Quelle: "Höhlen des Sauerlandes", Walter Sönnecken, 1966, S.101/102
Die neue Wocklumer Höhle
Bereits 1946 waren mir im Wocklumer Kalksteinbruch, Hönnetal, zwei nahe
beieinander liegende Höhlengänge bekannt, die ich zunächst nach dem
Bölzenberg die "Bölzenberg-Höhlen" benannte. Die Eingänge waren etwa
2 Meter hoch. Der weitere Verlauf der Gänge führte steil nach unten,
und schon bald war ein Weiterkommen wegen der überaus starken Sinterbildung
und der Tropfsteine nicht mehr möglich. Inzwischen ist die Felswand des
Steinbruchs etwa 80 Meter in die Tiefe hin abgetragen worden. Dabei
wurden beide Höhlen mit abgetragen und sind nun für immer verschwunden.
Bei einem späteren Besuch in diesem Steinbruch zeigten sich in der
linken Felswand, also nach Norden hin, zwei weitere Gänge, die ich
ursprünglich für die Fortsetzung der erstgenannten Höhlengänge hielt.
Doch später, nach einigen Sprengungen, erhöhte sich die Zahl auf fünf
Gänge, die alle nach Nord-Nordost in den Berg verlaufen. Nach Rücksprache
mit dem Besitzer des Steinbruchs, Hertin, Balve, wurde mir die
Untersuchung der Gänge gestattet.
In dem Steinbruch herrschte eine emsige Bohr- und Sprengtätigkeit,
so dass ich mich nicht all zu lange mit Betrachtungen und der Anfertigung
von Fotos aufhalten konnte. Kaum war ich mit meinem Bruder in einem
Gang verschwunden, kam ein Arbeiter hinter uns her und forderte uns
auf, entweder weiter in den Gang hineinzugehen, oder wieder herauszukommen
und in Deckung zu gehen. Nun, wir wählten das Erstere und
wähnten wenig später den Weltuntergang zu erleben. Etwa 20 Meter neben
uns wurde eine 4 Meter dicke, 50 Meter lange und 40 Meter hohe
Gesteinsbank abgesprengt.
Obwohl durch über 30 Bombenangriffe während des Krieges an Sprengungen
gewöhnt, ist es doch ein eigenartiges Gefühl, in einem niedrigen Gang
zu hocken und plötzlich bei der riesigen Detonation zu meinen, der
ganze Berg flöge mitsamt seinem Inhalt in die Luft. Dann aber machten
die Arbeiter Feierabend und wir konnten beruhigt weitermachen.
Drei der freigelegten Gänge konnten schon nach kurzer Zeit nicht
weiter begangen werden. Die starke Versinterung verhinderte ein
Weiterkommen. Im Lichtkegel unserer Lampen konnte festgestellt werden,
dass die Gänge aber noch weiter verliefen. In herrlichem Weiß
entstandene Tropfsteinsäulen und Gardinen waren dermaßen miteinander
verwachsen, dass ein Durchkommen nicht mehr möglich war. Da ein weiterer
Gang von außen her durch Felsbrocken versperrt wurde, beschränkten
wir unsere Untersuchungen auf den mittleren, den Hauptgang, der
durchweg 2 Meter hoch war, in seinem vorderen Teil aber mit zwei
Nebengängen in einer gewaltigen Kluft ausläuft, die untenher, durch
Sprengungen bedingt, mit Gesteinsbrocken angefüllt ist. Arbeiter
sagten mir, dieser Spalt führe etwa 10 Meter tief bis unter die
Steinbruchsohle hinab.
Ich beschränkte mich darauf, vorweg noch einige Fotos anzufertigen
und besuchte später im Anschluss an die Besichtigung der Sundener
Höhle gemeinsam mit Prof. Lotze, MÜnster, noch einmal dieses
Höhlenlabyrinth. Nach eingehender Untersuchung der Örtlichkeit
konnte Lotze im vorderen Teil des Steinbruchs links und rechts
in den Felswänden Erdverfüllungen feststellen. Bei näherer
Betrachtung zeigte sich, dass hier die eigentliche Althöhle
(Haupthöhle) lag. Zwar war sie in der ganzen Breitseite des
Steinbruchs abgetragen, aber die Fortsätze der Höhle nach links
und rechts waren unverkennbar. Die Höhle selbst war bis auf eine
Handbreite bis unter die Decke mit Lehm und Geröll verfüllt.
Besonders das aufgelagerte Geröll lieferte den eindeutigen Beweis,
hier die eigentliche Höhle (Flußhöhle) vor uns zu haben.
Später besuchte ich noch einmal mit Prof. Siegfried, Münster,
den gleichen Steinbruch, wobei wir drei neue, nach Osten verlaufende,
Gänge feststellen konnten. Wieder war es der schneeweiße
Tropfstein, der das Entzücken des Professors auslöste . . . |