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Grabstelle von Carl Schmitt auf dem katholischen Friedhof an der Halle in Plettenberg-Eiringhausen. Weitere Gedenksteine erinnern an seine Schwester Auguste Schmitt (1891-1992), seine zweite Frau Duschka (Dusanka) Schmitt-Todorovic (1903-1950) und seine noch vor ihm verstorbene Tochter Anima Louise Schmitt-Otero (1931–1983).

Carl Schmitt - ein Westfale war er nicht

Horst Hassel

Plettenberg. Nein, ein typischer Sauerländer war er nicht, erst Recht kein Westfale: Carl Schmitt, umstrittener Staatsrechtler, geboren (1888) und gestorben (1985) in Plettenberg. Wer seine Tagebücher aus der Studenten- und Militärzeit liest, erkennt einen jungen Mann, der sich mangels finanziellem Hintergrund irgendwie durchs Leben wurschtelt, nicht durch eigener Hände Arbeit versucht, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern sich aushalten lässt, käuflich ist, ständig Freunde und Verwandte anpumpt. Für einen echten Westfalen undenkbar.

Woher also kommt Carl Schmitt? Von der väterlichen Linie her stammt Schmitt aus der Eifel, die mütterliche Linie kommt aus dem Trierer Raum. Der Urgroßvater väterlicherseits wuchs in Bausendorf/Eifel auf, ist später Landwirt, Bäcker und Gastwirt. Großvater Nikolaus Schmitt betreibt die Bäckerei und die Gaststätte (mit Schul- und Tanzsaal) weiter. Mit seiner Frau Katharina Anna geb. Franzen hat der katholische Nikolaus Schmitt 9 Kinder. Das älteste Kind ist Johann Schmitt (1853-1945), Carls Vater.

Nach der Volksschule beginnt Johann Schmitt im Alter von 14 Jahren eine Ausbildung bei der Post. Weil er bei der Eisenbahn mehr verdienen kann, tritt er dort eine Stelle an, kommt durch Versetzung 1874 nach Siegen, dann nach Werdohl. Im September 1876 wird er lenneaufwärts nach Plettenberg versetzt, macht Dienst am Bahnhof in Eiringhausen. Mehr Geld als bei der Bahn kann Johann Schmitt aber auf der anderen Gleisseite bei der 1872 errichteten, stark expandierenden Schraubenfabrik Graewe & Kaiser verdienen. Als kaufmännischer Angestellter wird er eingestellt, übernimmt schnell einen Posten in der Buchhaltung des Unternehmens. Manche Dienstreise führt ihn in den 1870er Jahren quer durch Deutschland und sogar ins Ausland.

Auf einer dieser Reisen lernt Johann Schmitt (1878) die evangelische Maria Rehse (1850-1882) kennen und lieben und heiratet sie im August 1879 in Plettenberg. Aus der Ehe gehen die Kinder Ernst (1880-1919) und Marie (1881-1881) hervor. Marie stirbt aber noch im Säuglingsalter, nach langer Krankheit folgte ihr im Jahr darauf die Mutter.

In zweiter Ehe ist Johann Schmitt dann mit Louise geb. Steinlein (1863-1943) verheiratet, die er Pfingsten 1886 kennengelernt hatte. Louise ist als uneheliches Kind der Augusta Louise Bell in Blasweiler/Ahrweiler geboren worden. Augusta heiratet 1865 den Trierer Zollbeamten Frans Josef Anton Steinlein, der dann nach außen hin den Erzeuger von Louise gibt, der wahre Vater von Louise soll aber einer seiner Brüder, also ein Großonkel von Carl Schmitt mütterlicherseits, ein katholischer Pfarrer gewesen sein.

In einem seiner Tagebücher sinnt Carl Schmitt später darüber nach, welche Gene wohl in ihm wohnen. Väterliche sind es wohl nicht, stellt er fest. Er komme mehr auf die mütterliche Linie heraus. In seinem Denken und Handeln erkennt er sich in den drei Brüdern seines Großvaters Anton Steinlein wieder: Nikolaus (*18.05.1821 Trier †04.08.1894 Hontheim/Eifel), Andreas (1823-1897) und Peter Steinlein (1825-1892), allesamt katholische Pfarrer.

Der Graeka-Buchhalter Johann Schmitt wohnt in Plettenberg mit seiner Frau Louise in einem Doppelhaus an der Bahnhofstraße 10 zur Miete. Die Kleinbahn fährt hier direkt am Haus vorbei. Hier wird am 11.07.1888 Sohn Carl geboren. Es folgen die Geschwister Auguste (1891-1992), Joseph (1893-1970) und Anna Margaretha (1902-1954). Beide Schwestern blieben kinderlos und unverheiratet, wurden Lehrerinnen. Joseph heiratete, hatte 3 Töchter (Claire-Louise, Auguste, Paula), praktizierte als Arzt in Köln. Halbbruder Ernst wurde Metzger und hatte 6 Kinder.


Foto rechts: Carl Schmitts Geburtshaus an der Bahnhofstraße

Einer der Lieblingspielplätze des jungen Carl Schmitt ist das Gelände der Plettenberger Kleinbahn mit den vielen abgestellten Waggons und dem Lokschuppen, wo er mit seinen Freunden Ludwig Bode und Fritz Budde herumtobt. Ostern 1894 wird Carl in die katholische Jüttenschule eingeschult, ab 1897 geht er in die Eiringhauser Volksschule. Im Abschlusszeugnis vom 11. April 1900 steht als Durchschnittsnote "Gut". Vater Johann ist im Kirchenvorstand von St. Johannes Baptist, lehrt seinen Sohn die Gabelsberger Kurzschrift. Die Mutter, in einem lothringischen Kloster erzogen, vermittelt ihm die französische Sprache und das Klavierspiel. Anna Margarethe, die jüngste Schwester, wird später Klavierlehrerin. Auch Carl spielt bis ins hohe Alter Klavier.

Mit 11 Jahren wechselt Carl Schmitt in die Quarta des städtischen Gymnasiums Attendorn, tritt auch in das katholische Konvikt Collegium Bernadinum (Erzbischöfliches Internat) ein. Es ist ein Wechsel aus der katholischen Diaspora in das dominant katholische Milieu Kurkölns. Die Quarta hat 13 katholische, 3 evangelische und einen jüdischen Schüler. Carl erhält Unterricht in Latein, Französisch, Griechisch, Englisch. Er entscheidet sich gegen Hebräisch, obwohl seine Mutter es gern gesehen hätte, wenn Carl Priester oder Mönch wird.

Zu Beginn der Oberprima, am 3. August 1906, wird er mit 12 anderen Oberprimanern "wegen unerlaubten Wirtshausbesuches" mit einer Stunde Schularrest bestraft. Vermutlich nicht nur deshalb muss er das Internat verlassen, pendelt nun täglich, bis zur Abiturprüfung, mit der Eisenbahn (40 Minuten einfache Fahrtstrecke) zwischen Plettenberg-Eiringhausen und Attendorn hin und her. Am 02.03.1907 erhält er sein Abiturzeugnis. Nur in Turnen hat er ein "Genügend", alles andere ist "Gut". Er habe vor, Philologie zu studieren, sagt er der Prüfungskommission, entscheidet sich dann aber für ein Jura-Studium. "Ein Sohn bescheidener Leute studiert nicht, schon gar nicht Rechtswissenschaften" meinte man im bodenständigen Plettenberg. Carls Mutter setzt das Studium aber durch, die weite Verwandtschaft wird um Mithilfe bei der Finanzierung gebeten.

Noch im Jahre 1907 beginnt Carl Schmitt in Berlin ein Jura-Studium. Er wohnt in Berlin-Lichtenberg bei seinem Onkel Philipp Schmitt, der eine Druckerei besitzt. Um sein Wohlergehen kümmert sich Tante Mariechen ("Mieze"), die dem Onkel den Haushalt führt. Die ersten Semesterferien verbringt Schmitt beim jüngeren Bruder seiner Mutter, Andre Steinlein, in Bussingen/Lothringen in dessen luxuriösem Haus, der Villa "Belle Fontaine". Andre Steinlein war durch Bodenspekulation zum reichen Mann geworden.

Schmitt wechselt danach zwischen den Universitäten Berlin und Straßburg, legt zwischendurch (1908) ein Semester in München ein. Es folgt ein kurzer Abstecher nach Plettenberg. Die Ferien verbringt er bei bei Onkel Andre in Bussingen. Von dort aus besucht er im Oktober 1908 seine Tante Katharina (Kathchen) in Saarburg/Lothringen. Die ist mit Hotel- u. Brauereibesitzer Jakob Soissong verheiratet. Danach setzt Schmitt sein Studium in Straßburg fort. Im Frühjahr 1910 macht er sein Staatsexamen (Promotion 24.06.1910), fährt danach wieder einmal nach Plettenberg zu seinen Eltern, wo der erfolgreiche Sohn stolz herumgezeigt wird. Schmitt wird dann Referendar beim Oberlandesgericht Düsseldorf, arbeitet dadurch an den Amtsgerichten Lobberich, Wegberg und Mönchengladbach. Ab 1911 wohnt der nunmehr "Doktor" Carl Schmitt in Düsseldorf.

Seine Schwester Auguste, von Carl Schmitt in Briefen immer "Üssi" oder "Gustchen" genannt, geht bis zu ihrem 15. Lebensjahr in Plettenberg zur Schule, wechselt dann in die Klosterschule zu den "Armen Schulschwestern" nach Arnsberg. Cousine Johanna besucht die gleiche Schule. Nachdem Auguste dort die Oberschule beendet hat, zieht sie nach Berlin zu ihrem Bruder, lebt dort ebenfalls bei Onkel Philipp Schmitt. Später zieht sie dort aus und wohnte im Pensionat der Ursulinerinnen.

1911 hat Auguste in Berlin das Lehrerexamen bestanden, kann sich aber nicht damit anfreunden, eine Stelle als Volksschullehrerin anzutreten. Sie entscheidet sich stattdessen, ab Oktober 1911 für zwei Jahre eine Stelle als Privatlehrerin bei der hochgestellten und begüterten Familie Dr. Fereira de Lomos in Santo Tyrso/Prov. Oporto in Portugal anzunehmen. Die Eltern in Plettenberg und auch Bruder Carl, der regen Schriftverkehr mit seiner Schwester führt, sind nicht begeistert, denn Portugal gilt zu jener Zeit als politisch nicht stabil - sie fürchten um die Sicherheit von Auguste.


In diesem Graeka-Haus zwischen Lennebrücke und Bahnschranke, Bahnhofstr. 10, unmittelbar an der Firma Graewe & Kaiser, wohnten die Eltern von Carl Schmitt in den 1920er Jahren.

Ab und an nutzt Carl Schmitt besondere Ereignisse in Plettenberg, um seiner Geburtsstadt mal wieder einen Besuch abzustatten. Ostern 1912 ist er hier, weil seine Schulfreundin Emmi Achterrath ihre Verlobung feiert. Auch zur Silberhochzeit seiner Eltern am 24.09.1912 kommt er ins Sauerland. Als Schwester Auguste im Herbst 1913 aus Portugal nach Plettenberg zurückkehrt, trifft sie dort auf die Lebensgefährtin ihres Bruders, auf "Cari".
1915 Einberufung zum Militär nach München
1921 Berufung als Ordentlicher Professor an die Universität Greifswald.

(wird fortgesetzt)

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1972 zieht Carl Schmitt nach Plettenberg-Pasel in sein "San Casciano". Am Steimel 7 errichtete Carl Schmitts Hausdame Anni Stand einen Bungalow für sich und den pensionierten Professor. Von seinen Spaziergängen brachte er immer Steine mit, die er rund um das Haus und den Gartenteich verteilte.

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Sein "San Casciano" benennt Carl Schmitt nach dem Exil des Staatsphilosophen Niccolò Machiavelli, der sich - wie Schmitt von Berlin nach Plettenberg - von Florenz aus in seine Geburtsstadt nach San Casciano in der Toscana zurückzog.

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Von 1947 bis 1971 wohnt Carl Schmitt mit seinen Schwestern Auguste und Anne am Brockhauser Weg 10.


Quelle: Süderländer Tageblatt vom 17.02.1934

Plettenberg, 17. Februar 1943

Land und Meer

Unser Landsmann, Professor Dr. Dr. Carl Schmitt, hat ein Büchlein verfasst unter dem Titel "Land und Meer - eine weltgeschichtliche Betrachtung". In allgemein-verständlicher Weise erläuert der Verfasser, wie der Mensch als Landwesen, als "Landtreter" seinen Blickpunkt, seinen Gesichtskreis erhält. Und doch geht der Mensch an die Meeresküste, da tritt das "andere" Element, die überwältigende Fläche des Meeres hinzu. "Wasser und Meer sind der Urgrund allen Lebens".

Weiter erörtert der Verfasser u. a. die Fragen: Was ist ein Element? - Von der Küste in den Ozean - Lob des Wals und der Waljäger - England als Erbe europäischer Seeleistung - Von der planetarischen Raumrevolution - Land und Meer im Religionskieg - Vom Fisch zur Maschine - Das neue Stadium der planetarischen Raumrevolution.

Der Verfasser kommt zu dem Schluss, den ein Philosoph in die Worte kleidet: "Die Welt ist nicht im Raum, sondern der Raum ist in der Welt." Das lesenswerte Büchlein zeugt von reichem Wissen und birgt viele gute Gedanken. Es ist ist im Verlag Philipp Reclam, Leipzig, erschienen.


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Carl Schmitt am Kamin im Haus Brockhauser Weg 10.


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