Quelle: ST (Süderländer Tageblatt) vom 20.März, 22. März 1986 und ff.
P. C. C. Bröcker: Alle Sonntage
Mit 9 Jahren zog der junge Bröcker aus Köbbinghausen fort - Mit Plettenberg/Herscheid. (HH) Aus La Plata in Argentinien bekam das "Süderländer Wochenblatt" (Tageblatt) im Sommer 1958 ungewöhnliche Post zugesandt. Es war ein 125 Seiten starkes Buch, das die Post auch ohne zusätzliche Verpackung über den Atlantik befördert hatte. Der Absender, P. C. C. Bröcker, hatte die Briefmarken einfach auf den Buchumschlag geklebt und die ST-Anschrift dazugeschrieben. In einem Begleitschreiben bot der fast 85jährige seine Lebensgeschichte zum kostenlosen Abdruck an.
Lesen Sie, was Peter Caspar Carl Bröcker in seiner Jugend in Köbbinghausen auf dem zugefrorenen Teich der Firma
Wagner (heute "plettac"-Gelände) und in den späteren Jahren erlebt hat:
I. Folge der Lebensgeschichte des P. C. C. Bröcker aus Elsen
Der Rest des Hafergrützenbreis wurde am nächsten Morgen warm gemacht für die Schulkinder, auf einen Stuhl gestellt
und mit einer Schnitte Brot gegessen. Zur Schule (eine halbe Stunde zu Fuß) bekam jeder 2 Schnitten Brot mit, dazwischen
Schmalz oder Rübenkraut. Um 4 Uhr nachmittags zu Hause gab's Kaffee von Roggen oder Brotkrusten geröstet und
gemahlen. Ein Jahr waren alle meine 5 älteren Geschwister in der Schule.
Einmal kam der nächste Fabrikant, Wagner, und legte sein Buch offen auf den Tisch. Er sagte, hier im Dorf hätten ihm
Einwohner gesagt, die Bröckers könnten auch opfern, Geld und alte Leinwand - "Aber wo 5 Kinder um den Tisch sind
und der Vater im Krieg, da kann ich nichts nehmen!" sagte er und schlug das Buch zu.
Die kleinsten, wenn sie gehen konnten, nahmen eine Blechdose und gingen in den Kuhstall. Wenn die Mutter am Melken
war, tranken sie die Milch aus dem Melkeimer.
Der Grundsatz: "Kopf frei und Füße warm hält Arzt und Apotheke arm" wurde streng beachtet. Lange Strümpfe, aber vor
der Militärzeit keine Unterhosen.
Wenn wir neue Schuhe haben mußten, setzten wir uns auf die Holzhackstelle und der Vater haute einen Holzleisten und
machte uns Schuhe danach, die anfangs drückten, aber mit der Zeit gut waren und lange hielten. Erst nach 14 Jahren
habe ich gute, passende Schuhe bekommen.
Mit einem einfachen blauen Kittel (bis 14 Jahre) ging man in die Schule; auch Große trugen Kittel über der Jacke, aber in
feiner Ausführung, auch in die Kirche, und auf beiden Seiten zu tragen und waschecht. Viele trugen lange Kittel bis über
die Knie.
Kinder bis 4 Jahren trugen Baumwoll-Bieber-Röcke bis auf die Schuhe und machten ihre Entlastung am unteren Ende der
Tenne, wo täglich aller Unrat zusammengefegt und als Dünger verbraucht wurde. Die große Düngerstelle mit Abort wurde
jährlich von dem Dorfbach ausgespült und auf die 2 Hektar große Wiese und Baumhof geleitet.
Wenn Besuch am Tische war zum Essen, durften wir uns nicht in der Nähe aufhalten, auch nicht nach dem Tisch sehen.
Und vor und nach dem Essen betete einer laut.
Auch wurde vor und nach dem Schlafen gebetet. Fast nie wurde ein Arzt geholt oder Medizin gekauft. Erkältungen wurden
nur durch Flieder- oder Kamillen- und Wermut-Tee und Schwitzen im Bett geheilt. |
GENEALOGISCHE DATEN |
Einmal, mit 5 Jahren, waren mein Freund, der mit mir getauft war, und ich von meiner Mutter in den nächsten (1 km) Ort (Holthausen)
geschickt, um etwas einzukaufen. Da war ein großer Teich an der Fabrik (W. Wagner Köbbinghauser Hammer) mit Eis überzogen. Wir
sind auf das Eis und brachen durch bis an den Kopf. Als wir nach Hause kamen, mußten wir sofort ins Bett, Tee trinken und schwitzen -
und es hatte keine Folgen gegeben.
Wir hatten eine zweiklassige Volksschule. Ich hatte große Lust zum Lernen. Mehrmals klopfte der Lehrer der ersten Klasse
bei uns an und bat "den kleinen Bröcker" für die höhere Klasse zum Kopfrechnen - und die nicht mit mir mitkamen,
bestrafte er. Der Lehrer der 2. Klasse hatte zwei Jungen und ein Mädchen (von reichen Bauern) in Extrastunden und bat
meinen Vater, mich auch dahin zu schicken. Es sollte uns nichts kosten, damit die drei mehr Fortschritte machten. Aber
mein Vater war nicht dafür. Endlich gab er aber doch nach. |
Mit 9 Jahren (etwa 1882) verkaufte mein Vater unsere Besitzung (in Plettenberg-Köbbinghausen) und kaufte 5 Kilometer
entfernt (Herscheid-Elsen) eine dreimal größere Besitzung zum selben Preise. Aber Haus und Grund waren ganz vernachlässigt. Das Haus
war von einem Fachmann gestützt worden, damit es nicht zusammenfiel. An dieser Stelle war die Schule nahebei. Ein
junger Lehrer hatte vormittags ca. 50 größere und nachmittags 30 kleinere Schüler.
Kühe hüten statt Schule
Die letzten drei Tage der Woche ging ich in die Schule. Aber jeden Abend kamen 2 bis 3 von der ersten Klasse und fragten
mich um die Aufgaben. Und ich und mein Freund G. C. waren jahrelang die Ersten in der Schule - er in Kriegs- und Biblische
Geschichten, und ich im Rechnen und Aufsätze schreiben. Auch im Konfirmandenunterricht mußte ich häufig meinen
Nachbarn zuflüstern.
Damit Dummheit nicht auffiel
Die beste Erinnerung habe ich an Besuche bei Onkel Fritz (Friedrich Hohage), dem Bruder meiner Mutter. Das Essen war sehr gut,
und beim Abschied drückte er einem immer 2 bis 3 Mark in die Tasche. Auch bei den Schwestern meiner Mutter war es ähnlich
und der Besuch dort für uns immer ein hoher Feststag: die älteste hatte eine Wirtschaft und Bäckerei, etwas Landwirtschaft und
einen Spezereiwarenladen; die andere eine Landwirtschaft. Nie wurden wir angehalten, mehr zu essen - aber bis zum nächsten
Essen bekam man nichts.
Immer ein "Wenigesser"
Was kommt hinter dem Mond?
Handschuhe selbst gestrickt |