US-Fotograf Joseph D. Karr mit der 75th Inf Div in Plettenberg
12. April 1945: Die Amerikaner kommen!
Artilleriebeschuß bereitete den Einmarsch vor
Von Horst Hassel
Plettenberg. Wußte die Plettenberger Bevölkerung am 12.April 1945, daß
die amerikanischen Truppen schon vor der Stadt standen? Augenzeugen von damals geben
auf diese Frage unterschiedliche Antworten. Die einen haben im Rundfunk den Bericht
des OKW (Oberkommando der Wehrmacht) gehört, wonach schon im Februar die Amerikaner
»beiderseits Siegen durchgebrochen« waren. Andere waren dennoch völlig überrascht,
als es am Donnerstagmorgen, dem 12. April 1945, plötzlich Artilleriebeschuß - aus
Richtung Attendorn gab. Weiße Bettücher an vielen Häusern signalisierten, daß man
sehr wohl wußte, wer da über den Bauckhahn zunächst ins Oestertal einmarschierte. In
Schützenreihen, nach allen Seiten sichernd, rückten die Amis mit den Gewehren im
Anschlag in Kückelheim ein.
Noch im Laufe des 12.April rückten die Amis auf den Plettenberger Ortskern vor.
Artilleriegeschütze wurden in Höhe Sonneborn in Stellung gebracht. Der Stadtkern
rund um die Christuskirche geriet unter Beschuß. Augenzeugen zufolge soll gleich
der erste Treffer den Turm der Kirche getroffen haben. Am Morgen des 13. April wurde
die Bevölkerung der Stadtmitte schon früh durch erneuten Artilleriebeschuß erschreckt.
Der erste Treffer lag kurz hinter dem Böhler Friedhof. Zwischen 10 und 11 Uhr an
diesem Freitag rückten die amerikanischen Truppen wieder in Schützenreihe - den
Grafweg herunterkommend - in die Innenstadt vor. Dabei hatten sie zunächst kaum
Zuschauer, denn die Bevölkerung hatte sich wegen des Artilleriefeuers in die Keller
und Luftschutzräume zurückgezogen. Dieses Feuer war inzwischen natürlich eingestellt,
und die ersten Bewohner wagten sich neugierig auf die Straße.
Eine Plettenbergerin erinnert sich an einen tragischen Vorfall im Kreuzungsbereich
Kaiserstraße/Herscheider Straße. Hier versuchte ein etwa 14jähriger Junge einen der
vorbeirasselnden Sherman-Panzer mit einem Sprengsatz anzugreifen. Dies mußte der
fanatisierte Jugendliche mit dem Leben bezahlen, denn eine Gewehrkugel traf ihn und
verletzte ihn tödlich. An diesem 13. April glaubten wohl auch einige am Edenborn liegende
deutsche Truppenteile, den Amerikanern noch Widerstand entgegensetzen zu müssen. Mit
ihren Granatwerfern trafen sie jedoch ausgerechnet die Dachstühle der an der Kaiserstraße
liegenden Häuser.
In den Tagen darauf folgten den amerikanischen Kampftruppen die Besatzungstruppen.
Zeitzeugen ist über diesen April von vor 40 Jahren eines noch sehr gut in Erinnerung:
der dauernde Hunger. Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln war in den
Wochen vor dem Einmarsch der Amerikaner deutlich schlechter geworden. Auch nach
dem 13.April war das Besorgen von Lebensmitteln zum Hauptlebensinhalt geworden.
Für einen Jugendlichen aus dem Oestertal waren die Amerikaner im Rückblick mit zwei
einschneidenden Erlebnissen verbunden: Zum ersten Mal sah der damals Siebenjährige
einen Farbigen, einen Neger. Ausgerechnet der bot ihm auch noch die erste Schokolade
seines Lebens an.
In der Chronik der Kath. Kirchengemeinde Eiringhausen findet sich ein Hinweis auf
einen Tieffliegerangriff: »In der Nacht vom 25. zum 26. März unternahmen Tiefflieger
einen konzentrischen Angriff auf einen einfahrenden Personenzug. 11 Passagiere wurden
hierbei getötet, 30 mehr oder weniger schwer verwundet«. Zwei Tage zuvor muß sich ein
Angriff ereignet haben, den eine Zeitzeugin so schildert: »Wir saßen im Zug, der uns
von Oberhausen über Plettenberg nach Altenhundem bringen sollte. Es waren überwiegend
Soldaten im Zug. Schon in Werdohl signalisierte man dem Zugpersonal, daß ein
Fliegerangriff bevorstehe. Zuerst wollte man den Angriff im Bauckloh-Tunnel abwarten,
fuhr dann aber doch bis Plettenberg. Der Zug hatte noch nicht im Bahnhof angehalten,
da kam der Fliegerangriff. Zahlreiche Soldaten wurden getötet. Meine 14jährige Nichte
und deren Oma kamen nicht mehr lebend aus dem Zug heraus. Meiner Schwester, die ihr
9 Monate altes Baby auf dem Arm trug, wurde beim Aussteigen von Granatsplittern der
Oberschenkel fast zerfetzt. Im Durcheinander kam der Säugling abhanden. Er fand sich
später in guter Obhut bei der Familie Schuster (Friseur)«.
Quelle: Süderländer Tageblatt vom März/April 1985
Ein Major namens "Bach"
Plettenberg. (HH) "Nach dem Zusammenbruch - die Amerikaner befanden sich
nur noch in der Stadt Plettenberg - wurden die Einhöfe in Landemert und
auch im übrigen Stadtgebiet", so erinnert sich Rektor i. R. Krankenhagen,
"von den freigelassenen Kriegsgefangenen [gemeint sind Zwangsarbeiter],
hauptsächlich Russen und Polen, überfallen und ausgeplündert. Dabei wurden
auch Morde verübt, wie zum Beispiel auf dem Waldgut Hohenwibbecke.
Die ortsansässige männliche Bevölkerung Landemerts organisierte dagegen
einen Selbstschutz. Ich selbst habe daran teilgenommen. Sobald Notsignale
von den Einhöfen kamen, sammelten sich die Männer und zogen mit zurückgelassenen
deutschen Handfeuerwaffen wie Pistolen, Gewehren und Panzerfäusten im Eilschritt
den Bedrohten zu Hilfe. Das wirkte. Und deshalb blieben nach einem Überfall
"Auf dem Berge" die dortigen weiteren Einhöfe weitgehend von Raub und
Plünderung verschont.
Zur Ehre vieler Kriegsgefangener muss gesagt werden, dass sie sich an diesen
Raubzügen nicht beteiligten. So kenne ich namentliche Beispiele von Russen
und Polen, die freiwillig so lange bei ihren Bauern blieben, bis sie
gezwungen wurden ins Lager zu gehen.
Nach meiner Erinnerung erfolgte bereits Ende Mai eine Registrierung der
gesamten männlichen Bevölkerung Plettenbergs nach einzelnen Ortsteilen
und in alphabetischer Reihenfolge im Amtshaussaal. Ich selbst nahm daran
teil. Ich kam vor einen amerikanischen Major deutscher Abstammung mit dem
Namen Bach, der mich lediglich fragte, ob und wo ich Soldat gewesen bin.
Als ich ihm sagte, dass ich von Anfang an bei der 121. Infanterie-Division
gewesen bin, antwortete er kurz: "Dann haben Sie niemals gegen uns gekämpft!".
Und ich erhielt anstandslos meinen Personalausweis.
12. April 1945: Die Amerikaner kommen! in "Süderland - Heimatland", ST vom 30.03.1985
Es gab fast nur Erfolgsmeldungen
Plettenberg. (HH) Im Frühjahr 1945 konnte man im Süderländer
zunehmend Todesanzeigen von Frontsoldaten lesen. Am 12. Februar 1945
wird zunächst von einem "noch nicht 17-jährigen Hitlerjungen"
berichtet, der in zwei Tagen 9 Panzer des russischen Typs T 34 mit
Panzerfäusten zerstört hat. Am 1. März 1945 heißt es u. a.: Gefreiter
Karl-Heinz Schulte, Inhaber des EK II, des Inf. Sturmabzeichens, der
Nahkampfspange, des Verwundeten-Abzeichens, der infolge seiner 7.
Verwundung im Alter von 18 Jahren den Heldentod fand." Genaue Daten
werden von den Kriegsschauplätzen nicht genannt. Glaubt man den
Meldungen, hat nur der Feind Verluste.
Todesfälle,
28. Februar 1945 Heinrich Marl, Lettmecke, *12.04.1888, 28.02.1945,
Todesursache: Durchschuß des Brustraumes, Verletzung der Lunge und voraussichtlich des Herzens.
(Einer von drei Zwangsarbeitern, die aus dem Lager bei der Fa. Brockhaus Söhne geflüchtet waren,
soll Heinrich Marl erschossen haben)
11. April 1945 Frau Edith Gabriel, Margarete Gabriel und Margarete Gabriel, geb. Vetter,
alle aus Dortmund, am 11. April 15 Uhr in der Blemke durch eine Fliegerbombe. In gleicher
Wohnung kam auch Feldwebel Buhts, geb. in Stettin, verh., ums Leben. Außerdem starb am gleichen
Ort ein »unbekannter Soldat«.
12. April 1945 Eduard Henze, Tod durch Granatsplitter.
12. April 1945 Unbekannte Luftschutzhelferin
13. April 1945 Der Lehrling Heinrich Wilhelm Keiderling aus Böddinghausen, geboren 1929, tot
durch einen Munitionsunfall
Haus beschlagnahmt - 5 Minuten Zeit zum Räumen
Erinnerungen von Dr. Ing. Werner Heil an den Einmarsch der Amerikaner in Ohle, mitgeteilt
am 24.06.1985 an Stadtarchivar Martin Zimmer:
"Nach einem leichten Artilleriebeschuss in der Nacht vom 16. zum 17. April 1945,
der allerdings einige Todesopfer unter der Zivilbevölkerung forderte, klingelte
morgens gegen 5 Uhr in meiner Wohnung an der Reichsstraße das Telefon. Der
Pförtner des Ohler Eisenwerkes rief an und sagte, die Amerikaner seien am Werk
und wünschten, dass ich sofort käme.
Ich ging los und traf auf der Straße den ersten Amerikaner, der mich mit der
MP (Maschinenpistole) unterm Arm aufforderte, die Hände hoch zu nehmen. Er
tastete mich nach Waffen ab und ging mit mir zum Pförtnerhaus. Hier standen ein
paar amerikanische Soldaten unter Führung eines Serganten in der Pförtnerloge
und fragten mich, ob ich der Chef des Werkes sei. Dann erkundigten sie sich
nach der Anwesenheit von deutschen Truppen oder Volkssturm in Werk und Ort,
nach der Fabrikation usw. und ob ich Nazi sei - auch beim Pförtner -, was wir
beide verneinten.
Dabei sah ich, wie einige Werksangehörige, die zu Schichtbeginn am Werkseingang
auftauchten, verhaftet und in den dort befindlichen Luftschutzkeller gebracht
wurden. Als meine Vernehmung beendet war, zogen die Amis wieder in Richtung
Eiringhausen ab und befahlen mir ebenfalls bis auf weiteres in den Keller zu gehen.
Da mir das nicht ganz geheuer erschien, eilte ich, sobald die Soldaten außer
Reichweite waren, zurück nach Hause.
Zwei Stunden später klingelte es dann an der Haustür und ein Amerikaner erklärte
in barschem Ton das Haus für beschlagnahmt. Er forderte mich auf, binnen 5 Minuten
zu räumen. Während meine Frau und ich das Luftschutzgepäck zusammenrafften, in
dem wir immer das Nötigste gepackt hatten, drangen die Amis in die Wohnung ein,
rissen Schränke und Schubladen auf, wobei wohl Neugier ihre Haupttriebfeder war.
Sie ließen sich auch nicht wesentlich beeinflussen, als sich unsere russische
Hausgehilfin, die sich als solche zu erkennen gab, mehrmals kräftig auf die Finger
schlug.
Nach wenigen Minuten zogen dann unsere sämtlichen Hausbewohner - ich hatte das
Haus voller Flüchtlinge - in Richtung Dorf (Eiringhausen), um irgendwo unterzukommen.
Wir fanden Obdach auf dem Dachboden des Pastorates. Nach etwa 14 Tagen konnten wir
dann wieder in unser Haus zurück. Aber wehe, wie sah unsere Wohnung aus. Viele
Wertgegenstände, die transportabel waren, fehlten. Uhren, Schmuck, Schreibmaschine,
Silbersachen, Füllfederhalter, usw. usw.. Sogar eine Steppdecke und Federbetten
hatten sie mitgenommen - wie wir später hörten, zur Polsterung ihres Jeeps.
Die Wohnräume waren verwüstet, die noch vorhandenen Sachen durcheinandergewühlt
und aus ihren Behältern gerissen. Die Betten versaut, mit Stiefeln benutzt, und
die Wände zeigten Einschüsse. Man hatte anscheinend nach Leerung des noch im Keller
befindlichen, allerdings Gott sei Dank geringen Weinvorrats, Pistolenschießen auf
Bilder veranstaltet. Trotzdem waren wir seelig, waren wir doch wieder in der eigenen
Wohnung und war doch endlich dieser schreckliche Krieg zu Ende.
So war das also. Wenn sie von meinen Ausführungen Gebrauch machen wollen, werden Sie
überlegen müssen, ob sie mit Rücksicht auf unsere jetzt so guten amerikanischen
Beziehungen den letzten Teil nicht besser verschweigen!
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