Himmelmert, den 9.2.1934
Herrn Bürgermeister Wahle
Betrifft: Alte Bräuche
1. Das Altejahrabsingen: Neujahrsingen oder "üme die Würste singen".
Die männliche Jugend und auch junge Ehemänner gehen auf "Aollejoaha-
wende" (Silvester) von Haus zu Haus und singen:
"Das alte Jahr vergangen ist, wir danken Dir Herr Jesu Christ,
daß Du in mancherlei Gefahr, behütet hast auch dieses Jahr.
Hilf Herr Jesu laß gelingen, hilf das neue Jahr geht an.
Laß es neue Kräfte bringen, das aufs neu ich wandern kann.
Neues Glück und neues Leben, wolles Du aus Gnade geben.
Prost Neujahr!"
Nach dem Gesang begibt sich ein Sänger in die Wohnung, wünscht ein
glückliches neues Jahr und bietet einen Trunk an. Dann wird den Sängern
zum Dank eine Wurst überreicht. Nachdem die Sängerschar noch einen
Segenswunsch an die Tür geschrieben hat (V G I N J Jahreszahl (Viel
Glück im neuen Jahr Jahreszahl)), eilt sie schnell zum nächsten Haus.
In der Dorfwirtschaft werden dann die gesammelten Würste in fröhlicher
Gesellschaft verzehrt.
2. Dat Taiwenbiten:
Diese Sitte hat sich bis in die Nachkriegszeit
erhalten und zwar wurde sie in der Fastnachtszeit ausgeübt. Bei gelegent-
licher Zusammenkunft suchten an einem Tag die Mädchen (am andern
Tag ging es umgekehrt) unverhofft den Fuß eines Jungen zu erfassen,
den Schuh auszuziehen und dann in die Zehen zu beißen. Dabei wurde
natürlich ein Taschentuch um die Zehen gelegt. Der gelungene Überfall
erregte natürlich große Heiterkeit. Dann mußte derjenige, dem man
in die Zehen gebissen hatte, natürlich Geld spenden, damit man sich
etwas Vergnügen machen konnte.
3. Tigges oder Strohkerl:
Dieses war ein Scherz, ein Schabernack,
den sich junge Leute gegenseitig antaten. Zehn Tage nach Fastnacht
wurde dieser "Tigges" oder Strohkerl einem Mädchen an das Schlafstuben-
fenster oder in einem in der Nähe stehenden Baum gehängt. An den
Hals wurde ein Zettel mit einem Spottvers gehängt. Die Urheber waren
meisten neidischen Nebenbuhler.
4. Poschefüer, Osterfeuer:
Jungen und Mädchen tragen Reisigbündel
zusammen für das Osterfeuer. Auf dieas "Poschefüerstie" werden die
mühsam gesammelten Bündel zu einem großen Holzstoß um "dian Schacht"
(ein hoher Baum) aufgestapelt. Die Kinder sammeln unter dem Gesange
von:
"Hou, hou, hou, giew mie ne Buschken (Buske) Strouh,
lot miek nit to (sou) lange stohn,
well noch'n Hüsken födder gohn, (iek maut noch en Hüsken ...)
hou, hou, hou, giew mie ne Buschken Strouh.
Strohbündel, welche zum Anstecken des "Poschefüers" benutzt wurden.
(Melodie der Kinder: Hopp, hopp, hopp, Pferdchen, lauf Galopp)
Das Feuer wird am l. Osterfeiertag abends abgebrannt. Die Jugend
der einzelnen Dörfer wetteifern sehr stark miteinander. Überall will
man den größten Holzstoß und das größte Feuer haben. Jedes Dorf ist
ferner darauf bedacht, daß sein Feuer zuletzt brennt. Endlich wird
dann von einem Erwachsenen der Holzstoß entzündet. Die versammelten
Menschen singen "Flamme empor". "Dian Schacht" oder die Asche versteigert
man zum Schluß und macht sich dann noch einige freudige Stunden.
Am zweiten Osterfeiertag sammelten die Kinder Eier, welche sie unter
sich verteilten. Dabei sangen sie folgenden Vers:
Schiewelinges Mädchen, dat Hus, dat stäiht op Pösten,
do (dat) sind dei rouen Fösse,
dat Hus dat stäiht op Eren (Aeren (Erde)
do (dat) sind dei rieken Hären.
Giat mi Eier of dreie
do go vie met nom Weiher.
Giat mi Eier of väier
do go vie met nom Wäire (Wehr).
Giat mi Eier of fiewe
do go vie met nom Wiewe.
Giat mi Eier of sässe
do go vie met nom Feste.
Giat mi Eier of siewen
do go vie met nou Siegen.
Giat mi Eier of achte,
do go vie met bi nachte.
Giat mi Eier of niegen
do go vie met hie dinne (hier weg).
Giat mi en halwen Schwienekopp,
do teihn mi met dem Schoawen rop.
(do go vie met diam Schawen rop (Berg) (äinen Biarge).
Werner