Artikel aus der Westfälischen Rundschau vom 30.10.1998
Durch Sanierung der Bäder wird keine Attraktivitätssteigerung erreicht
Plettenberg. Jetzt erreichte die WR-Redaktion folgender Leserbrief von Klaus Jürgen
Bröcker zur Zukunft des Bäderwesens in Plettenberg:
"14 Tage vor dem wichtigen und zukunftsweisenden Bürgerentscheid möchte ich meine
persönliche Meinung zur 'unendlichen Geschichte' des Freibades Grünetal und des Hallenbads in
Böddinghausen kundtun. Es ist wie im Fernsehen: jede Serie wie auch "Derrick" geht einmal zu Ende,
hoffentlich nicht in diesem Fall bezogen auf unser Bäderwesen mit einem Ende mit Schrecken, weil die
Konsequenzen, die sich für die Zukunft ergeben, nicht rechtzeitig erkannt wurden.
Fest steht für mich: Sollte die im Bürgerentscheid aufgeworfene Frage: "Sind Sie für den
dauerhaften Erhalt des Freibades Grünetal und des Hallenbades und gegen den Bau des Freizeitbades in
Böddinghausen" von der Mehrheit der wahlberechtigten Bürger/innen nicht mit einem klaren "Nein"
beantwortet werden, können wir in Plettenberg für alle Zukunft ein attraktives Bäderwesen, das vor allen
Dingen dem Freizeit- und Gesundheitsbereich auch unserer nachfolgenden Generation dienen soll, endgültig
vergessen! Eine nicht zu verantwortende und wieder gutzumachende Entscheidung!
In zahlreichen Leserbriefen, Untersuchungen, Stellungnahmen und Vergleichen wurde
sich ausführlich über die mit einem Freizeit- oder Kombibad verbundenen hohen Investitions- und
Folgekosten, die angeblich kaum bezahlbaren Eintrittspreise, das hochwassergefährdete Böddinghauser
Feld, den unersetzbaren Baumbestand des Freibades und einiges mehr ausgelassen.
Man mag es mir nachsehen, wenn ich mich bei einem Objekt von etwa 20 Millionen Mark
nicht mit der Erfordernis eines Strömungskanals, einer Schneekabine im Saunabereich und zwangsläufig
erhöhten Personalkosten durch entsprechend erhöhtes Personal auslasse. Diese Entscheidungen sollten wir
auswärtigen Fachleuten und Gutachtern überlassen, die über detailliertes Fachwissen verfügen und
Erfahrungen gesammelt haben, weil sie in Plettenberg nicht ihr erstes Freizeitbad bauen.
Noch weniger sollten wir uns über die Finanzierung eines solchen Vorhabens Gedanken
machen, über die sicherlich mit allen Konsequenzen in finanzieller und steuerrechtlicher Art kaum jemand
besser befinden kann als Stadtdirektor Walter Stahlschmidt - Beispiele gibt es dafür genügend (u.a.
Neubau von Rathaus, Feuer- und Rettungswache, Bauhof Am Wall). Dieses erforderliche Wissen für
eine objektive Beurteilung spreche ich mir persönlich ab, doch glaube ich aus der Praxis und der
Ortskenntnisse einige Fakten nennen zu können, die zur Meinungsbildung des interessierten und
badefreudigen Bürgers beitragen könnten:
1. Die immer wieder in die Diskussion gebrachte Höhe der Eintrittspreise ist wirklichkeitsfremd, bewusst
irreführend und soll abschreckend wirken. Unsere verantwortlichen politischen Gremien werden
Eintrittspreise schaffen, die sozial verträglich und finanzierbar sind, auch für Familien mit Kindern.
Modernste Kassentechnik ohne größeren Personaleinsatz gibt Spielräume für Rabattgewährung, zeitlich
begrenzter Benutzung für Gesundheitsschwimmer. Natürlich werden Kurzaufenthalte eine finanziell anderweitige
Bewertung erfahren als bei mehrstündigem Aufenthalt oder gar für einen ganzen Tag.
Beibehaltung jetziger Eintrittspreise nicht möglich
Natürlich müssen Sonderleistungen wie Solarien, medizinische Verabreichungen oder die
Nutzung des Saunabereiches zusätzlich bezahlt werden, wie sie anderorts üblich sind. Die Preise werden
eine solche Gestaltung nehmen müssen, um mit anderen Bädern konkurrieren zu können.
2. Ich habe den Eindruck, als wenn die Fürsprecher sanierter Bäder an die Beibehaltung der jetzigen
Eintrittspreise glauben und das bei einem Sanierungsaufwand von etwa sieben Millionen Mark für beide
Bäder. Dieser Glaube am Festhalten der jetzigen Eintrittspreise, also praktisch zum "Null-Tarif", ist völlig
wirklichkeitsfremd und dürfte bei der weniger badefreudigen Bevölkerung auf kein Verständnis stoßen.
Diese zu erwartende Eintrittspreiserhöhung habe ich in Leserbriefen nicht gefunden. Geht man wirklich von
der Beibehaltung des "Status quo" aus? Dieses dürfte dann wohl ein fataler Irrtum sein.
3. Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass sich viele Plettenberger Bürger/innen zum Badevergnügen nach
auswärts orientieren, auch wenn damit Mehraufwand an Zeit und Fahrkosten verbunden ist. Die dortigen
Bäderverwaltungen wissen dieses Verhalten sehr zu schätzen und hoffen nur darauf, dass sich die
Bädersituation in Plettenberg nicht ändert. Ähnliches gilt auch für den Saunabereich, wovon ich mich in den
letzten drei Wochen in Olpe, Finnentrop und Sundern überzeugen konnte, was mich letztlich zu der Frage
provozierte: Wer kommt hier eigentlich nicht aus Plettenberg?
4. Eine Sanierung ist nicht gleichzusetzen mit einer Änderung des Umfeldes. Unsere Bäder würden weiterhin
wenig einladend sein, was insbesondere für auswärtige Besucher gilt, die ganz andere Angebote gewöhnt
und damit verwöhnt sind. Jeder Freibadbesucher weiß, dass die Wetterlage auch den Besuch bestimmt. Was
nützen noch so hohe Investitionen wie z.B. für getrennte Kleinkinderbereiche und Springerbecken sowie
Riesenrutsche, wenn wegen der ungünstigen Wetterlage die Besucher ausbleiben. Das Ergebnis ist
voraussehbar: hoher finanzieller Aufwand und bestenfalls viermonatige Nutzung - hier stimmen doch wohl
die Relationen nicht.
5. Der Schulschwimmsport kann in einem Kombibad zu jeder Jahreszeit durchgeführt werden und ist ebenso
wie der Vereinssport von jeder Wetterlage unabhängig. Im Vereinssport haben schon seit Jahren keine
Veranstaltungen mehr im Freibad stattgefunden, ähnliches gilt auch für den Schulsport.
6. Den zahlreichen Gesundheitsschwimmern möchte ich die Empfehlung geben, sich mit dem Entwurf des
geplanten Kombibades vertraut zu machen: das Schwimmen ist jederzeit möglich, sowohl im Innen- als
auch Außenbereich und einem Solebad mit Wassertemperaturen von 33 Grad.
Und nun noch eine allgemeine Feststellung, für die ich um Nachsicht bitte: In den letzten
Wochen und Monaten wird in den geführten Gesprächen immer wieder der durchaus verständliche Vorwurf
erhoben, warum für den Erhalt des Frei- und Hallenbades in der Vergangenheit nicht ausreichend Mittel zur
Unterhaltung bereitgestellt worden seien, so dass dieser enorme Sanierungsbedarf erst gar nicht hätte
entstehen können.
Im Hinblick auf Kinder und Enkel kann es nur Neubau geben
Im Rahmen der Möglichkeiten ist dieses in den vergangenen Jahren sehr wohl geschehen,
doch haben Rat und Verwaltung die Interessen aller Bürger zu vertreten und gegeneinander abzuwägen.
Gute Straßenverhältnisse, eine gut funktionierende Kanalisation, Müllabfuhr und
Straßenreinigung, Erweiterung und Neubau von Schulen, Sportplätzen und Turnhallen, Kinderspiel- und
Bolzplätzen, aber auch die Förderung der Errichtung von Bürgerhäusern sind für viele unserer Mitbürger,
vor allen Dingen, wenn sie in Außenbereichen wohnen, sicherlich von höherer Priorität als ein attraktives
Badewesen. Auch der Hauseigentümer muss abwägen, wann und was er erneuern oder gar modernisieren
will, um eine Wohnung qualitativ zu einem entsprechenden Preis anbieten zu können.
Ähnlich verhält es sich auch mit unseren beiden Bädern, die ihre Attraktivität auch nach
noch so kostenaufwendigen Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen nicht werden steigern können.
Aus "Alt mach Neu" in die Wirklichkeit umzusetzen dürfte nur in den wenigsten Fällen gelingen und letztlich
bleibt es "Stückwerk". Für Halbherzigkeiten wird viel Geld ausgegeben, ohne neue Badegäste zu gewinnen.
Eine entscheidende Frage sollte sich die heutige Generation allerdings trotzdem noch
stellen, wenn sie in den Bürgerentscheid geht: Sind wir eigentlich nur uns, der Gegenwart also
verantwortlich, oder sollten wir nicht auch an die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder denken? Und
wenn wir hier zu einem befürwortenden Ergebnis kommen, kann es für den/die wahlberechtigte/n
Bürger/innen zur Fragestellung zum Bürgerentscheid nur ein eindeutiges "Nein" geben!"
Klaus Jürgen Bröcker
Am Kirchlöh 7
Artikel aus der Westfälischen Rundschau vom 30.10.1998
Hallenbad wurde jahrelang vernachlässigt
Plettenberg. Zu den Ausführungen von SPD-Fraktionschef Wolfgang Schrader zum
Bäderthema nimmt die IG Freibad Stellung:
"Daß es richtigen 'Wahlkampf' gibt, war uns schon vorher angekündigt worden. Wir sind
allerdings entsetzt, daß die Wahlbenachrichtigungen mit 'Wahl-Reklame' und Aufruf zur 'Nein-Stimmabgabe'
ergänzt wurden. Werden wir zur Kommunalwahl Broschüren der einzelnen oder einer einzigen Partei
erhalten? Ist das fair und demokratisch?
Fakt ist, daß diese Beeinflussung nicht zulässig ist und ein entsprechendes Schreiben dem
Stadtdirektor zugestellt wurde. Aber Hauptsache, die Bürger haben erst mal alle einen solchen
'Schönwetter-Bericht' erhalten.
Herr Schrader wirft uns bewußte Fehlinformation vor. Dies weisen wir ausdrücklich zurück.
Wir geben nur recherchierte Zahlen und Preise der von der Stadt bisher favorisierten Referenzbäder weiter.
Hier ein Beispiel bewußter 'Fehl'-Information: Daß es tolle Bäder gibt, wird nicht bestritten.
Daß es Bäder gibt, wo die Erwartungen weit übertroffen werden, wird auch nicht bestritten.
Es gibt aber ebensogut Bäder, wo das Konzept nicht aufgegangen ist. Leider verfügen wir nicht über die
Mittel, um diese Bäder mit viel Tam-Tam aufzusuchen und vorzustellen. Deshalb appellieren wir an die
Bevölkerung, sich nicht durch die ,schönen Beispiele' einfangen zu lassen.
Betrachtet man das vielgelobte Erlebnisbad in Herford, fallen doch einige Ungereimtheiten
auf: Die Besucherzahlen sind sehr eindrucksvoll, allerdings hat Herford knapp 70.000 Einwohner, Plettenberg
knapp 29.000. Außerdem verfügt Herford über weitere Freibäder für den Sommer und hat das einzige Bad
dieser Art im Umkreis von 50 Kilometern. Hier sind Erlebnisbäder in Finnentrop, Olpe, Lüdenscheid, Schwerte
und Iserlohn vorhanden. Die vielzitierten und angeblich vergleichbaren Betriebsergebnisse sind nicht
vergleichbar bzw. erreichbar.
Es ist eigentlich zum Schmunzeln, daß die Stadt bzw. hier eine Stadtpartei Führungen im
Hallenbad anbietet, um auf die Notwendigkeit eines Neubaus hinzuweisen. Die Schäden sind doch durch
jahrelange Vernachlässigung entstanden. Unsere IG möchte diesen Zustand nicht erhalten (auch wenn
dieser Eindruck vermittelt werden soll), sondern durch eine vernünftige Sanierung und durchdachte
Modernisierung (Negativbeispiel das Melittabad in Minden) attraktive Bäder für den Plettenberger Bürger
erreichen. Daß es möglich ist, wurde uns von der Stadt bestätigt. Schließlich soll eventuell mal eine
'wasserdichte' Sporthalle daraus entstehen. . ."
IG Freibad
M. Riedesel
H.-G. Rittinghaus
U. van Berkel
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