruppe Plettenberg einen geradezu ungeheuren Massenbesuch aufwies.
Kopf an Kopf saßen und standen die aufmerksamen Zuhörer. Die bei normaler
Besetzung knapp 2.000 Personen fassende Halle hatte an diesem Abend etwa
3.000 Personen aufgenommen und immer mehr neue Massen drängten in die
Eingänge hinein. Aus allen Richtungen rückten Werkstrupps, Vereine, Organisationen
usw. - zum Teil große Werbeschilder tragend - heran zur Schützenhalle.
Zum Schluss erschienen noch die von einem Propagandazug durch die Stadt
zurückkehrenden braunen Truppen Hitlers, der Stahlhelm und die militärischen
Vereine sowie die Feuerwehr, geführt von Tambourkorps und Musikkapellen. Auch
die Freiwillige Sanitätskolonne und die hiesige Fliegergruppe waren erschienen.
Als die Versammlung eröffnet wurde, standen noch einige Tausend vor den Toren,
die keinen Einlass mehr fanden, obschon in der Halle jedes Plätzchen, selbst
die Fensterbänke, besetzt worden waren. Eröffnet wurde die Versammlung durch
Bürgermeister Dr. Eckler; der Referent des Abends war Major a. D. Roskotten,
Geschäftsführer des Landesverbandes Rheinland-Westfalen.
Die hiesige Regenstation verzeichenete im Monat August 12 Tage mit Niederschlägen
mit einer Gesamtniederschlagsmenge von 75,3 mm. Die höchste Tagesmenge
betrug 19,6 mm und wurde am 2. August gemessen.
Fortsetzung V. Teil |