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Fortsetzung von: "Oestertalsperre feierte ihr 75jähriges Bestehen" aus SÜDERLAND - HEIMATLAND
Zur Beschaffung des Baukapitals wurde nun Verbindung mit der Provinz Westfalen in
Münster aufgenommen. Zunächst wurde ein bares Darlehen in Höhe von 1.150.000 Goldmark
zu einem Zinssatz von 3 3/4 Prozent aufgenommen. Die Zinsen und die Tilgungsart (1/2
Rate jährlich) waren halbjährlich am 31. März und 1. Oktober mit einem Betrag von
24.437,50 Mark an die Kasse der Landesbank in Münster portofrei zurückzuzahlen. Die
erste Rückzahlung hatte, da die Schuld-Urkunde am 6. November 1908 unterzeichnet
wurde, demnach am 31. März 1909 zu erfolgen.
Auf Grund der ersten Ausschreibung übernahm die Firma Hermann Schütte aus Barmen, die
soeben die Versetalsperre (später umbenannt in "Fürwiggetalsperre") fertiggestellt hatte,
den Bau der Sperre zum Angebotspreis von 900.000 Mark. Einige Monate nach dem Baubeginn
geriet die Firma in Konkurs. Kaum begonnen, war der Bau der Talsperre schon beendet und
eine neue Ausschreibung mußte erfolgen.
![]() November 1905: Die Firma Boswau & Knauer aus Düsseldorf hatte die Arbeiten übernommen Die Firma Lennartz, Ehrenbreitstein, führte im Jahre 1904 die Arbeiten weiter. Aber auch diese Firma mußte im darauffolgenden Jahr ihre Zahlungen an Arbeiter und Fuhrunternehmen einstellen. Langwierige Prozesse und neue Verhandlungen waren die Folgen für die Oestertalsperrengenossenschaft. Im August 1905 war endlich ein neuer Unternehmer gefunden. Die Firma Boswau & Knauer aus Düsseldorf übernahm die Arbeiten. Die Baukosten waren mittlerweile von 900.000 auf 1,2 Millionen Goldmark geklettert.
Die Transportbahn wird blockiert |
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Die Verhandlungen zwischen Firma und Genossenschaft sowie Grundstückseigentümern scheinen
ohne Ergebnis verlaufen zu sein, denn gut eine Woche später werden die Arbeiten an der
Sperre (rechtswidrig) ganz eingestellt. Als Begründung wurden "Differenzen zwischen der
Baufirma und der Genossenschaft" angegeben.
Die Arbeiter wurden entlassen und erhielten
ihre Löhnung. Auch hiernach folgte ein langer Streit zwischen den Vertragsparteien, zu
dessen Klärung nach gerichtlichen und außer- gerichtlichen Verhandlungen ein Schiedgericht
eingesetzt wurde.
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Bei den Verhandlungen, die u. a. am 13. Februar 1906 im Sachsenhof in
Leipzig stattfanden, kam es zu gegenseitigen Vorschlägen, doch führten diese zunächst
nicht zu einer Einigung. Das weitere Verfahren fand erst 23. Dezember 1909 seinen Abschluß.
Nachdem die Genossenschaft auf diese Art und Weise genügend schlechte Erfahrungen gesammelt hatte, entschloß man sich im Jahre 1906, den Bau in eigener Regie zu vollenden. Zu diesem Zeitpunkt war ein Drittel der Mauer fertiggestellt. Die Genossenschaft übertrug dem Regierungsbaumeister Schäfer die weiteren Arbeiten. Unter seiner Leitung gingen die Arbeiten nun wirklich zügig voran. |
Dies geht auch aus mehreren Meldungen hervor, die im Jahre 1906 im "Süderländer
Wochenblatt" über den Fortgang der Arbeiten berichteten. Ende Juni 1906 sind etwa
120 bis 130 Maurer und 500 Arbeiter an dem Werk beschäftigt. Die bis dahin höchste
Tagesleistung wird am 24. Juni 1906 mit 500 Kubikmeter Mauerwerk erzielt. Zu diesem
Zeitpunkt sind etwa die Hälfte der Maurerarbeiten (30.000 cbm)
fertiggestellt.
Gastarbeiter anno 1906
Die größten Schwierigkeiten hatte der Regierungsbaumeister Schäfer mit der Beschaffung
brauchbarer Bruchsteine.
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Die Feldbahn von der Mauer bis zum Steinbruch unterhalb Dingeringhausen hatte ein
drei Kilometer langes Schienenband. Alle übrigen Baumaterialien
mußten mit der Plettenberger Kleinbahn oder durch den Fuhrunternehmer Schlahme bis
Wiesenthal transportiert werden. Von dort ging es dann ebenfalls mit einer Feldbahn
weiter bis zur Sperrmauer.
Täglich 50 Lkw-Ladungen transportiert
Um die noch vorhandenen Bestände an Steinen, Holz, Kalk usw. einer nutzbringenden
Verwendung zuzuführen, beschloß die Genossenschaft kurz vor Beendigung der Sperrenarbeiten
den Bau eines Genossenschaftshauses. So entstand das direkt an der Sperre liegende
schmucke Gasthaus. Es diente nicht nur dem Talsperrenwärter als Wohnung, sondern war
alljährlich in den Sommermonaten ein beliebter Aufenthalt für Gäste aus nah und fern.
Sie erfreuten sich an dem herrlichen Ausblick, den der See und die dahinterliegenden
Berge boten.
Als "Zugabe" noch ein Elektrizitätswerk
Unter großen Schwierigkeiten und mit einem Kostenaufwand von 1.800.000 Goldmark ist der
Bau der Oestertalsperre zuende geführt worden. Seine hohe wirtschaftliche Bedeutung für
das Oestertal und die Stadt Plettenberg stehen außer Frage. Die Baugelder sind von der
Landesbank der Provinz Westfalen in Münster zu 3 3/4 Prozent Zinsen und 1/2 Prozent
Amortisation entliehen worden und konnten im Jahre 1923 zurückgezahlt werden.
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Die feierliche Eröffnung der Talsperre findet am 31. Juli 1907 statt. Zur Einweihung sind
erschienen: Landrat Thomee, Bürgermeister Köhler, Amtmann Struchtemeier, Regierungs-Baudirektor
Schäfer sowie Herren vom Vorstand und Mitglieder der Genossenschaft. Dem Vorsitzenden
der Genossenschaft, Paul Brockhaus, wurde bei dieser Gelegenheit für seine Verdienste
um den Bau der Oestertalsperre der rote Adlerorden 4. Klasse, dem Regierungsbeamten
Schäfer der Kronenorden verliehen. Paul Brockhaus verlas die in den Schlußstein zu legende
Urkunde, darauf folgten die üblichen Hammerschläge, die Paul Brockhaus mit den Worten
begleitete: "Des Wassers Flut durch
dich gebannt, zum Segen für das Oestertaler Land."
Am 02.11.2000 wurden diesem Zeitungsbericht Fotos und folgendes Gutachten angefügt
(Quelle: Stadtarchiv)
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Aachen, den 20. Oktober 1899:
GEOLOGISCHES GUTACHTEN
Die Talsperre, welche im Ebbecke-Tale bei Himmelmert projektiert ist und deren Sperrmauer
etwa 500 Meter oberhalb der Papiermühle errichtet werden soll, liegt im Gebiet einer
Schichtenfolge, welche auf der v. Dechen'schen Karte zum Lenneschiefer gezogen wird,
diesem aber nicht angehört, sondern wesentlich älter ist. . . Die Gesteine bestehen aus
dick- und uneben spaltenden, grauen Tonschiefern mit Zwischenlagen von hellfarbigen,
oft fast weißen Quarziten. Gelegentlich finden sich auch echte Grauwacken-Einlagerungen.
Schiefer walten indessen bei weitem vor, und insbesondere treten an der Stelle der
Sperrmauer die Quarzite zurück.
Man kann also die geologischen Verhältnisse als günstig für die Anlage einer Talsperre bezeichnen.
gez. Dr. E. Holzapfel, Professor a. d. Kgl. Techn. Hochschule |
Wenn Oester- oder Listermauer brechen
(HH) Infolge der Sprengung der Mauer der Möhnetalsperre - durch den Abwurf von
Spezialtorpedos durch die englische Luftwaffe - in der Nacht vom 16. auf den
17. Mai 1943 wurden auch in Plettenberg Überlegungen angestellt, welche
Auswirkungen eine Bombardierung der Oestertalsperrenmauer auf das unterhalb
liegende Stadtgebiet haben würde. An der Lenne rechnete man mit einer Fluthöhe
von bis zu 4 Metern. Die Innenstadt wäre also völlig überflutet, die meist aus
Holzfachwerk und Lehm gebauten Häuser komplett weggeschwemmt worden. Obwohl
die Flutwelle sicherlich alles mitgerissen hätte, glaubte man, das Wehr der Firma
Brockhaus-Söhne könnte ein Hindernis sein. Deshalb prüfte man, welche Stellung
der Schütze des Wehres - Schütze unten, halb gezogen, Schütz hochgezogen - den
Wassermassen und dem Treibgut den geringsten Widerstand bieten würde.
Abschrift, Plettenberg, den 31. Mai 1943, Signatur C I 1698
(drei Seiten, A 4 maschinengeschrieben, Archiv Dirk Thomee)
Niederschrift über die Beobachtungen bei der Öffnung des Wehres der Firma
Brockhaus Söhne in Plettenberg-Bhf. zur Verhütung von Hochwasserkatastrophen.
Auf Veranlassung des Bürgermeisters der Stadt Plettenberg wurde
mit dem Inhaber der Firma Brockhaus Söhne, Herrn Brockhaus, vereinbart, dass
am Samstagnachmittag gegen 17 Uhr das Schützenwehr gezogen und festgestellt
werden soll, wie sich das Wasser unterhalb des Wehres auswirkt und in welcher
Zeit das Heben der Schütze erfolgen kann, um bei einer Talsperrenkatastrophe
das Öffnen der Schütze schnell und sicher zu ermöglichen.
Es waren erschienen:
Die Mannschaft der TN wurde auf die einzelnen Wehröffnungen zum Hochdrehen der
Schütze verteilt. Um 17.15 Uhr wurde vom Wehr aus dem Turbinenwärter ein Signal
zum Einsetzen des Motors gegeben, der die Schütze 3, 4 und 5 hochdreht. Zur
gleichen Zeit begann die Mannschaft die drei Seitenschütze hochzudrehen. Nach
5 Minuten Drehzeit waren die mittleren großen Schütze flutfrei. Nach 8 1/2
Minuten setzte bereits die Turbine und damit der Motor aus. Die elektrisch
gehobenen Schütze waren aber erst bis zur Hälfte hochgedreht.
Beim Ansetzen der Kurbel stellte sich heraus, dass die Kurbel nicht herumgedreht
werden konnte, weil eine eiserne Schutzklappe des Getriebes hinderte. Nach der
Beseitigung des Hindernisses wurde beim Drehen des Schützes 3 festgestellt,
dass die Kupplung mit dem elektrischen Antrieb nicht gelöst werden konnte, ferner
dass die Auskupplungsstange beim Drehen der Kurbel hinderlich ist.
Mit allen Kräften versuchte die Mannschaft die mittleren Schütze hochzudrehen.
Trotz aller Anstrengungen war [k]eine Hubleistung feststellbar. Ein weiteres Übel
wurde darin erblickt, dass der Griff der Kurbelstange nur so lang war, dass eben
drei Fäuste anfassen konnten, nicht aber 4 oder 5. Die Aussparung des Betons für
die Kurbel war zu eng, um beim Drehen die ganze Kubellänge ausnutzen zu können.
Um 17.35 Uhr waren die Schütze 2, 5 und 6 hochgedreht, also innerhalb 20 Minuten.
Das Schütz 1 war so schwer zu drehen, dass ein volles Heben nicht erfolgte.
Der Stadtbaumeister hatte Veranlassung genommen, die Flut bei den Wehren des Ohler
Eisenwerkes in Ohle und in Elhausen beobachten zu lassen. Die erste Welle überfloss
das Wehr in Ohle, das ca. 1.300 Meter unterhalb liegt, nach 7 Minuten und erreichte
nach 12 Minuten den höchsten Stand von 0,30 Meter Wehrüberflutung.
Bei einer Talsperrenkatastrophe würde von der Oestersperre die erste Welle
vielleicht in 12 bis 15 Minuten und von der Listersperre vielleicht in 60 bis
70 Minuten am Wehr Brockhaus sein. In dieser Zeit muss das ganze Wehr geöffnet
sein, um nicht für die Ortsteile Böddinghausen und Bredde noch eine weit
größere Gefahr zu verursachen als schon besteht. Wenn die Schütze bis zum
Höchststand gezogen sind, liegt die unterkante auf 204,68 über NN, also ist
nur in der Mitte eine Fluttiefe von 4,48 Meter vorhanden.
Die Beobachtungen beim Hochwasser im November 1940 haben gezeigt, dass die
Flut die Schütze ca. 10 bis 15 Zentimeter hoch berührten, so dass bei einer
Talsperrenkatastrophe mit einem höherem Wasser ein Rückstau immer erfolgt
und dadurch eine ernste Bedrohung der anliegenden Wohnstätten und Werke
eintritt.
Es muss deshalb dafür gesorgt werden, dass wenigstens das Wehr bei der
Ankunft der Flut hoch ist, damit die Auswirkungen auf das geringste Maß
herabgesetzt werden.
Ein weiterer Vorschlag, einen Benzinmotor anzubringen, wurde erörtert. Bei
letzterem wurden hinsichtlich der Beschaffung von Brennstoff und der
Betriebssicherheit Bedenken erhoben.
Abschrift - Plettenberg, 15.6.1943 (eine Seite, A 4 maschinengeschrieben, Archiv Dirk Thomee)
Was, wenn die Oestertalsperrenmauer bricht?
Zu der Frage, ob das Heben der Schütze des Wehres der Firma Brockhaus-Söhne
in Plettenberg-Bhf. überhaupt ratsam ist, wenn das Heben nur bis zur halben
Höhe erfolgen kann, wird wie folgt Stellung genommen:
Kommt die Flutwelle von der Oestertalsperre, die durch das starke Gefälle
und die geringe Durchflussbreite des Tales eine sehr große Geschwindigkeit
haben wird, in einer Höhe bis zu 4 Meter an, tritt bei einem vollkommen
geöffneten Wehr vermutlich kein wesentlicher Rückstau durch das Wehr ein,
weil die Hauptschütze 4,48 Meter höher als die Sohle stehen.
Anders ist es jedoch, wenn die Schütze nur bis zur halben Höhe gezogen werden.
Eine Flutwelle von 4 Meter Höhe wird dann um die Höhe der Schütze höher
gestaut, so dass die Flut sofort die Dämme überströmt. Ferner werden sich die
Schwimmstoffe, Balken, Bretter, Bäume usw. wahrscheinlich sofort am Wehr
festsetzen. In einem derartigen Fall ist es zweckmäßig, die Schütze überhaupt
nicht zu ziehen. Die Gefahr des Festsetzens der Schwimmstoffe ist dann nicht
so groß. Es tritt jedoch ein größerer Stau ein.
Wenn jedoch eine noch weit höhere Flutwelle am Wehr ankommt, wird das Wehr
ein gewaltiges Hindernis bilden, das eine gewaltige zerstörende Überflutung
der anliegenden Ortsteile verursacht. Sind dann die Schütze ganz hochgezogen,
wird durch den Wasserdruck eine wesentlich größere Menge Wasser abgeführt
werden können. Die Überschwemmung ist jedenfalls geringer. Die Schütze in
halber Höhe werden vermutlich das größte Hindernis darstellen.
Stadtbaumeister
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