Quelle: Süderländer Tageblatt - Jubiläumsausgabe Oktober 1980, zusammengestellt von Horst Hassel

100 Jahre Zeitgeschehen im
Spiegel der Heimatzeitung

Was die Heimatzeitung im Laufe der Jahre ihren Lesern berichtet hat - Chronik von 1890 bis 1980 im Zeitraffer

Wer in den vergilbten Bänden unseres Zeitungsarchivs blättert, der wird sehr rasch merken, dass von den Nachrichten und Berichten eine besondere Faszination ausgeht. Kaum ein Medium vermittelt einen so umfassenden Einblick und Überblick über das Zeitgeschehen des heimischen Raumes wie die Heimatzeitung. Wenn ein neuer Erdenbürger das Licht der Welt erblickt, ist die Zeitung in ihrer Chronistenpflicht ebenso dabei, wie beim ersten Schultag. Sie meldet die bestandene Prüfung, berichtet über Hobbies und Vereinsarbeit, gratuliert zum Jubiläum oder meldet den letzten Gang zur Ruhestätte.
Anlässlich des 100-jährigen Bestehens des "Süderländer Tageblatt" haben wir in unserem Archiv Ausschau gehalten nach markanten Ereignissen. Die Fülle des Materials zwang zur Beschränkung, denn alle Bände unseres Zeitungsarchivs zusammengenommen beinhalten rund 1 Million Zeitungseiten. Leider sind aus den ersten Lebensjahren der Heimatzeitung nur wenige Einzelexemplare vorhanden, so dass wir unserer Streifzug erst 1890 beginnen können.

1890
Am 1. Juli wird das neue Postgebäude in der Wilhelmstraße seiner Bestimmung übergeben. - Die Zusammenlegung der Gemeinde Ohle mit dem Amt Plettenberg wird am 12. September von der Neuenrader Amtsversammlung (Ohle gehörte bis dahin zum Amt Neuenrade) gebilligt. - Ende September erfolgt im Hotel Böley am Maiplatz die Gründung des Sauerländer Touristenclubs, des Vorläufers der heutigen SGV-Abteilungen. Vorsitzender war Amtmann Vorwerck. - Am Ende des Jahres 1890 zählte das Städtchen Plettenberg 3.682 Einwohner.

1891
Am 20. Mai wird der Eiringhauser Turnverein aus der Taufe gehoben. - Anfang Oktober weilt zum ersten Mal seit rund 400 Jahren ein katholischer Weihbischof in Plettenberg. Weihbischof Dr. Gockel firmte insgesamt 240 Pfarrkinder aus Plettenberg und Werdohl. - Mitte Dezember konnten die Eiringhauser ihre neue Wasserleitung in Betrieb nehmen.

1892
brachte auf dem Gebiet der Wasserversorgung einen weiteren Fortschritt: Anfang Oktober erhält Holthausen eine eigene Wasserleitung.

1893
In Herscheid wird erstmals der - 22 Jahre später verwirklichte - Eisenbahnbau heftig diskutiert. Mitte März wies Herr Schulte-Verse an Hand von Akten auf einer Volksversammlung nach, dass die Schwierigkeiten bei dem Bahnbau lange nicht so schwierig sein würden, wie beim Bau der Chaussee Plettenberg - Herscheid im Jahre 1839. - Anfang Mai begannen in Plettenberg die Vorbereitungen für den Bau der Kleinbahn. - Zu Weihnachten stiftete der Fabrikant Wilhelm Seißenschmidt der Stadt das Grundstück für ein Krankenhaus.

1894
Am 24. April wird der Grundstein zum Bau des neuen Krankenhauses gelegt. - Ende Oktober begannen die Arbeiten für den Bau des Lenne-Elektrizitätswerkes in Siesel.

1895
Die 17-jährigen Bemühungen des Fabrikanten W. Seißenschmidt um die Schaffung einer neuen Straßenbahn für Plettenberg fanden Anfang November ihre Krönung, als die Kleinbahn mit einer neuen Lokomotive "Wilhelm Seißenschmidt" ihre erste Probefahrt machte. - Zum 80. Geburtstag Bismarcks findet am 1. April ein Fackelzug mit anschließender Feier in der Schützenhalle statt. Einem spontanen Vorschlag folgend senden die Plettenberger ein Glückwunsch-Telegramm nach Friedrichsruh.

1896
Im Oestertal findet am 6. Februar erstmalig eine Versammlung der Interessenten zum Bau einer Talsperre statt. - Am 12. März war die Kleinbahnanlage nach achtmonatiger Arbeit fertiggestellt, und der Betrieb konnte aufgenommen werden. - Der SGV Herscheid pflanzte am 29. April auf der Nordhelle eine Eiche zum Gedenken an den verdienten Forstrat Ehmsen, den Begründer des SGV. - Am 17. Juni wird ein Abkommen über eine Straßenbeleuchtung zwischen der Stadt und dem neuen Elektrizitätswerk in Siesel geschlossen. - Das Sauerländische Gebirgsfest findet am 20. und 21. Juni erstmalig in Plettenberg statt. Bei diesem Anlass dichtete Emil Rittershaus das Plettenberg-Lied.

1897
Anlässlich des 100. Geburtstages von Kaiser Wilhelm I. wird der Hestenberg am Abend des 21. März mit bengalischen Feuern erleuchtet. Von den Höhen intonierte dabei die Feuerwehrkapelle das Deutschlandlied. - Am 19. März schlägt der Blitz in die Herscheider Kirche ein und zertrümmert dabei die Uhr.

1898
Interessenten für die Anlage einer Fernsprechanlage können sich ab 25. Januar beim Postamt melden. - Am 5. März wird zum erstenmal die Stadt Plettenberg mit Elektrizität versorgt. Wenig später wird jedoch über Stromschwankungen und Stromausfälle geklagt. Weil die Stadt wegen der Mängel ihre Stromrechnung nicht bezahlt, schalten die Lenne-Elektrizitäts- und Industrie-Werke am 1. September den Strom der Straßenbeleuchtung ab. - Am 23. März passiert der erste Schnellzug den Ort. - Zum Schweinemarkt im April werden 900 Ferkel aufgetrieben. - Wegen einer Masernepedemie wird die Schule in Pasel geschlossen. - Am 7. August weiht der Herscheider Wehrverein seine neue Festhalle ein. - Der Plettenberger Apotheker R. Scheele erhält die Concession zum Betreiben einer Zweigstelle in Herscheid. - Im Hotel Küsterer wird am 18. Dezember ein Industrie-Arbeiterverein gegründet.

1899
stiftet der Fabrikant Wilhelm Seißenschmidt am Kaisergeburtstag 30.000 Mark zum Bau eines Armenhauses am Pfützenkopf. - Am 21. Dezember konnte das Amtsgericht, das bis dahin im alten Bürgermeisteramt in der Wilhelmstraße (heute Lederwaren Klumpe) untergebracht gewesen war, das neue Amtsgerichtsgebäude in der Herscheider Straße beziehen.

1900
wurde gleich zu Beginn des Jahres die Anlage einer "Stadtfernsprechanlage" angekündigt und etwaige Interessenten zur Meldung aufgefordert. Mitte des Jahres erfolgten die ersten Telefonanschlüsse in Plettenberg.

1901
verstarb in Wiesbaden der Fabrikant Wilhelm Seißenschmidt (22. März), der sich als Wohltäter der Stadt einen bleibenden Namen gemacht hatte. - Der Bau eines Schlachthofes wurde am 2. Juli von den Stadtvätern beschlossen und im September Auf der Weide begonnen.

1902
Bürgermeister Posthausen, der 36 Jahre die Geschicke der Stadt leitete, starb am 8. Mai 1902. Sein Nachfolger wurde Bürgermeister Köhler. - Am 6. Juli 1902 wurde das Ev. Gemeindehaus in feierlicher Form eingeweiht.

1903
wurde am 13. Januar der Volksbildungsverein, der Vorläufer der Volkshochschule, gegründet. - Im März traf die lang erwartete amtliche Genehmigung zum Bau der Oestertalsperre ein. - Am 2. August fand das Märkische Gau-Wetturnen in Plettenberg statt. - Die Stadtverordneten beschlossen den projektierten Bahnbau über Neuenrade nach Neheim-Hüsten mit Plettenberg-Bhf. als Ausgangspunkt zu unterstützen. - In der Vorweihnachtszeit wurde der Plettenberger Weihnachtschor, der eine Zeit lang geruht hatte, unter der Leitung des Werkmeisters C. Gregory wieder ins Leben gerufen.

1904
wurde die Fortbildungsschule (Vorläufer der Berufsschule) am 6. Mai in neuer Form wiedereröffnet mit dem damaligen Mittelschullehrer Ernst Weimann als Leiter. Sie war obligatorisch für Jungarbeiter bis zum 17. Lebensjahr und zählte zu Beginn etwa 150 Schüler. - Am 31. Oktober wurde die neue Eisenbahnhaltstelle Ohle eröffnet. - Ein neues Heilbad unter dem Namen "Kaiserbad" eröffnet am 1. November in der Kirchstraße 20 seine Pforten; Leiter, Bademeister und Masseur war hier anfangs Berthold Gräfe und nach dem 1. April 1905 Albert Brüning. - Ein Theaterclub wird gegründet, der eine rege Tätigkeit entfaltet. Nach einiger Zeit schloss er sich mit einem ähnlichen Klub in Eiringhausen zur "Theatervereinigung Plettenberg - Eiringhausen" zusammen, die etwa 30 Jahre bestanden hat.

1905
findet gelegentlich einer Veranstaltung des Flottenvereins im Albertschen Saal in Eiringhausen die erste kinematografische Vorführung statt. Am 1. April meldet die Heimatzeitung "Vorführung neuester lebender Fotografien" aus dem russisch-japanischen Krieg. - Mit Verfügung der Königlichen Regierung in Arnsberg wird am 23. Juli 1905 die Errichtung einer Realschule für Plettenberg genehmigt. - Bei der Volkszählung am 1. Dezember 1905 zählt die Stadt Plettenberg 5.366 Einwohner, davon 4.192 Evangelische, 1.118 Katholiken, 52 Juden und 4 Dissidenten.

1906
Im April wurde die Unterführung am Bahnhof in Eiringhausen gebaut. - Am 4. Juli trat Amtmann Vorwerck, der seit 1886 das Amt Plettenberg geleitet hatte, in den Ruhestand (+1926 in Bad Reichenhall). Sein Nachfolger wurde Amtsmann Struchtemeier.

1907
Im Sommer werden umfangreiche Erweiterungsbauten an der Böhler Kirche vorgenommen. Die Kapelle erhält einen Glockenturm. - Am 16. April 1907 wird die zur Realschule umgewandelte "höhere Stadtschule" in der alten Schule am Maiplatz eröffnet.

1908
erfolgt am 3. August die Grundsteinlegung für den Neubau der Realschule am Schillerplatz (Königstraße, heute Lehmkuhler Platz), wobei Bürgermeister Köhler und Realschuldirektor Schnell Ansprachen hielten. - Die Katastrophe des Zeppelinluftschiffes bei Echterdingen veranlaßte das Süderländer Wochenblatt, alle eingehenden Spenden für einen neuen Zeppelin öffentlich zu quittieren; insgesamt kam in Plettenberg dadurch ein Betrag von 1.595,95 Mark zusammen.

1909
erlebt Plettenberg am 3. Februar ein katastrophales Hochwasser. Teile der Grüne- und Herscheider Straße und der Bahnhofstraße standen unter Wasser. Die Kleinbahn konnte nicht nach Eiringhausen verkehren. - Im April eröffnet der Naturheilverein am Moosufer ein Licht-/Luft-Bad, das dienstags und freitags ganztägig geöffnet war. - Ende April treten viele Fälle von Genickstarre in Plettenberg auf, was eine dreiwöchige Schließung der Schulen zur Folge hatte. - Die Stimmnägelfabrik D. W. Schulte brannte am 30. Mai größtenteils ab. - Am 20. Juni fand die feierliche Einweihung des Realschulgebäudes statt. - Durch Gesetz vom 28. Juli 1909 wurde der Bahnbau Plettenberg - Herscheid mit einem Kostenaufwand von 3.170.000 Mark genehmigt. - Am 29. August wird die Katholische Kirche in Eiringhausen eingeweiht. - Am 21. September fliegt erstmals ein Zeppelin über die Stadt. Der Wirt Ludwig Pickardt stiftete aus diesem Grund auf der "Hungewei", einem günstigen Aussichtspunkt in der Nähe der Bracht, ein Faß Bier.

1910
Die Amtsvertretung beschloss am 21. April den Erwerb eines Grundstücks auf der Ostseite der Bahnhofstraße zur Errichtung eines Amtshauses. - Am 25. Juli 1910 starb der erste Ehrenbürger der Stadt, Fabrikant C. Meuser, langjähriger Vorsitzender des früheren Verschönerungsvereins und Ehrenvorsitzender der Schützengesellschaft. - Der hiesige Radfahrverein "Wanderer" gewann am 31. Juli die Meisterschaft von Westfalen. Das Mitglied Gust. Lucht aus Teindeln hatte die 40 Kilometer lange Strecke in 80 Minuten zurückgelegt. - Die Plettenberger Post führt am 20. November erstmalig die Depeschenzustellung mittels Fahrrad ein.

1911
beschloss die Vertretung der Evang. Kirchengemeinde am 6. Februar die unentgeltliche Überlassung des alten Altars der Böhler Kirche ("Plettenberger Altar") an das Burgmuseum Altena. - Auf Anregung des Amtmanns Struchtemeier wurde am 25. März ein gemeinnütziger Bauverein gegründet, dessen Vorstand sich aus den Fabrikanten Graewe (Eiringhausen), Walther Brockhaus (Wiesenthal), August Vieregge (Holthausen) und Achenbach (Ohle) zusammensetzte. - Das 75. Jubelfest der Plettenberger Schützengesellschaft am 17./19. Juni sieht Reg.-Ref. Dr. von Klitzing und Frl. Gerda Schmidt (Köbbinghauser Hammer) auf dem Königsthron. - Am 7. Oktober erfolgt die Einweihung des hoch "Am Felde" gelegenen Amtshauses durch Landrat Dr. Thomee. Bei der Feier entwarf Bürgermeister Köhler ein humorvolles Zukunftsbild von dem künftigen Zusammenwachsen von Plettenberg und Eiringhausen. - Am 11. Oktober kündigt der Schlosser Ernst Fastenrath als erste größere Tour mit seinem eigenkonstruierten Flugzeug einen Flug nach Herscheid an. Der Eindecker hat einen 25 PS-Motor, eine Länge von 8,50 Meter und eine Spannweite von 9 Metern und kann im Hotel Böhley besichtigt werden.

1912
Das Jahr begann am 7. Januar mit einem verheerenden Hochwasser. Das Elsetal bei Hüinghausen war ein großer See und Auf der Weide wurde von den reißenden Bergbächen die Erde meterhoch auf die Kleinbahnschienen gespült, so dass der Verkehr zum Bahnhof unterbrochen war. - Bei den Planungsarbeiten für die Herscheider Bahn wird festgestellt, dass eine umfangreiche Lenneüberbrückung am Kahley (wegen Hochwassergefahr) zusätzliche Kosten von 2,1 Millionen Mark erfordert. Im April 1912 wird diese kostspielige Erweiterung des Bahnprojektes (Gesamtkosten jetzt 5,6 Millionen Mark) von Berlin genehmigt. - Am 22. April wird der Grundstein zur Ev. Kirche in Eiringhausen gelegt. - Im April 1912 wird das Elektrizitätswerk Siesel vom Kommunalen Elektrizitätswerk Mark käuflich erworben. - Im Juni 1912 wird die abgebrannte Schutzhütte auf der Hohen MOlmert von den SGV-Abteilungen Werdohl und Plettenberg gemeinsam wiedererrichtet. - Am 20. Juli wurde eine städtische Badeanstalt an der Lenne mit Einzelkabinen und Badewärter eröffnet. - Die von Richard Schirrmanns erster Jugendherberge auf Burg Altena ausgehende Anregung führt zu Beginn der großen Ferien, am 1. August 1912, zur Errichtung je einer Schülerherberge in Stadt und Amt Plettenberg. In der alten Schule am Maiplatz wurde im Zimmer der früheren Selecta eine Herberge mit 12 Schlafplätzen hergerichtet. - Am 8. September ist Grundsteinlegung für den Robert-Kolb-Turm. - Amtsgerichtsrat Hiddemann, der zwei Jahrzehnte den SGV leitete, ist gestorben. Der SGV errichtete im Hestenberg einen Gedenkstein.

1913
Ein Erweiterungsbau zum Evang. Krankenhaus wird seiner Bestimmung übergeben. Die Bettenzahl wurde damit auf 40 erhöht. - Am 1. Juni wurde das Hotel Schwarzenberg von der Wwe. Otto Bettermann für 90.000 Mark an den Zimmermeister Josef Heseler verkauft. - Bürgermeister Köhler wurde am 23. Mai für weitere 12 Jahre wiedergewählt. - Am 21. September wurde der Robert-Kolb-Turm eingeweiht.

1914
Die neue Ev. Kirche in Eiringhausen konnte am 18. Januar eingeweiht werden, nachdem zuvor eine Abschiedsfeier im bisherigen Gottesdienstsaal bei Alberts stattgefunden hatte. - Im Februar begannen die Arbeiten zum Bau einer Fußgängerbrücke über die Lenne bei Böddinghausen. - Die Grundsteinlegung für den Bau der Jahn-Turnhalle erfolgte am 23. Mai 1914. - Die Mobilmachung und die anschließenden Ereignisse lösten in Plettenberg fieberhafte Erregung aus. Am 1. August berichtet die Heimatzeitung: Den schon zur Fahne Einberufenen geben viele hunderte von Männern, Frauen und Mädchen das Geleit zum Bahnhof. Allabendlich wogt eine große Menschenmenge in den Hauptstraßen auf und ab, die Ereignisse besprechend und der Dinge harrend. - Als Folge der allgemeinen Nervösität wird am 5. August der Schlosser Heinrich Muth, der am Steuer eines mit einem Plettenberger Ehepaar besetzten Kraftwagens sitzt, in Bilmerich bei Unna von einem Posten erschossen, weil der Wagen irrtümlich für ein gesuchtes Auto mit französischen Spionen gehalten wird. - Am 21. März findet in der Realschule eine Notprüfung für die ins Heer eintretenden Untersekundaner statt.

1915
Der Krieg macht sich auch im zivilen Sektor bemerkbar. Als Auftakt zur Rationierung wird am 12. April eine Mehlverteilungsstelle für Plettenberg (bei Wwe. Blomberg) eingerichtet. Bürgermeister Köhler erlässt einen Aufruf an die 18- bis 20-Jährigen zur Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung in der Jugendwehr. - Am 7. Juli fährt die geschmückte Herscheider Postkutsche zum letzten Mal von Plettenberg ab. Am darauffolgenden Tag startet um 7.26 Uhr der erste fahrplanmäßige Zug von Plettenberg-Bhf. nach Herscheid und wird dort mit Musik und Glockengeläut empfangen.

1916
Die Stadtverordneten beschließen am 15. Januar, vorläufig 10 Milchkühe zur besseren Milchversorgung der Stadt anzuschaffen. Es fehlen in Plettenberg 400-500 Liter Milch täglich für die Versorgungsberechtigten. Anfang des Jahres wird durch den Vaterländischen Frauenverein eine Volksküche in Plettenberg eingerichtet. Im Rathaus wird eine staatliche Goldankaufstelle eingerichtet. Die Lebensmittelknappheit hat einen Riesenzustrom von Beerensuchern zur Folge. Am 8. Juli müssen nicht weniger als 2000 Menschen mit dem "Herscheider" befördert werden. Frauen und Kinder werden dabei in verschiedenen Fällen ohnmächtig.

1917
Die Plettenberger Schützenhalle, die im Kriege zunächst als Lagerraum für Lebensmittel gedient hatte, wurde durch Beschluss der Generalversammlung der Schützengesellschaft vom 29. März der Firma D. W. Schulte als Raum zur Herstellung und Lagerung von Kriegsmaterial überlassen.

1918
Am 11. Februar brennt die 1881 errichtete Schützenhalle vollständig nieder. Fuhrunternehmer Karl Höggel kommt in den Flammen um. - Am 11. November findet eine gemeinsame Sitzung der Stadtverordneten und des Magistrats statt, die auf Anregung von Bürgermeister Köhler die Bildung einer Bürgerwehr beschließt, um mit dem zu erwartenden Arbeiter- und Soldatenrat gemeinsam einen Wach- und Ordnungsdienst durchzuführen. - In Erwartung der zurückkehrenden Truppen erlassen Bürgermeister Köhler und Amtmann Struchtemeier einen gemeinsamen Aufruf, in dem es heißt: "Fahnen heraus zur Begrüßung der heimkehrenden Soldaten, die den heiligen Boden des Vaterlandes freihielten von feindlichen Horden."

1919
Die Vorbereitungen für die Wahl der Nationalversammlung führten zu einer Aktivierung des parteipolitischen Lebens mit zahlreichen Aufrufen und Versammlungen. - Im Juli wurde zur Betreuung der heimkehrenden Kriegsgefangenen überall im Kreis Altena Kriegsgefangenen-Heimkehrstellen errichtet. Die Leitung für Plettenberg lag in den Händen von Amtsgerichtsrat Henrichs, für Herscheid in den Händen von Pfarrer Schneider.

1920
Am 16. Januar wurde ein Aufruf zur Teilnahme an einer neu gegründeten Volkshochschule in Plettenberg veröffentlicht. Das wirtschaftliche Leben nach dem Kriege begann langsam wieder anzulaufen.

1921
Der Gründer und Leiter der Bodenreformbewegung, Adolf Damaschke, sprach am 28. Januar in Plettenberg. Äußerer Erfolg der Versammlung war die Gründung eines örtlichen Bundes Deutscher Bodenreformer, der bei einer Versammlung am 3. März bereits 215 Mitglieder zählte. Dieser Bund setzte sich mit Erfolg für die Begründung eines Schrebergartens ein und erwarb dafür ein 10 Morgen großes Grundstück am Dingeringhauser Weg, das auch heute noch (1980) diesem Zweck dient. - Am 4. Juli begann das erste Preisvogelschießen der Plettenberger Schützengesellschaft nach dem Kriege auf dem Schießstand am Kohlbuschberg.

1922
Das Jahr begann mit einem großen Eisenbahnerstreik, der bis zur Einstellung am 8. Februar einen großen Teil des Zugverkehrs lahmlegte. - Wegen Heizmaterialmangel musste am 23. Februar für mehrere Wochen der Unterricht in den Volksschulen sowie den Fortbildungsschulen ausgesetzt werden. - Eine neue Jugendherberge für Plettenberg wurde am 23. Februar am Maiplatz eingeweiht. Als Auftakt des festlichen Tages veranstalteten Jugendverbände aus der näheren und weiteren Umgebung am Vorabend einen Volksliederabend im Rüsingschen Saal. Am Festsonntag selbst fand morgens ein Waldgottesdienst im Hestenberg statt und am Nachmittag eine frohe Stunde mit Spiel und Tanz auf der Schwarzenbergwiese.

1923
Die Not der Zeit in diesem Inflationsjahr spricht aus einem Aufruf des Bürgermeisters Köhler vom 3. November, in dem er unter Hinweis auf "das grenzenlose Elend, die Erwerbslosigkeit und die ins Ungeheure gestiegene Teuerung" zu Spenden für die Errichtung und Unterhaltung einer Volksküche in Plettenberg auffordert. Hier sollen die Hungernden wenigsten einmal am Tage eine warme Mahlzeit erhalten. - In der Nacht zum 9. November kam es zur Plünderung der Villa eines Fabrikanten. Im Anschluss an eine Versammlung von Arbeitslosen in der evang. Volksschule zog man zur Villa Pühl, wo die Fensterscheiben eingeschlagen und alles Erreichbare wie Lebensmittel, Hüte und Kleidungsstücke geraubt wurden. Die Polizei konnte die Eindringlinge schließlich nur durch Schreckschüsse vertreiben und nahm neun Verhaftungen vor. Am folgenden Abend steigerten sich die Vorfälle zu einem tragischen Höhepunkt. Da die Polizei erfahren hatte, dass die wegen Einbruchs und Plünderung ins Amtsgericht Eingelieferten befreit werden sollten, forderten sie Verstärkung an. Als sich gegen zehn Uhr abends tatsächlich eine größere Menschenmenge vor dem Amtsgericht versammelte, hielt die Schupo (Schutzpolizei), die das Amtsgericht vorsorglich besetzt hatte, die erbetene Verstärkung und versuchte, die Menge abzudrängen. Als der Aufforderung, auseinander zu gehen, keine Folge geleistet wurde, gab die Polizei zunächst Schreckschüsse ab und schoss, als diese erfolglos blieben, auf die Menge scharf. Dabei wurden leider mehrere Unbeteiligte, die offenbar nur die Neugier dorthin getrieben hatte, verletzt und getötet. An den Schussverletzungen starben der Arbeiter Breitenbach vom Siesel und Fräulein Willecke von der Bülte, während der Arbeiter Voßloh und der frühere Friseur Alfr. Vieregge aus Holthausen verletzt wurden.

1924
In diesem Jahr wurde der Schützenverein Plettenberg-Grünetal aus der Taufe gehoben, der in der Grüne rasch eine starke Resonanz fand. - Mit dem 31. Dezember trat der schwer erkrankte Bürgermeister Köhler von seinem Amt zurück.

1925
Am 26. Januar wurde der bisherige Regierungsassessor Dr. Ludwig Schneider aus Reichenbach durch Landrat Dr. Thomee als neuer Bürgermeister in Plettenberg eingeführt. Aus einer Zahl von 143 Bewerbern war die Wahl der Stadtväter auf ihn gefallen. - Am 26. September konnte das neue Ehrenmal auf dem Hirtenböhl eingeweiht werden, für das zahlreiche Spenden aus allen Kreisen der Bevölkerung eingegangen waren.

1926
Am 15. Februar wurden in der Stadt Plettenberg 535 Empfänger von Erwerbslosenunterstützung und 757 Empfänger von Krisenunterstützung gezählt, im Amt Plettenberg 436 bzw. 473 und in Herscheid 310 bzw. 361. - Am 21. Februar fand der Gauturntag des Lenne-Volme-Turngaues in Eiringhausen statt. - Der bekannte deutsch-amerikanische Industrielle und Ehrenbürger der Stadt Plettenberg, William Edenborn, starb am 14. Mai in Shreveport (USA). - In der Hauptversammlung der Schützengesellschaft am 2. August konnte mitgeteilt werden, dass der Dollar-Kredit des USA-Plettenbergers und Ehrenbürgers Fritz Heßmer zum Neubau der Schützenhalle notariell sichergestellt ist. - Am 23. Dezember wurde das städtische Wannenbad in der ev. Volksschule am Maiplatz eröffnet.

1927
Im Mai wurde mit dem Abbruch des alten Böley'schen Hauses in der Wilhelmstraße (an der Stelle des heutigen Schuhhauses Geck) begonnen. - Am 7. Mai erfolgte die Grundsteinlegung für die neue Schützenhalle, am 9. Juni das Richtfest und am 29. Juli die feierliche Einweihung mit Festrede von Bürgermeister Dr. Schneider. Bei dem anschließenden Schützenfest schoß Bürgermeister Dr. Schneider den Vogel.

1928
Im Alter von 63 Jahren verschied am 23. April Altbürgermeister Rudolf Köhler, der fast 24 Jahre lang die Geschicke der Stadt mit Umsicht geleitet hatte.

1929
Die Schließung der Höheren Mädchenschule wurde am 15. Februar von den Stadtverordneten beschlossen. - Am 15. April veröffentlichte Dr. Schneider eine Denkschrift über die kommunale Neugliederung von Stadt und Amt und empfahl die Eingemeindung des Amtes. - Ein Evang. Kindergarten für rund 50 Kinder eröffnet am 6. Juni erstmalig seine Pforten. - Das Luftschiff Graf Zeppelin überquerte am 12. September um 4.55 Uhr Plettenberg.

1930
Anfang Januar wurde in Plettenberg mit der Rohrlegung für die Ferngasleitung begonnen. - In Herscheid beschließen die Anlieger der brach liegenden Gebiete zwischen Bruch, Reblin, Höhermühle und Daum am 31. Januar auf Grund von Darlegungen des Bürgermeisters Dames und des Geschäftsführers Dr. Herfel, die behördliche Genehmigung für eine umfassende Melioration zu beantragen. - In der Nacht zum 6. März wird ein Teil der Reinländerschen Fabrik (heute Rasche Hammerwerk) ein Raub der Flammen. - Am 14. Juni findet, zum zweiten Mal in der Geschichte des SGV, das Sauerländische Gebirgsfest in Plettenberg statt. - Zum ersten Mal bei Tage überfliegt Luftschiff Graf Zeppelin unsere Stadt am 10. August um 14.45 Uhr. - Die Arbeiten für den Neubau des Postamtes werden am 20. Oktober in Angriff genommen.

1931


Lexikon für die Stadt Plettenberg, erstellt durch Horst Hassel,
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