Die Willeke-Chronik - III. Teil
1933-1939

1933:

Das Jahr 1933 hat seinen Einzug gehalten und still ist es aus dem Meer der Ewigkeit in die Zeit emporgestiegen und hat seine Herrschaft angetreten, uns Menschen auf unserer Fahrt mit unserem Planeten um die Sonne zu begleiten. In diesem Jahre herrschte in der Neujahrsnacht eine warme, neblige Witterung. Die Thermometersäule stand über dem Nullpunkt. Die Begrüßung des neuen Jahres durch die heimische Bevölkerung erfolgte in der üblichen Weise; durch Glockengeläute, Flinten- und Böllerschüsse und hier und da durch Neujahrssingen.

Unter Benutzung der Arbeitskräfte der Erwerbslosen lässt die Stadtverwaltung im Januar 1933 an der verlängerten Schwarzenbergstraße, wo die Mauer über dem Bettermann'schen Garten auf langer Front eingestürzt war, und infolgedessen große Massen Geröll in dem Garten lagen, Wiederherstellungsarbeiten ausführen. Das wird nicht nur von den Fuhrwerksbesitzern begrüßt, die von der Höhe des Kirchlöh, der "Begge" und "aus der Kluse" mit ihrem mit Getreide, Heu und Holz beladenen Wagen den Weg gebrauchen müssen, sondern auch gewiss von den vielen Wanderern angenehm empfunden werden, die auf diesem zur Wanderstrecke 5 gehörenden Wege die Bracht hinauf zum Schwarzenberg ziehen.

Vom 16. Januar an wird der Omnibusverkehr Plettenberg Reichsbahnhof - Attendorn infolge der schlechten Wirtschaftslage und der großen Arbeitslosigkeit erheblich eingeschränkt.
In der Nacht zum 16. Januar fiel auch in diesem Jahre der erste Schnee, wurde aber bald wieder vom Winde verweht.
Anlässlich der 62. Wiederkehr des Reichsgründungstages am 18. Januar haben heute die Verwaltungsgebäude der Reichs-, Staats- und Gemeindebehörden sowie die Schulen Flaggenschmuck angelegt.
Am 25. Januar hat wieder einmal nach vier Monaten eine Sitzung der Stadtverordneten stattgefunden. Und wieder wurde von Not, von Schulden, von untragbaren Erwerbslosenlasten, unausgeglichenem Etat und ähnlichen unerfreulichen Dingen im Stadtparlament gesprochen. Nach Mitteilung des kommissarischen Bürgermeisters hat die Stadt einen ungedeckten Fehlbetrag von 400.000 RM.

Die Nacht vom 27. zum 28. Januar war wohl die kälteste des diesjährigen Winters. Gegen 8 Uhr morgens wurden noch 13 Grad Kälte gemessen. Die stehenden Gewässer, u. a. ein großer Teil der Talsperren, vor allem die oestertalsperre, sind zugefroren.
Wegen der zahlreichen Grippeerkrankungen sind die hiesigen Schulen ab 30. Januar für eine Woche geschlossen.
In einer Kundgebung der NSDAP am 29. Januar im Heseler'schen Saale sprach Gauleiter Florian (Düsseldorf), Mitglied des Reichstages, über das Thema "Ist die Rettung des deutschen Volkes in letzter Stunde möglich?" Unter anderem sagte er, dass Hitler sich nur maßgebend an einer Regierung beteiligen werde, wenn die Geistesrichtungen, die Deutschland ins Verderben gebracht hätten, ausgeschaltet würden. Wäre der Nationalsozialismus nicht, der Bolschewismus hätte bereits in Deutschland eine zweite Heimat gefunden.
Am 30. Januar war die Freude der Nationalisten anlässlich der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler überaus groß und veranstalteten sie, wie auch an anderen Orten so auch in Plettenberg, einen Fackelzug, der sich durch die Straßen der Stadt, durch Eiringhausen und Holthausen bewegte.
Die hiesige Regenstation des Studiendirektors Dr. Kreft verzeichnete im Januar 16 Tage mit Niederschlägen, davon 3 Tage mit Schnee, mit einer Gesamtniederschlagsmenge von 35 mm. Die Höchsttagesmenge betrug 6,2 mm, gemessen am 31. Januar.

Am 31. Januar erließ Adolf Hitler folgende Kundgebung:

Nationalsozialisten! Nationalsozialisten! Meine Parteigenossen und Genossinnen! Ein 14-jähriges, in der deutschen Geschichte wohl beispielloses politisches Ringen hat nunmehr zu einem großen politischen Erfolg geführt. Herr Reichspräsident von Hindenburg ernannte mich, den Führer der nationalsozialistischen Bewegung, zum Kanzler des deutschen Reiches. Nationale Verbände und Parteien schlossen sich zum gemeinsamen Kampf für Deutschland Wiederaufstehung zusammen.
Die Ehre vor der deutschen Geschichte, nunmehr an diesem Werke führend teilnehmen zu dürfen, verdanke ich neben dem großherzigen Entschluss des Generalfeldmarschalls eurer Treue und Anhänglichkeit, meine Parteigenossen. Dass ihr mir in trüben Tagen genau so unerschütterlich gefolgt seid, wie in den Tagen des Glücks und treugeblieben seid nach schwersten Niederlagen, dem allein verdanken wir diesen Erfolg.
Ungeheuer ist die Aufgabe, die vor uns liegt!
An Euch, meine Parteigenossen, richte ich nun die eine große Bitte: Gebt mir Euer Vertrauen und eure Anhänglichkeit in diesem neuen schweren Ringen genau so wie in der Vergangenheit, dann wird uns auch der Allmächtige seinen Segen zur Wiederaufrichtung eines deutschen Reiches der Ehre, der Freiheit und des sozialen Friedens nicht versagen.

Berlin, 30. Januar 1933

Adolf Hitler

Die Grippe dauert weiter an und bleiben die hiesigen Schulen um weitere 8 Tage geschlossen. Glücklicherweise nimmt sie, abgesehen von einigen ernsteren Formen, einen befriedigenden Verlauf.
Am 4. Februar veröffentlicht die Stadtsparkasse Plettenberg die Bilanz des Jahres 1932, die ausweislich mit einem Reingewinn von rd. 48.000 RM abschließt, was im Hinblick auf die Krisenzeit recht beachtlich ist.
Nach drei Wochen, am Montag, dem 20. Februar, beginnt in den hiesigen Schulen, die wegen der Grippeerkrankungen geschlossen waren, der Unterricht wieder.
Am Samstag, d. 25. Februar, lief die Frist für die Einreichung der Wahlvorschläge zu der am 12. März stattfindenden Stadtverodnetenwahl ab. Eingereicht wurden 7 Wahlvorschläge und zwar von der NSDAP, der SPD, der KPD, dem Zentrum, der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot, eine parteilose Bürgerliste und eine Katholische Einheitsliste.
Von der hiesigen Regenstation wurden im Februar 21 Tage mit Niederschlägen, davon 12 Tage mit Schnee, mit einer Gesamtniederschlagsmenge von 93,2 mm gemeldet. Die Höchsttagesmenge betrug 15,5 mm, gemessen am 2. Februar.

Die am 5. März stattgefundenen Reichs- und Landtagswahlen sind hier ruhig verlaufen. Schon der Vormittag brachte eine rege Wahlbeteiligung, die sich bis zum Wahlschluss auf eine bisher nicht erreichte Höhe steigerte. Sind doch in der Stadt Plettenberg über 90 Prozent der wahlberechtigten Stimmen abgegeben worden. Äußerlich trat der Wahlkampf diesmal wenig in Erscheinung. Die sonst üblichen Plakatträger waren wenig zu sehen, dafür aber brachten die Schlepperautos viele Säumige herbei. Die Parteien der Regierung (NSDAP und Kampffront Schwarz-Weiß-Rot) haben einen ungeahnten Sieg davongetragen und damit gleichzeitig die absolute Mehrheit nicht nur in der Stadt, sondern auch im ganzen Reich errungen. Der Sieg wurde daraufhin von den Regierungsparteien gebührend gefeiert. Als gegen 12 Uhr nachts die Ergebnisse bekannt wurden, kündigten die Kirchenglocken den Sieg an, während in der Stadt Umzüge dieser Parteien mit Musik und Fahnen den Sieg ihrer Sache in die Nacht hinaustrugen.
Am Dienstag, dem 7. März, wurde erstmalig auf dem Rathaus, den Schulen, auf dem Postgebäude, am Fahnenmast des Amtsgerichtes und auf dem Amtshaus die Hakenkreuzfahne gehisst.

Am selben Tage wurde im Amtshause durch den Landrat Dr. Fuchs in Gegenwart des Hauptmanns Lippmann und des Oberführers Becker aus Altena die Vereidigung von Hilfspolizeikräften für Stadt und Amt Plettenberg und Herscheid vorgenommen. Es handelt sich um ca. 50 Hilfspolizeikräfte, die den Kreisen der SA, SS und des Stahlhelms entnommen sind. Diese Hilfspolizeibeamten sind für den laufenden Dienst zur Unterstützung der kommunalen Polizei bestimmt, sie sind deshalb mit Waffen ausgerüstet worden. Sie haben lebenswichtige Betriebe zu bewachen und für die Erhaltung von Ordnung und Sicherheit zu sorgen.

Am 12. März, dem Volkstrauertag, fand die Wahl über die Zusammenlegung der Stadtverordnetenversammlung sowie des Kreis- und Provinziallandtages statt. Anlässlich des Volkstrauertages hatten die öffentlichen u. viele private Gebäude halbmast geflaggt. Einzelne Gebäude trugen auch die Hakenkreuzfahne als Symbol des wiedererwachenden nationalen Deutschland.
Der Wahltag, als der vorletzte Sonntag vor Frühlingsbeginn, zeichnete sich als ein herrlicher Vorfrühlingstag aus. Die Außentemperatur stieg auf 25 Grad Celsius in der Sonne. Das Wahlgeschäft setzte nur langsam ein u. erreichte auch nicht die Rekordziffer der vorletzten Wahlen. Die Wahlbeteiligung betrug etwa 10 Prozent weniger als bei den Wahlen am 5. März. In ihrem Siegeslauf erzielten die Nationalsozialisten 9 Mandate; sie gewannen damit 5 neue Sitze. Sie haben somit die Hälfte der Mandate auf sich vereinigt, mit der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot haben sie die absolute Mehrheit im Stadtparlament.

Wie alljährlich am Sonntag Remeniscere wurde hier in Plettenberg von den militärischen Vereinen, vaterländischen Verbänden etc. der Volkstrauertag begangen. Die Fahnen wehten auf Halbmast oder trauerumflort. Eingeleitet wurde der Gefallenengedenktag durch gemeinsamen Kirchgang. Nach dem Gottesdienst nahmen die Vereine mit ihren umflorten Fahnen auf dem Maiplatz Aufstellung, um geschlossen zum Heldendenkmal zur Kranzniederlegung zu marschieren. In geschlossenem Zuge ging es dann wieder zur Stadt zurück. Kurz darauf marschierten auch die hiesigen SA-Formationen und der freiwillige Arbeitsdienst zum Ehrenmal, um einen Kranz mit Hakenkreuzschleife niederzulegen.

Dienstag, den 14. März 1933, wurde auf dem Maiplatz die bisherigen Fahnen Schwarz-Rot-Gold verbrannt.
Der erste Zusammentritt des neu gewählten Reichstages am 21. März 1933 wurde auch in Plettenberg würdig begangen. Überall wehten Fahnen, fast kein Haus war ohne Flaggenschmuck. Am Abend fanden allenthalben in Stadt und Amt eindrucksvolle Kundgebungen mit großen Fackelzügen statt. Die Kundgebungen nahmen einen ruhigen und ungestörten Verlauf bei bedecktem Himmel aber trockenem Wetter. Das Süderländer Tageblatt berichtet darüber folgendes:

Der Nationalfeiertag in Plettenberg
Wehende Fahnen auf den Dächern, an den Häusern, auf Fahnenmasten, Fahnen und immer wieder Fahnen, Schwarz-Weiß-Rot, Schwarz-Weiß und Hakenkreuzbanner, fähnchengeschmückte Fenster, erwartungsfrohe, freudige Menschen, übergossen von einem gewissen Feiertagsfluidum auf den Straßen, ein bedeutend verminderter Straßenverkehr, die Geschäfte teils den ganzen Tag, teils während mehrerer Stunden geschlossen. Das war auch hier in Plettenberg wie allenthalben in deutschen Landen das Bild des gestrigen Tages (21. März), den das deutsche Volk als einen Feiertag der ganzen Nation beging. Mit innerer Ergriffenheit erlebte man in den Mittagsstunden den großen und feierlichen Staatsakt in Potsdam, und am Abend versammelte sich die Bevölkerung Plettenbergs im Wieden zu einer großartigen Kundgebung. Nach dem Aufmarsch der verschiedenen Vereine und Verbände sowie der Schulen, eröffnete der Plettenberger Männergesangverein die Kundgebung durch den Vortrag des "deutschen Volksgebets" v. Janoske. Sodann hielt der kommiss. Bürgermeister Hermens eine Festansprache, die ausklang in dem Ruf "Nimmer wird das Reich zerstört, wenn Ihr einig seid und treu!"
Für die SA sprach der Führer derselben, Kirchhoff, der als den schönsten Dank für die unermüdliche und aufopfernde Arbeit der nat.-soz. Bewegung, den jahrelangen harten Kampf der Soldaten der Braunen Armee gegen den volksverderbenden Marxismus, diese nationale Kundgebung bezeichnete. Was wäre aus Deutschland geworden, so fragte er, wenn nicht Adolf Hitler die nationale Bewegung geschaffen hätte. Der Bolschewismus hätte die Oberhand über unser Vaterland gewonnen. Er gelobte, mit dem Führer Adolf Hitler weiter zu kämpfen bis zur restlosen Vollendung der nationalen Erhebung. Es ist nicht nötig, so schloss er, dass wir leben, aber Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen.

Und dann formierte sich ein großartiger Fackelzug, der sich durch die Straßen unserer Stadt bewegte. Eröffnet wurde er von zwei Berittenen, es folgten das Tambourkorps "Gloria" u. das Städtische Orchester, die Hilfspolizei, die SA, der freiwillige Arbeitsdienst, die Hitlerjugend, der Stahlhelm, der Kavallerieverein, Standartenträger in historischen Uniformen und Mitglieder des Reitervereins zu Pferde, der Artillerie-, Landwehr- u. Gardeverein, die Volksschulen, das Progymnasium mit Fahne, die NS-Frauenschaft, die N.S.B.O., die nationalsozialistischen Berufs-Organisationen, freiwillige Feuerwehr, die beiden hiesigen Turnvereine, der Sportverein, der Christliche Verein junger Männer, die Fliegergruppe und die freiwillige Sanitätskolonne.

Eine große Menschenmenge bildete Spalier. Nach Beendigung des Fackelzuges gab das Städtische Orchester im Heseler'schen Saale noch ein Konzert, wobei besonders unsere alten Marschweisen zur Geltung kamen. Die machtvolle und eindrucksvolle Kundgebung wird allen, die sie miterleben durften, ein bleibendes Erlebnis sein.

Am 25. März wurde bekanntgemacht: da bei der am Montag, d. 27., stattfindenden 1. Stadtverordnetensitzung mit einer großen Besucherzahl zu rechnen ist, werden Eintrittskarten ausgegeben. Nur diese Eintrittskarten berechtigen zum Eintritt. Die Karten werden Montag vormittag ab 10 Uhr im Rathaus, Zimmer 4, abgegeben.
Die Boykottaktion gegen jüdische Geschäfte setzte hier wie andernorts auch ein und zwar am 30. März. Vor den Eingängen der jüdischen Kaufhäuser u. Metzgereien stehen SA-Posten, und die Eingänge selbst sind durch ein schwarz-weiß-rotes Band gesperrt.

Für den Monat März werden 12 Tage mit Niederschlägen mit einer Gesamtniederschlagsmenge von 58,0 mm - die Höchstmenge betrug 11,0 mm - gemessen am 3. März.
Die Osterfeiertage 1933 sind in unserer Stadt ruhig verlaufen. Alter Tradition gemäß wurde das Osterfest durch Posaunenschall von den Höhen eingeleitet, und am Abend des 1. Feiertages sandten wieder die Osterfeuer ihre Flammengarben zum Himmel u. färbten ihn blutend rot. Das Wetter war an beiden Feiertagen kühl, am Sonntag trübe u. abends sogar regnerisch, am Montag hell u. sonnig und zum Wandern einladend.

zum Beginn der Chronik

Fortsetzung IV. Teil


Lexikon für die Stadt Plettenberg, erstellt durch Horst Hassel,
58849 Herscheid, Tel.: 02357/903090, E-Mail: webmaster@plbg.de