Quelle: Süderländer Tageblatt vom 04.11.1928
Zur Elektrifizierung der
Wir berichteten in unserer Samstag-Ausgabe über den jetzt zur Entscheidung
stehenden Plan, die Plettenberger Straßenbahn zu elektrifizieren. Nachdem
Magistrat, Finanz- und Verkehrskommission ihre Zustimmung hierzu gegeben
haben, wird sich auch die Stadtverordneten-Versammlung in ihrer am Donnerstag
stattfindenden Sitzung mit der Umstellung der Dampf-Straßenbahn auf elektr.
Betrieb beschäftigen. In einer diesbezüglichen Denkschrift des Bürgermeisters
Dr. Schneider wird hierzu u. a. folgendes ausgeführt:
Seit einem Jahr haben die Erörterungen über die anderweitige Gestaltung der
Verkehrsmittel der im Jahre 1895 erbauten Dampf-Straßenbahn festere Formen
angenommen. Eine Änderung der Betriebsform ist in erster Linie für den
Personenverkehr notwendig, insbesondere für die Strecke von der Stadt Plettenberg
bis zum Reichsbahnhof Plettenberg (Länge 2,5 km). Der durch Industrie und
Handel hervorgerufene rege Verkehr erfordert, dass zu allen Reichsbahnzügen
Verbindungen hergestellt werden. Bei dem jetzigen Dampfbetriebe ist das unmöglich,
jedenfalls jedoch ganz unwirtschaftlich.
Zunächst wurde geprüft, ob eine Ergänzung des Personenverkehrs durch Einstellung
von Rohöl- oder Akkumulatorentriebwagen möglich ist. Die Feststellungen und
Verhandlungen mit den in Frage kommenden Lieferwerken haben ergeben, dass die
Rohöl-Triebwagen für Kleinbahnen mit besonders schwierigen Betriebsverhältnissen,
wie sie bei uns vorliegen (kleine Krümmungshalbmesser, große Steigungen usw.),
nicht brauchbar sind.
Bei den Akkumulatoren-Triebwagen ist das hohe Gewicht, welches durch die Batterie
entsteht, ausschlaggebend. Für unseren Oberbau und Brücken können nur Fahrzeuge
mit einem Achsdruck von etwa 11 t zugelassen werden.
Da somit weder Rohöl- noch Akkumulatoren-Triebwagen für unseren Betrieb geeignet
sind, sind wir in die Prüfung der Frage eingetreten, ob es zweckdienlich und
wirtschaftlich ist, den Personenverkehr durch Omnibusse zu ergänzen. Wir haben
als Sachverständigen den langjährigen Direktor der Westfälischen Kleinbahnen, Herr
Jordan (Letmathe), gewonnen. Die Westfälischen Kleinbahnen haben einen regen
elektrischen Personen- und Güterverkehr und seit vier Jahren auch Omnibusse laufen.
Nach dem Gutachten von Herrn Direktor Jordan stellen sich die Anschaffungskosten
für einen Omnibus-Verkehr bei drei Omnibussen (2 Wagen für den Betrieb und ein
Wagen als Reserve) auf 84.000 RM und die Kosten pro Wagenkilometer auf 1,34 RM. Die
Betriebskosten für den Omnibusverkehr stellen sich deshalb so hoch, weil einerseits
die Omnibusse in verkehrsschwachen Stunden in unserem Betrieb nicht genügend ausgenutzt
werden könnten und andrerseits in den verkehrsstarken Stunden zur Bewältigung des
Verkehrs nicht ausreichen. Der jetzige Personenzug müsste in der Hauptverkehrszeit
nach wie vor verkehren. Abgesehen hiervon sind zwei Betriebsarten für eine
Verkehrseinrichtung wie die Plettenberger Straßenbahn nicht zu empfehlen. Und zu dem
geht unser Bestreben dahin, die Rauch- und Rußplage der Stadt zu beseitigen.
Für den Omnibusverkehr (unter Aufrechterhaltung des jetzigen Dampfverkehrs in den
verkehrsreichen Stunden) würden bei einem verbesserten Fahrplan jährlich etwa
65.000 Wagenkilometer in Frage kommen. Im Jahre 1927 sind auf unseren Strecken
91.374 Personenwagenkilometer geleistet. Die Einnahme betrug in 1927 einschl.
Express- und Postverkehr 61.897,19 RM, die Unkosten 48.337,46 RM. Der Postverkehr
ist seit dem 1. August 1928 ausgefallen, weil die Reichspost Kraftwagen für die
Post . . .
Es bleibt dann noch die Frage der Einstellung des jetzigen Personenverkehrs
und Bewältigung des gesamten Verkehrs durch Omnibusse. Auch dieser Gedanke
muss, selbst wenn er für manchen undiskutabel ist, geprüft werden. Hört man
Sachverständige oder vertieft man sich in die Literatur über Straßenbahn- und
Omnibusverkehr, dann gibt es keine einzige Stimme, die nicht vor einer solchen
Maßnahme warnt. Der Omnibusverkehr wird stets als der gegenüber der Straßenbahn
kostspieligere bezeichnet. Es wird vielfach übersehen, dass die durch den
Omnibus verursachten Selbstkosten, insbesondere die Kosten für die Fahrbahn
nicht oder gebührend in Rechnung gestellt werden. Wer weiß, ob nicht gerade die
Omnibusse in Zukunft zu einer erheblich höheren Steuer wegen der großen Schäden,
die sie an den Straßen verursachen, herangezogen werden. Man muss also mit
einem Ausgabeposten rechnen, der nie und nimmer im voraus fest zu bestimmen ist.
Die an die Einführung des Omnibusses geknüpften Hoffnungen sind zum mindesten
übertrieben. Der Omnibus wird nur überall da am Platze sein, wo der Verkehr die
Anlage kostspieliger Schienenbahnen nicht gestattet. In diesem Sinne spricht
sich Prof. Ing. Helm, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Straßen- und
Kleinbahnverwaltungen, in dem Buch "Zukunftsaufgaben der deutschen Städte,
Ausgabe 1925" aus.
Man hat nun auf das Beispiel in Wiesbaden verwiesen. Das Ersetzen des
Straßenbahnverkehrs durch den Omnibusverkehr des Kurstadt Wiesbaden ruht
auf schwerwiegenden Differenzen zwischen der Stadt und der seitherigen
Betriebsfirma der Straßenbahn. Der Omnibus bedeutet in Wiesbaden eine
Kraftprobe der Stadt Wiesbaden gegenüber der seitherigen Betriebsgesellschaft
der Wiesbadener Straßenbahn.
Zu allen diesen Darlegungen kommt noch, dass das durch die Schienen der
Plettenberger Straßenbahn erschlossene Gebiet enge Täler sind, in denen
sich der Verkehr auf einem schmalen aber langen Streifen konzentriert,
und es gibt wohl für ein solches Gebiet keine bessere Lösung, als die
vorhandenen Straßenbahnschienen entsprechend auszunutzen...
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