Aus den vielen fränkischen Flur- und Ortsnamen mit "ing" und "scheid"
in unserer Heimat und der weitgehenden Übereinstimmung mancher
anderer hiesiger Ortsbezeichnungen mit denen des bergischen Landes,
einem Gebiet der ripuarischen Franken, ergibt sich, dass unsere
Gegend auch in alter Zeit von Franken besiedelt und bewohnt worden
ist.
Eine Anzahl von Orts- und Flurnamen gibt an, wo sich vor Zeiten eine
bestimmte Tierart in größerer Menge aufgehalten hat: Hirsche in der
Gegend von Herscheid und im Hesewinkel, Rehe im Ebbe am Rehberge,
Hasen am Hasenberge, am Hasley und am Hasenacker, Wölfe auf dem
Wulfsbrauke bei Herscheid und auf dem Wolfsstück in der Quellgegend
der Blemke, Füchse im Voßloh, in der Voßhelle und im Voßsiepen, wilde
Katzen im Katerlöh, Birk- und Haselhühner im Hühnerloh, Ringeltauben
im Duwenhardt, Elstern im Jästerlöh und dort, wo jetzt die Osterloh
genannten Häuser stehen. Unkenntnis der platten Sprache und des Geländes
ist die Ursache, dass man statt Elsternlöh Osterloh geschrieben hat.
Das Wort Lohn kommt auch vor in Baukloh, Birkenloh, Kirchlöh und
Gräfinglöh, und zwar als Bezeichnung einer Waldlichtung mit hohen
Bäumen. Krähen und Raben hielten sich auf beim Krähenacker und auf
dem Rabenkopf, Kröten im Huckenloch unterhalb der Wiehardt und im
Huckesholl zu Himmelmert, Mücken auf dem Müggenbruch.
Der Ortsname Bärenberg steht in keiner Verbindung mit Bären. Vor 200
Jahren schrieb Pastor Reininghaus "Bermberg" als Abkürzung von Beerenberg.
Ähnlich ist es mit dem Namen Bärenstein an der Verse. Die Bezeichnung
Rüenhardt für eine das Ebbe überragende Höhe hat auch keine Berechtigung,
weil dort Hunde (Rüen) keine günstige Lebensbedingungen finden. In
der platten Sprache der am nächsten bei dem Berge wohnenden Leute
heißt es "riue Hardt" (rauhe Hardt); den Namen hat auch eine Höhe
westlich von Iserlohn. Eine Hardt ist eine bewaldete Höhe.
Aus manchen Ortsnamen erfährt man die Pflanzenart, die auf der von
ihnen bezeichneten Flächen am meisten wuchs: In den Eichen, Bauckloh,
Bauckhahn, Lichtenbuchen, Lingenhard, Birkenhof, Birkenloh, Erlenkamp,
Erlhagen, Elhausen (von Erlen), Else (Erlenbach), Eschen, Kersmecke
(Kirschen), Wiehardt, Wiebecke, Lettmecke (alt Leckemecke, von Liäcken,
Lattiche - Pestwurz), Bermecke, Kleeschlade, in den Oestern (Schafweiden),
Heide, Heidfeld. Bei Böddinghausen und Erkelze gibt es ein Mohrenstück.
Dieser Name lehrt, dass vor der Einführung der Kartoffeln Möhren in
größeren Mengen angebaut und gegessen worden sind.
Auf felsigen Boden weisen hin: Auf den Leien bei Ohle, Leinschede,
Salei, Beullegge, auf steinigen: Steinklappert, Steinhelle, Helfenstein,
Steinhagen. Hagen (Hahn, Haan) ist der Name für Wald, der einzelnen
gehörte und Gegensatz zu Mark, die Gemeinbesitz war. In Baddinghagen
ist das Bestimmungswort der Name des Gründers. Hohagen. Ein Brink
ist der Rand eines Abhanges.
Der Hestenberg (alte Form Heistenberg) hat seinen Namen von den
Heisterkämpen, in denen junge Eichen und Buchen gezogen wurden. An
dem Galgenberge sind vor Jahrhunderten Todesurteile vollstreckt
worden. Im 16. Jahrhundert hat man dort einen Hingerichteten begraben
und deshalb wohl den da vorbei führenden Weg Grafweg (Grab) genannt.
Der Name Hexentanzplatz muss entstanden sein, als der Irrwahn
des Hexenglaubens herrschte. Der Singerhop neben der Stadtbefestigung
weist auf regen Schmiedebetrieb in der Stadt zur Zeit des Mittelalters
hin; denn nach dem 30-jährigen Krieg war dieser Schlackenhaufen schon
so groß, dass darauf zwei Gärten und ein Land bestellt wurden. Maiplatz
und Maibohm sind Stellen, an denen man Frühlingsfeste feierte. Ein
Böl (Beul) ist ein flach gerundeter oder kuppelförmiger, aus
einem Talgrunde aufsteigender, niedriger Höhenrücken. Die Mehrzahl von
Böl, das auch in Habbel (Hagen an einem Böl) Grundwort ist, ist
bollen, das in Warbollen (War- Warte) vorkommt.
In dem Namen Nordhelle im Ebbe und bei Werdohl ist Nord nicht
die Bezeichnung der Himmelsgegend, denn das Wort heißt in der platten
Sprache Noathelle (Noat = Naht). Noat deutet an, dass die beiden
Abhänge eines Bergrückens gleichsam einer Naht oben zusammenstoßen.
Das Wort Nordhelle will sagen, dass der Kamm, die Naht des Bergrückens,
überragt wird von einer Helle, einer länglichen, niedrigen Erhöhung.
Helle kommt auch vor in Voßhelle, Steinhelle, Sundhelle.
An der Oester liegen Plettenberg, Dankelmert, Himmelmert, Kiesebert und
nicht weit von diesen noch Landemert, Stottmert, Gasmert. Auch einige
heimatliche Berge haben das Grundwort mert: Homert, Molmert, Nümmert.
Statt Plettenberg schrieb man 1078 plettonbrath, 1187 plettenbrath,
1189 plettenbreth. Aus brath wurde im Laufe der Zeit erst bret, dann
bert. Dieses ist noch erhalten geblieben in Valbert. In fast allen
anderen Namen dieser Art ist die letzte Silbe des Bestimmungswortes
und das b von bert ausgeschieden und an die Stelle das m gesetzt und
damit aus bert mert geworden. Die Orte mit mert liegen teils in
einem Tal wie Himmelmert und Landemert, teils an einem Abhange wie
Stottmert und Ludemert, teils auf Bergeshöhen wie Gasmert und Homert.
Die Berge mit dem Grundwort mert unterscheiden sich von denen mit
-berg und -kopf dadurch, dass ihre höchste Stelle flach und weit ausgedehnt
ist. Den Namen der Homert zwischen Altenaffeln und Eiringhausen schrieb
man im 16. Jahrhundert Holmbret. Es scheint bret gleichbedeutend mit
breit zu sein und mit dem Gehöftnamen Brenge (früher Bredinge) eine
Breitung zu bedeuten. Dann wäre Homert eine hoch liegende Breitung,
Plettenberg (Plettmert) eine ebene Breitung, Himmelmert die Breitung
des Hemele. Alle Orte mit mert liegen an Stellen, wo Tal, Abhang oder
Berg eine breite Fläche bilden. Es ist zu bezweifeln, dass brat und
Bracht gleichbedeutend sind.
Neben mert gibt es noch ein Grundwort mart, das Lohmeyer als Steilwand
deutet. Diese Deutung ist für Bosemert bei Ohle jedenfalls zutreffend.
Die Menschen siedelten sich gerne dort an, wo sie Wasser und Schutz vor
Stürmen fanden, in Quellmulden, den Schladen, z. B. in der
Deipschlade, Kleeschlade, Klingelschlade. In solchen Mulden
liegen auch Hülschotten, Almecke, Dingeringhausen, Gerrin, Vohr, Waldmin,
Hohl, Sechtmecke, Marl, Böhl und andere.
Schöttlerei, Schreiberei und Düppenhaus geben Kunde von
der Beschäftigung früherer Bewohner der Siedlung.
Der Jakobshagen hat seinen Namen nach dem Patron der Böddinghauser
Kapelle bekommen, das Barbenstück nach der hl. Barbara, der
Patronin zu Holthausen.
Der tiefere Einblick, den die Beschäftigung mit den Flur- und Ortsnamen
in die Eigenart der Heimat gewährt, wird die Liebe zur Heimat und damit
zum Vaterlande stärken. Darum fordert Jakob Grimm: "Tretet ein in die
euch allen aufgetane Halle eurer angestammten, uralten Sprache, lernt
und heiligt sie und haltet an ihr, eure Volkskraft und Dauer hängt in ihr."
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