Quelle: Süderländer Tageblatt vom 14.09.1963
"Use Dorp in diän achzeger Johren"
Plettenberg-Holthausen. Vor dem Zug der Holthauser Schulkinder von
der alten zur neuen Schule am letzten Sonnabend richtete Herr Heinrich Schulte,
als Küster der Martin-Luther-Kirche Nachbar der schönen Schule auf der Lied,
an Eltern und Schulkinder einige von Herzen kommende Worte in plattdeutscher
Sprache. Diese in Reimform gebrachten Erinnerungen an Alt-Holthausen in den
achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts verdienen es, der Vergessenheit
entrissen zu werden, und wir geben ihnen in der Annahme Raum, dass sie auch
vielen unserer Leser Freude machen werden. D. Red.
In Diän Johren, do was use Dorp noch riäch klein; achendiärtig Hüser, met
Schoppen un Schüen, un et wären meistens Buerslühe. Dei harren alle en
Tröpken Blahn, sou sieben, achte an der Thal. Ober ne Schaule, dei was nit do,
dei Blahn mochen no Briämke gohn. Fabriken wähn ouk noch nit do, dei Kähls
mochen no Plettmet gohn. Dat bare Geld was wahne rohr, denn dei Ernten wären
bi diän Buerslühen noch riäch mager un knapp, do kannte me jo noch kein
Ammoniak.
In diän Ställen, do wohe hauptsächlich strögget met Louf un Häit, denn dat
biecken Stroh warret gaff, dat käm meistens in dei Bärrekasten. Do kämen
dann bi Hiärwestdag dei Appele, dei Sürke drin. Wann et dann ümme Christag
kam, dann was do en wunnerbar Aroma dran.
Me schräif dat Johr 1886, do endliek was es sou wiet, do han ouk vi ne Schaule
hie. Ower sou human wie tau hütiger Tiet, dat gaffet nit in unserer Kindertiet.
Do spiellere dei Stock noch ne gewichtige Rolle. Han vi en Schaulmester mol
belohn, dann wohen vi iübert Knei toen. Dat hiät us domols nix eschahet, Ordnung
un Zucht maut sien im Staate.
Dei olle Miüller met em witten Baat harre dauernd dei lange Piepe ahn. Karl
Schöler, dei nahm us harre vör, hei woll us tau Professoren maken, ower sou
wiet häf vie et nitte bracht, blus use Heinrich Knapp. - Fräulein Plate was
immer dodrop bedacht, dat diän Kleinen wore viel biehebracht. Fritz Born was
alt mähr human un pock dei Blahn ganz anners ahn. Dei sind hie lange
Schaulmester wiäs, un hiät sieck groute Mäuhe gafft met us dummen Blagen.
Denn dat Schaulegohn un dat "Ossen" hie sou Dag för Dag, dat makere us
gar keinen Spaß. Dobie kreig me noch faker wat ümmen Bast, un mancher van
us hiät domols im Stillen dacht: "Brennt dei Schaule doch äinmol aff!"
Denn diän Sinn un diän Zweck, borümme vi wären hie, dat begriepet me noch
nit in der Kindertiet. Dat wät me erst später im Leben gewahr, wann me do
stiät wien Osse am Biärre.
Dei Johre, dei sind rümme gohn, ut Kindern sind olle Lühe wohn. Un ouk dei
Schaule es old un grieß, se passet nit mähr in diüsse Tiet. Ne nigge tritt
nu an ihre Stie, sou wird us hie vör Augen fauet: Nichts hiät Bestand in
diüser Welt, äin Kommen, äin Gohn, äin Welken, Vergohn . . .!
Wir Alten aber gedenken in diesen Tagen mit Wehmut der Zeit, wo auch wir hier
gingen aus und ein. Und denken im Stillen: O glückliche Zeit, ein Kind noch
zu sein! Euch Kindern aber möchte ich in dieser Stunde, wo ihr im Begriff
seid, in die neue Schule einzuziehen, die Worte mit auf den Weg geben, die
auch uns einst hier an dieser Stätte ins Kinderherz geprägt wurden und die
auch heute noch Gültigkeit haben
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