Um die 50er Jahre herum hatten wir in
Plettenberg auch eine kommunistische Partei. Der Vorsitzende hieß Schröder; seinen
Vornamen habe ich vergessen, er tut auch nichts zur Sache. In Plettenberg war er jedenfalls
unter dem Namen "Stukenförster" bekannt. Er verkündete mit dem Eifer
eines Missionars, daß alles Gute aus dem Osten käme und die Russen, die wären
ja überhaupt nicht so schlimm wie immer gesagt würde. Und das in der Sowjetzone alles
bestens wäre, dafür habe er einen Zeugen. Ein Plettenberger, er hatte ein kleines
»Fabriksken«, sei in Leipzig zur Messe gewesen und er wäre heil zurückgekommen, was
wolle man mehr.
Stukenförsters Stunde nahte, als ein junger Plettenberger aus russischer Gefangenschaft
zurückkam und sich bereiterklärte, über die Segnungen in der Sowjetunion zu
berichten. In Rüsings Saal wurde eine Versammlung einberufen. Der Leiter der Polizeistation
geriet in Aufruhr, erinnerte er sich doch an die Saalschlachten in den 30er Jahren in Berlin.
Und dann kamen sie, die Genossen, verfolgt von den argwöhnischen Blicken der Polizisten in
der Rathauswache. Einige hatten Taschen bei sich, woraus der Stationsleiter schloß, da
wären wohl schreckliche Waffen drin.
Um es kurz zu machen. Die Versammlung verlief ruhig. Einige Protestierer donnerten
Stukenförster dialektisch nieder. Alle waren sie stolz, die Genossen. Ja, bis dann
herauskam, daß der Referent früher HJ-Führer und noch nicht einmal richtig
entnazifiziert war. Peinlich? Aber ganz und gar nicht. Der Mann war in der großen
Sowjetunion eben zu einem guten Menschen umerzogen worden. So einfach war das damals.
Barry war ein deutscher Schäferhund und Barrys Herrchen ein Plettenberger Polizist. Und nach Meinung des Herrchens war Barry der beste Polizeihund innerhalb Europas wenn nicht noch mehr. In Kollegenkreisen war man nicht so sehr dieser Meinung, aber was solls. Einmal zumindest, hat er seinem Herrchen doch geholfen.
Herrchen hatte Nachtdienst, saß auf der Wache im Rathaus. Barry zu seinen Füßen schlief und sein Herrchen beneidete ihn wohl, zumal es ja ansteckend ist, wenn ein anderer schläft. Und was sollte es auch - die Nacht war ruhig und ein Nickerchen konnte nicht schaden. So wäre es wohl auch geblieben, wenn der böse Chef nicht so Arges im Schild geführt hätte und die Beamten kontrollieren wollte.
Auch jetzt noch wäre alles gut gegangen, wenn der Chef geklingelt hätte; die Tür wäre ihm gewiß nicht versperrt geblieben. So aber schloß er die Rathaustür leise auf, schlich die wenigen Stufen hinauf und öffnete die Wachtür.
Die Folgen waren fürchterlich. Der Chef in der Wache - Barry kannte keine Dienstgrade und stützte sich auf ihn und biß ihn, den Chef, in die Hand. Erste Hilfe tat dringend not. Auf einem Schrank stand eine riesige Holzkiste mit Verbandsmaterial. Der Chef hatte diese eigenhändig mit einem großen Vorhängeschloß gesichert, damit kein Mißbrauch getrieben werden konnte. Der Schlüssel befand sich in der Uniform - und die Uniform war zu Hause - der Chef war in Zivil. Mit irgendwelchen Brechwerkzeugen wurde die Kiste aufgebrochen und nun konnte Erste Hilfe geleistet werden.
Ich glaube, der Chef hat nie wieder auf so eine Art und Weise kontrolliert, zumal plötzlich mehrere Polizisten ihren Hund mit zum Dienst brachten. Und zu Barry ist sein Verhaltnis nie mehr normal geworden. Wen wundert es noch.
Walter war ein Mensch, der, um es vorsichtig auszudrücken, nicht immer auf dem Pfad der Tugend wandelte. Aber egal was er anstellte, er wurde immer wieder erwischt und dann stand er auch zu seinen Taten. So hatte sich im Laufe der Zeit zwischen den Polizisten und Walter ein gewisses Vertrauensverhältnis gebildet. Man duzte sich auch, daß tat der Würde dann auch keinen Abbruch.
Nur einmal stellte er dieses Vertrauensverhältnis doch arg auf die Probe. Walter wohnte
mit seiner Familie in einer der Baracken, die »auf der Halle« standen. Das waren Bauwerke
einfachster Machart. Durch das Dach lief der Schornstein, dieser endete unten am Kanonenofen.
Es war Silvester. Auf der Wache war es ruhig, bis dann der Anruf kam. Vollkommen aufgelöst
schrie Walter am Telefon, wir müßten sofort kommen, seine Familie würde sich
noch kaputtfrieren. Ja und dann kam es raus:
Walter hatte mit seinem Nachbarn Krach. Dieser sann auf Rache und ausgerechnet in der
Sylvesternacht kam er auf den Einfall, auf das Dach von Walters Baracke zu klettern und dort,
um es vornehm auszudrücken, in das Ofenrohr hinein seine Notdurft zu verrichten und dazu
hatte er noch Durchfall, wie Walter zu berichten wußte. Und darauf hin war in seiner
Behausung das Feuer ausgegangen und es roch nicht gerade feierlich.
Ob und welche Maßnahmen damals ergriffen worden sind, kann ich heute nicht mehr sagen.
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