Tagebuch des Transportes, erstellt im November 1992
Die Teilnehmer:
Dirk Leichsenring - der beste englisch sprechende Sattelzug-Driver zwischen Sowjetskaja und Hotel Helen,
geschickter Verhandlungspartner - wenn er erst einmal spricht . . .
Andreas Knipp - Experte für alte Maschinen - davon gab es in St. Petersburg ja reichlich - und Kenner
der St. Petersburger Hotel-Szene und Bilder-Vorzeiger.
Wolfgang Overath - typischer Kripobeamter: untersucht und versucht alles - insbesondere zur
Völkerverständigung beizutragen und Milizionäre zu überreden.
Gloria "Slawa" Wittmann - hat die Zahl aller Stufen und Absätze in St. Petersburger Häusern im Kopf,
entschuldigt sich öfter bei Glastüren, blickt ansonsten aber gut durch.
Gerhard Padberg - King over the group mit Doppelzimmer, in dem er die Gruppe informiert. Vergißt
nur immer wieder, sie auch dazu einzuladen.
Friedrich "Friedel" Schulze - Mutter der Kompanie mit ausgeprägtem Hang zum Praktischen. Träger
der Goldenen Kochmütze und Betreiber eines Gourmet-Restaurants im Zimmer 552.
Horst Hassel - behauptet immer, Petersburg zu kennen, dabei findet er abends nie zum Hotel zurück.
Nutzt jede Quarz-Pause und versucht verzweifelt, russisch zu talken.
Elma Hamel - anfangs etwas reserviert, dann aufgetaut und als Pizza-Bestellerin sowie mit kritischen
Fragen erfolgreich. Fand finnischen "Allu Albatrossi" so liebenswert.
Die Fahrzeuge:
Ford Transit der Firma Freund mit 100 PS und viel Platz
Mercedes Sattelzug der Firma Spedition Scherer
Mercedes 814 der Firma Albrecht mit guten Kontakten zu einem Lada Samara
Mitsubishi Pajero mit wenig Platz, wehrte sich erfolgreich gegen Einbruchsversuch
1. Tag Dienstag, 10. November 1992
Morgens um 6.20 Uhr wurde auf dem Lagerplatz der Fa. Winkemann in Plettenberg der Lkw der Kinderhilfe
Erftkreis (Mercedes 814 Koffer) vollgeladen. Danach trafen sich Gerhard Padberg und Horst Hassel an der
Wohnung von Elma Hamel in Lüdenscheid. Dort wurde das Gepäck von Elma Hamel und Gloria Wittmann
eingeladen. Gegen 8.35 Uhr trafen sich dann alle Teilnehmer mit allen Fahrzeugen an der Autobahnraststätte
Lüdenscheid in Fahrtrichtung Hagen.
Danach bewegte sich der Konvoi in Richtung Vechta/Travemünde. Das erste Fahrzeug war der Ford Transit,
besetzt mit Gerhard Padberg und Gloria Wittmann. Zweites Fahrzeug war der Mercedes Sattelzug der
Spedition Scherer, besetzt mit Dirk Leichsenring und Andreas Knipp. Drittes Fahrzeug war der Mercedes
814 Koffer der Kinderhilfe Erftkreis mit Wolfgang Overath und Friedrich Friedel" Schulze. Den Schluß des
Konvois bildete der Mitsubishi Pajero (kurz) mit Horst Hassel und Elma Hamel.
Gegen 11.30 Uhr wurde in Vechta traditionsgemäß eine Frühstücks-/Mittagessen-Pause eingelegt. Ankunft
in Travemünde war gegen 16.20 Uhr. Dort wurde getankt, dann durch Gehard Padberg eingecheckt. Am
Warteplatz vor der Fähre "Finnjet" gab es einen Begrüßungstrunk. Gegen 19 Uhr konnten wir auf die Fähre
fahren. Trotz sofortigen Bemühens, im Helsinki-Restaurant einen Tisch zu reservieren, gelang dies nicht. Wir
mußten eine Etage höher "nach Karte" bestellen. Nichts war's mit dem schönen Büffet mit Shrimps und Lachs.
Nach dem Essen trafen wir uns in der Paradise-Bar mit drei Vertreterinnen der Silja-Line, darunter Frau Irene
Steenbeck, die unsere Buchungen immer so prompt und preiswert erledigt. Weil Elma Hamel Geburtstag hatte,
gab es die eine oder andere Runde.
2. Tag Mittwoch, 11. November 1992
Auf See. Die "Neulinge" erkundeten das Schiff. Treffen in der Sauna/Schwimmbad. Abends im Helsinki-Restaurant
endlich das ersehnte kalte Büffet mit Fisch bis zum Abwinken.
3. Tag Donnerstag, 12. November 1992
Um ca. 10 Uhr Ortszeit (+ 1 Stunde MEZ) Ankunft in Helsinki. Die Temperatur betrug 0 Grad, es lag eine leichte
Schneedecke. Nur kurzer Aufenthalt am Hafen-Zoll für die beiden Lkw. Weiterfahrt in Richtung russische Grenze.
Um ca. 13 Uhr Ankunft im Grenzort Vaalimaa. In der Cafeteria machten wir ein letztes Mal "westliche Rast".
Anschließend wurden die finnische und die russische Grenze passiert. Keine besonderen Kontrollen. Dennoch
dauerte die Abfertigung insgesamt zwei Zeitstunden.
Ca. 10 km nach dem Grenzübergang (wir stellten die Uhren erneut eine Stunde vor) begegnete uns ein russisches
Fahrzeug mit rotem Wechsellicht auf dem Autodach. Wir vermuteten gleich, dass es sich um die angeforderte
Begleitung von der Miliz aus St. Petersburg handeln würde. Der Wagen wendete und fuhr zunächst mit Abstand
hinter uns her, überholte dann und setzte sich vor unseren Konvoi. In Vyborg (ca. 45 km hinter der russischen Grenze)
hielt der Wagen an und "Wladimir" gab sich uns gegenüber als Sicherungsfahrzeug zu erkennen. Große Beruhigung
bei den Damen, denn wir hatten mit der Schilderung diverser Überfälle auf Hilfstransporte natürlich im Vorfeld dafür
gesorgt, dass unsere Baifahrerinnen sehr aufmerksam andere Fahrzeuge und die Fahrbahnränder beobachteten.
Durch Wladimirs Ortskenntnisse (Wladimir Iwanowitsch Skorobogatch) fuhren wir mit 240 km erstmals die kürzeste
Verbindungsstrecke (sonst 270 km) zwischen Vaalimaa und St. Petersburg.
Die Ankunft im Hotel Helen erfolgte gegen 20.15 Uhr Ortszeit. Am Hotel wurde uns ein "großer Bahnhof" bereitet. Als
Empfangskommitee warteten auf uns bzw. waren zufällig anwesend: Bekannte von Elma Hamel, Maler Yuri
Loschkomojew, Vera Petrowna - die Dolmetscherin, Vera Nikolajewna Stominok mit der kleinen Dolmetscherin
Veronika, Boris Paketfahrer vom RPS (Russian Parcel Service), Juri Taxifahrer und Sascha Zuhälter. Wir trafen
uns mit einem Teil der Bekannten im Restaurant des Hotel Helen zum Abendessen. Es gab Hähnchen (Kukuriku),
die dem Koch zu früh vom Grill gesprungen waren. Anschließend erkundeten einige die Umgebung, fanden eine
Verbindung zwischen dem Hotel Helen und dem Hotel Sowjetskaja und dort das Lokal "Bavaria" (neu eingerichtet),
in dem es Warsteiner Pils und Erdinger Weißbier gab!
Im "Bavaria" trafen wir später eine deutsche Jugendgruppe aus Böblingen. Beim Preisvergleich der Hotelkosten
stellte sich heraus, dass wir durch Vermittlung des Moskauer Innenministeriums bzw. der örtlichen Miliz mit
knapp 2,00 Mark die Übernachtung praktisch kostenlos hatten, die Jugendlichen als Touristen 136 Dollar pro
Übernachtung zahlen mßten.
4. Tag Freitag, 13. November 1992
Nachdem wir morgens gegen 10 Uhr einen Teil der privaten Pakete dem "Russian Parcel Service" anvertraut hatten,
fuhren wir mit allen vier Fahrzeugen zum Djetski Dom - Kinderheim - Nr. 9 an der Bucharestkaja 63. Dort begrüßte
uns Direktor Anatolij sehr herzlich und tischte sofort den obligatorischen Tschai - Tee - mit Gebäck etc. auf.
Problematisch gestaltete sich die Abwicklung der Zollformalitäten. Vom Zoll wollte niemand herauskommen zur
Bucharestkaja (wie früher). Anatolij fuhr dann zum Zoll (mit zwei Familienflaschen Coca Cola im Gepäck), doch die Herren
ließen sich nicht erweichen: wir sollten mit unseren Fahrzeugen zum Zoll kommen.
Während Horst sich weigerte, machten sich die drei Fahrzeuge Ford Transit, Mercedes Sattelzug und Mercedes
Koffer auf den Weg zum Zoll. Rund 45 Minuten Fahrtzeit brauchte man allein für eine Strecke. Beim Zoll wurden
dann die Hilfsgüter genauestens durchsucht, viele Pakete offengerissen. Dazu gab es dann noch dumme Bemerkungen
in der Art "Fahrräder? Das ist doch keine humanitäre Hilfe!"
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