Quelle: "Höhlen des Sauerlandes", Walter Sönnecken, Lüdenscheid 1966, S. 74-78

Die Gess(h)ardt-Höhle


Das Gebiet um Lüdenscheid weist nur einige kleine, frei zutage tretende Kalksteinkomplexe auf; es ist daher kaum mit ausgedehnten Höhlensystemen in diesem Raum zu rechnen. Dennoch sind einige recht geräumige Höhlen in näherer und weiterer Umgebung der Stadt vorhanden.

Außer der seit 1870 bekannten Schönebecker Höhle war bis zum Ende des ersten Weltkrieges bei Wesselberg eine Höhle von beträchtlichen Ausmaßen zugänglich. Durch Gesteinsabbau wurde der Eingang, der schräg nach unten führte, verschüttet, weshalb ein Betreten unmöglich geworden ist. Genauere Angaben über diese gewiss interessante Höhle, die auch reichlich Tropfsteinvorkommen aufweisen sollte, konnten nicht mehr in Erfahrung gebracht werden. In Mühlenrahmede, zwischen Lüdenscheid und Altena, ist 1939 der Zugang zu einer kleinen Höhle, die seit langem schon bekannt war, wieder freigelegt worden. Der hintere Teil des Ganges läuft im Schiefer aus. Das Gestein ist hier sehr nass und brüchig, das Betreten in diesem Teil der Höhle daher sehr gefährlich.

Ferner finden sich im Raume Lüdenscheid noch eine ganze Anzahl Gänge und Stollen, die auf früheren Bergbau zurückzuführen sind; sie sind in diesem Zusammenhang jedoch ohne Bedeutung.

Die wichtigste und bedeutendste Höhle ist hier ohne Frage die Gess(h)ardt-Höhle in Grünewiese zwischen den Stationen "Dünnebrett" und "Zum Hohle" in der Rahmede.
Bereits 1911 wurde die Höhle beim Brunnenbau entdeckt. Ein dumpfer Knall ließ damals die sonst übliche Detonation bei den Sprengarbeiten vermissen. Die Sprengladung hatte die Höhlendecke durchschlagen, wodurch der Weg in das Innere des Berges frei wurde. Noch heute ist dieses Loch in der Höhlendecke, die hier 6 m hoch ist, zu sehen. Nachdem einige Arbeiter an einem in die Tiefe hinabgelassenen Baumstamm die Höhle erstmalig befahren und eine Besichtigung des vorderen Hohlraumes vorgenommen hatten, wobei auch Tropfsteinvorkommen festgestellt worden war, sprach man allgemein nur noch von der Entdeckung einer Tropfsteinhöhle. Behördlicherseits fasste man darauf den Beschluss, die Höhle durch einen Fachmann ausgraben zu lassen.Der Besitzer des Grundstücks, Bredehorn, lehnte das Ansinnen ab. Sein Entschluss war, die Höhle selbst weiter auszugraben. Dieser Entschluss wurde allgemein bedauert, da die Hoffnung, bei den Grabungen auf vorgeschichtliche Funde zu stoßen, was durch das Auffinden von Höhlenbären-Knochen sehr berechtigt erschien, sie nun bei unsachgemäßer Grabung für immer verloren gehen jonnten.


Herr Bredehorn gab aber nicht nach und ließ zunächst einen Stollen von 15 m Länge in den Berg treiben. Durch diesen künstlichen Zugang schaffte man dann den Abraum, der die Höhle etwa zu zwei Drittel des gesamten Raumes anfüllte. Zu allgemeiner Überraschung setzten sich noch mehrere Hallen hintereinanderliegend fort (Abb. 31), die aber zum Betreten erst noch größere Aufräumungsarbeiten erforderlich machten. Die dabei gefundenen Skelettreste von Höhlenbären (Ursus spelaeus) häuften sich schnell zu Bergen an, ohne dass man sonderlich danach suchte.

Nach dem Kriege 1914-18 sollten die Arbeiten weitergeführt werden. Die inzwischen wieder aufgenommenen Verhandlungen nahmen diesmal einen günstigeren Verlauf. Das Amt Lüdenscheid übernahm nun die Höhle zur weiteren Betreuung und ließ die vorhandenen Räume weiter ausbauen. Die Erwartungen, auf noch größere Hohlräume zu stoßen, welche auf das Vorhandensein einer Tropfsteinhöhle hätte schließen lassen, bestätigten sich nicht. Wohl konnten die Räumlichkeiten noch erheblich erweitert werden, jedoch wurden die Arbeiten nach dieser Feststellung beendet. Das ist sehr zu bedauern, denn das Wichtigste bei der ganzen Arbeit ist leider übersehen worden, wenigstens findet man keinen Hinweis darauf, wo die Höhle früher ihren Zugang hatte und ob sie in der Urzeit von Menschen bewohnt war. Die Beantwortung nur dieser Fragen hätte wenigstens in etwa die enormen Unkosten wieder aufgewogen, die die Grabung verursacht hat. So blieb als einzige Ausbeute eine beträchtliche Menge fossiler Knochen, deren Sicherstellung das Verdienst des verstorbenen Geologen F. Kuhse ist.

Bei weiteren Untersuchungen, die ich anstellte, ergab es sich, dass die Gess(h)ardt-Höhle eine ausgesprochene Bärenhöhle ist, d. h., in dieser Höhle haben Bären tatsächlich gelebt, während in den meisten Höhlen die Knochen durch Flusswasser eingeschwemmt sind. Als sicheren Beweis hierfür sehe ich die Auffindung eines vollständigen Höhlenbären-Skeletts im hintersten Teil der Höhle, wohin ein ganzer Kadaver durch fließendes Wasser niemals gelangen könnte. Auch wäre die ungestörte Lage des Skeletts in fließendem Wasser nicht erhalten geblieben. Die Knochen selbst zeigten keinerlei Abrollungsspuren. Der größte Teil der gefundenen Knochen - im ganzen wurden die Überreste von etwa 30 Tieren geborgen - lag an zwei besonders ausgeprägten Fundorten, dort aber in großer Anzahl zusammen.

Während sich nun in alten Flußhöhlen Knochen von mehreren Tiergattungen fanden, wurden in der Gess(h)ardt-Höhle nur Bärenknochen (Ursus spelaeus) gefunden. Die weit verbreitete Auffassung, die Knochen anderer Tiergattungen wären durch Höhlenbären in die Höhle getragen worden, ist durch obige Feststellung widerlegt.

Es bleibt zu hoffen, dass durch einen erneut angesetzten Schurf noch festgestellt wird, wo sich der ehemalige Zugang zur Höhle befindet, der den Bären den Zutritt gewährte. Dabei würde sich auch die Frage klären, ob jemals Menschen die Höhle bewohnten, was angesichts der Fundstücke aus zahlreichen anderen Höhlen des Sauerlandes, der hohen Lage der Höhle und der geborgenen eiszeitlichen Fossilien wegen gar nicht so unwahrscheinlich ist.

...
Frevlerhände haben inzwischen auch diese Grotte ihres Schmuckes beraubt. so dass nur noch wenige korallenartige Ansätze und Rosetten vorhanden sind. Um weiteren Unfug zu verhindern, hat die Amtsverwaltung Lüdenscheid den Höhleneingang zuschütten lassen.


Quelle: "Unterirdische Zauberreiche des Sauerlandes", Heinrich Streich, 1967, S. 104

Gessardt-Höhle

Zwischen den Orten Ober-Rahmede und Altroggen-Rahmede im Rahmedetal, nördlich Lüdenscheid, liegt der kleine Ortsteil Grünewiese. Wandert man vom Rahmedetal durch diesen Ort in nördlicher Richtung, so erreicht man nach etwa 400 Metern das Werksgelände der Firma I. D. Geck. Zwischen den Werksanlagen führt halbrechts bergan ein Fahrweg, welcher schließlich in Richtung des sichtbar werdenden Fichtenbestandes führt. Innerhalb dieses Bestandes liegt rechts am Weg die Gessardt-Höhle.

Höhe über Talsohle: 58 Meter (Rahmede). Die Länge der Höhle kann mit rund 72 Meter angegeben werden.
Eingang: Dieser wurde im Laufe des Jahres 1966 vom Amt Lüdenscheid ausgebaut und soll danach verschlossen werden. Einen zweiten Eingang hat die Höhle nicht, doch muss ein solcher vorhanden gewesen sein, um den Bären, die zur Eiszeit die Höhle bewohnten, einen Zugang zu ermöglichen, denn der jetzige Eingang war bis zur Entdeckung der Höhle 1911 nicht vorhanden.

Die Höhle verläuft in dem anstehenden Massenkalk durchweg söhlig, lediglich das hinterste Stück im Hauptgang fällt um etwa 2 Meter ab, um in einer kleinen Halle zu enden. Die Höhle wird von der Bevölkerung der Umgebung als typische Bärenhöhle bezeichnet. Auch muss die Frage noch geklärt werden, ob Menschen der Steinzeit in der Höhle gelebt haben. Tropfsteine findet man heute in der Höhle nicht mehr, sie wurden von der Bevölkerung sinnlos zerschlagen und geraubt.

Entdeckt wurde die Höhle im Jahre 1911, als der damalige Besitzer des Geländes oberhalb der Höhle nach Trinkwasser bohrte. Beim Durchstoßen des Erdreichs stieß er auf die große Halle. Bis zu diesem Jahr wusste man nichts von der Höhle, ein Eingang war bis dahin nicht bekannt. Erst, als man auf diese Halle von oben herab stieß, wurde nach außen ein künstlicher Eingang geschaffen, welcher im Ausbau begriffen ist.
Heutiger Besitzer ist das Amt Lüdenscheid.


450b Thomas, Eberhard: Führung durch die Gesshardt-Höhle im Rahmen des Kreisheimattages '88 in Altena. Der Antiberg, 1988, H.36, S.24-25.
451 Weber, Heinz-Werner: Die Gesshardthöhle bei Altena-Grünewiese. Der Antiberg, 1985, H.29, S.2-11.


zurück