(Fortsetzung)
Besonders starke Sturmschäden entstanden auch im Bereich der Herscheider Straße. Hier
traf es besonders die Fabrikgebäude der Firmen Schlieper & Heyng (Westf.
Stahlgesellschaft), die Kampwerke, die Firmen Ernst E. Fastenrath, R. Seuthe, Aug.
Vieregge Elsethal und Langemann und Schulte. Von sämtlichen Gebäuden wurden die Dächer
abgetragen
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und auf benachbarte Wohnhäuser
geschleudert. Ganz besonders hart traf es den Gärtnereibesitzer Ernst Annemann, dessen
gesamte Gartenanlage und Gewächshäuser dem Sturm zum Opfer fielen. Vom Unwetter nicht
verschont blieben auch die Gebäude der Familien Heinrich Höfer, Heinrich Prinz und
Richard Schulte. Auch hier wurden an sämtlichen Gebäuden die Dächer abgerissen, Fenster
eingedrückt, Giebelwände zum Einsturz gebracht. Nahe der Fabrik A. Vieregge erlitt der
aus Holthausen stammende Arbeiter Richard Groote durch eine umstürzende Mauer schwerste
Verletzungen, an deren Folgen er kurze Zeit nach seiner Einlieferung in das Plettenberger
Krankenhaus verstarb.
Ebenso geriet in Holthausen/Bruch der Fuhrmann Robert Thomas mit seinem
Pferdegespann unter ein einbrechendes Mauerwerk. Dabei wurde das Pferd erschlagen
und der mit Heu beladene Wagen total zerstrümmert.
Glück im Unglück hatten die Teilnehmer einer Turnstunde im Saal des Gasthauses "Zum
Elsetal" in Holthausen. Aufgeschreckt durch den Lärm des Sturmes flüchteten alle
Beteiligten in das im Vorderhaus gelegene Restaurant. Hätten sie den Weg durch den
Seitenausgang ins Freie gewählt, wären sie wahrscheinlich von den einstürzenden
Dachkonstruktionen und Seitenmauern zu Schaden gekommen. Neben dem jetzt offenen Saal
türmten sich Schuttmassen. Die Vereinsbühne war binnen weniger Sekunden zu einer
"Freilichtbühne" geworden.
Mit unverminderter Gewalt setzte der Orkan sein Zerstörungswerk nunmehr im Bereich
des Bahnhofs Plettenberg-Oberstadt fort. Anscheinend hatte der Wirbelsturm
hier seinen Höhepunkt erreicht. Der Güterschuppen des Bahnhofs mit einer Grundfläche
von 8 x 25 Metern und seinen massiven Ziegelmauern wurde vollständig dem Erdboden
gleichgemacht. Das Dach stürzte ein, seine Trümmer wirbelten über die Gleisanlagen
und benachbarten Wiesen. Ebenso zerstört wurde der Anbau des Expreßgutschuppens.
Merkwürdigerweise blieb das Bahnhofsgebäude selbst unversehrt.
Der bei der Firma Langenbach & Köster arbeitende Fallhammerschmied Otto Stahlschmidt,
Vater von fünf Kindern, wollte um 17.30 Uhr vom Bahnhof Oberstadt aus mit dem
"Herscheider" nach Hause fahren. Bei dem Versuch, vor dem Sturm unter dem Dach des
Güterschuppens Schutz zu suchen, erlitt er durch herunterbrechendes Mauerwerk tödliche
Verletzungen.
Durch den ungeheuren Luftdruck wurde sogar ein beladener Eisenbahnwaggon aus den
Schienen gehoben und über einen Prellbock gedrückt. Das gesamte Bahnhofsgelände
glich einem Trümmerhaufen. Dennoch konnte der Zugverkehr trotz großer Verwüstungen
aufrecht erhalten werden. Hätte der Personenzug nach Herscheid den Bahnhof
Plettenberg-Oberstadt wenige Minuten früher erreicht, wäre auch er in den Wirbelsturm
geraten.
Ein ähnliches Bild der Zerstörung und Verwüstung bot die in unmittelbarer Nähe des
Bahnhofs liegende Fabrik von Ludwig Pickardt. Das Dach dieser Drahtstiftefabrik und
Teile ihrer Inneneinrichtungen sollen kilometerweit weggeschleudert sein. So habe man
laut Zeugenaussage u. a. mehrere Pakete mit Schuhstiften aus dem genannten Betrieb
in Landemert (ca. 8 km entfernt) wiedergefunden.
Ebenso hatte der Sturm eine große Zahl von Hühnern des Landwirtes Wilhelm Hohage
auf dem Luftweg in das Lennetal bei Rönkhausen entführt. Ställe, Nebengebäude und
Gartenanlagen dieser Hühnerfarm in der Ziegelstraße wurden verwüstet. Hierzu
gibt es ein Foto, auf dessen Rückseite vermerkt ist: "Wirbelsturm Plettenberg
1931. Hohagens Hühnerfarm [an der Ziegelstraße]. Hühner waren bis zur Dormecke [bei Landemert] geflogen. Dieses ist Hohagen seine Hühnerfarm. Die Hühner sind
alle fort. Seine künstliche Glucke lag bei Petters im Garten."
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Starke Gebäudeschäden gab es im gesamten Bereich der Ziegelstraße und am Dingeringhauser Weg. Betroffen waren insbesondere die Firma Lüsebrink & Teubner, die Wohnhäuser von Wilh. Langenbach, Heinrich Cordes und Walter Teubner sowie am Grafweg die Besitzungen des Landwirtes Wilhelm Schulte, der Familien Jütte, Schulte und Kießlich. |
Das Dach des einstigen "Städtischen Armenhauses", die sogenannte "Seißenschmidt'sche
Stiftung", wurde total zerstrümmert. Hier erlitt auch ein Fuhrmann, der unter seinen
umgestürzten Heuwagen geraten war, schwere Verletzungen. . .
. . . Die Wucht des Wirbelsturms war derart groß, daß Personen laut Presseberichten
sogar bis zu 100 Meter weit geschleudert wurden. Umherfliegende Glassplitter, Bretter,
Dachziegel und Balken haben viele Bewohner verletzt. Aus verschiedenen Gebäuden, deren
Dächer abgehoben worden waren, zerrte der Orkan Möbel und Hausrat heraus. Türen und
Fenster wurden ausgerissen und wirbelten wie Zeitungspapier durch die Luft herum. Es
"regnete Wäsche"! Kopfkissen hingen in den Telegraphenleitungen! Auf weit entfernten
Wiesen wurde das Heu emporgewirbelt und in alle Winde verstreut. Sämtliche Telefon-
und Lichtleitungen im gesamten Katastrophengebiet wurden zerstört. Panikartig hatten
sich viele Bewohner in Keller geflüchtet oder suchten in entlegenen Gebäuden Schutz.
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Die Windhose raste weiter über die Ratschelle. Hier entstanden seltsamerweise kaum Gebäudeschäden. Allerdings wurde ein Eichenbestand und der Obsthof eines Plettenberger Bürgers schwer in Mitleidenschaft gezogen. Im Oestertal erreichte der Orkan nochmals eine besondere Stärke. Industrieanlagen der Firma Rosenau & Co, der Plettenberger |
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Drahtindustrie, der Bauernhof Gustav König und mehrere Gebäudeteile und Mauern im
angrenzenden Wohngebiet wurden verwüstet. In der Drahtfabrik J. Kaiser hatten
mehrere Arbeiter versucht, ein Tor der Fabrikhalle zu schließen. Dabei wurden sie
von der Wucht des Sturms mitsamt der Tür in das Innere der Fabrikhalle geworfen
und leicht verletzt.
Nun schien es so, als hätte der Wirbelsturm hier seinen Höhepunkt überschritten.
Seine Kraft reichte aber noch aus, um im Grünetal die seinerzeit gerade neu erbaute
Schießhalle des Schützenvereins Plettenberg-Grünetal zu verwüsten und wertvolle
städtische Waldungen dem Erdboden gleichzumachen. Im Grünetal hatte der Orkan
sein Ende erreicht. Hinter ihm aber lag eine Weg der Zerstörung . . .
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