Quelle: WR vom 05.11.1998 So wie auf diesem Bild aus dem Jahre 1980 sorgen auch heute noch die Fliegenden Händler für besonderes Flair auf dem Markt. 50 Jahre Plettenberger Wochenmarkt
Ob Kappeskopp oder
jüngstes Gerücht: Das Angebot ist vielfältig
Heinrich Riedesel 1948 erster Marktmeister
So etwas gehörte nicht auf den Plettenberger Wochenmarkt. Keine Sorgen mußte
sich Riedesel darum machen, daß auf dem Ferkelmarkt ein Handel per Handschlag
mehr galt als mit Brief und Siegel beurkundet. In die Fußstapfen Riedesels
traten Rudolf Pistora und Helmut Gärtner. Seit zehn Jahren ist Horst Pöse
seitens des Ordnungsamtes für den Wochenmarkt verantwortlich. Noch heute
kassiert er nach dem Standaufbau ab 5.30 Uhr in der Frühe die Standgebühren
jeden Dienstag und Freitag in bar. Die Höhe der Gebühr gibt die Ortssatzung vor.
Der städtische Aufwand, zum Beispiel für die Platzreinigung, muß kostendeckend
wieder hereinkommen, erklärt Pöse.
Eine scheinbar einschneidende Veränderung erlebte der Wochenmarkt zu Beginn
Pöses Tätigkeit als Marktmeister. Am 30. August 1988, kurz nach Einweihung des
neuen Rathauses, wurde der Handel vom Wieden in den Rathaus-Innenhof verlegt.
Händler und Kundschaft zeigten sich davon zunächst wenig begeistert. Zu eng,
weitere Wege - voller Skepsis wurde die Verlagerung betrachtet.
Kunden blieben treu
Die Kunden blieben ihren Markthändlern treu. Auch in einer Zeit, als mehr und
mehr Supermärkte im Stadtgebiet eröffneten, vermeintlich übermächtige
Konkurrenz, die es aber nie geschafft hat, den Wochenmarkt zu verdrängen. Längst
gibt es ein für alle Beteiligten lukratives Nebeneinander. Und das wird wohl für
viele weitere Jahre so bleiben.
Dieses Foto entstand 1988, als der Wochenmarkt erstmals im Rathaus-Inenhof
stattfand. (WR-Bilder: Hassel)
Von Bernd Maus
Plettenberg. Ob Kappeskopp oder jüngstes Gerücht - das Angebot auf dem
Wochenmarkt ist vielfältig. Der Markt jeden Dienstag und Freitag im Rathaushof
gehört zu Plettenberg wie das Salz zur Suppe. Hausfrauen preisen die Frische der
angebotenen Lebensmittel und schätzen die familiäre Einkaufsatmosphäre: Man
trifft sich, man kennt sich, man hält ein Schwätzchen. Beliebter Umschlagsplatz
für Waren und den neuesten Klatsch aus der Stadt - und das seit einem halben
Jahrhundert. Morgen, Freitag, 6. November, feiern die Händler mit ihren Kunden
den 50. Geburtstag des Plettenberger Wochenmarkts.
Dabei ist die eigentliche Geschichte des Marktes in der Vier-Täler-Stadt sehr
viel älter. So findet der Markthistoriker im Stadtarchiv eine klevische Urkunde
aus dem Jahre 1578, in der von vier freien Jahrmärkten die Rede ist, die seit
altersher auf der Marktbrücke gehalten wurden.
Die ersten Märckte waren Preußenkönig Friedrich II., dem Alten Fritz, ein Dorn
im Auge. Mit größtem Mißfallen betrachtete er den verbothenen Handel, der nur
einem gewinnsüchtigen Endzweck diene. Daher erließ Friedrich II. eine
Marcktordnung, um den Handel unter amtliche Aufsicht zu stellen.
In Plettenberg erlebte das Markttreiben ein Auf und Ab. 1796 wurde der Markt
neu etabliert - zur Bequemlichkeit der Landleute sowohl, als zur Erleichterung
der dasigen Eingesessenen beim Ankauf ihrer Victualien, auch zur Hemmung des
Schleichhandels und der Aufkäuferey. Im Angebot waren Haber, Gerste, Erdäpfel,
Butter, Erbsen, Schinken, Speck, Würste, Käse, gesaltgenne Fische, trokkenes
Schweinefleisch.
Immer wieder schlief der Handel ein, wenn die Landwirte nichts mehr zu Markte
trugen. Erst ab Ende des 19. Jahrhunderts fanden regelmäßig Märkte statt. Mehr
und mehr wurden jetzt auch Textilien, Obst und Gemüse feilgehalten. Ab 1924
wurde die Wilhelmstraße zweimal wöchentlich für den Markt gesperrt.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatten es die Pioniere der Markt-Neuzeit nicht
leicht, den Handel zunächst in der heutigen Fußgängerzone, kurz später aus
Platzgründen schon auf dem Wieden zwischen Feuerwehrhaus, Schützenhalle und
Hammerwerk Seissenschmidt neu zu beleben. Harry Dobler, Obst- und Gemüsehändler
aus Lüdenscheid und gemeinsam mit seinem Vater im Frühjahr 1949 einer der Männer
der ersten Stunde, erinnert sich:
Nachdem das Geschäft für uns schon an den
ersten beiden Markttagen erfolgreich verlaufen war, kamen die Plettenberger
Geschäftsleute aus ihren Häusern und bedrohten uns. Das ging soweit, da man uns
die Tische umkippen wollte.
Weiße Mäuse beim Kämme-Karl und Trödel vom China-Mann
Die in den Nachkriegsjahren wenig verwöhnten Plettenberger lernten rasch, das
Angebot zu schätzen. Natürlich brachte der Wochenmarkt in seiner 50jährigen
Geschichte auch Typen hervor, die unvergessen bleiben. Pferdemetzger Köster aus
Lüdenscheid beispielsweise oder das Ehepaar Nölle. Herr Nölle kam zweimal die
Woche mit dem Motorrad nach Plettenberg gesaust, auf dem Anhänger den kompletten
Stand samt Woll- und Textilwaren. Seine Frau folgte ihm - mit dem Omnibus.
Familie Funsch bot Meterware an. Lange nicht gekannte Südfrüchte verkauften die
Herlings von ihrem Holzkohle-getriebenen Lastwagen im Lärm des Hammerwerks
Seissenschmidt. Für Aufsehen sorgte Fischhändler Holtmann mit einem 100 Pfund
schweren Heilbutt, den er vor den Augen der Kundschaft filetierte.
Fliegende Händler waren wie Paradiesvögel im Marktalltag. Sie priesen
Gesundheitstrunks als Wundermittel an. Kämme-Karl Dammeier hatte weiße Mäuse aus
Plastik im Sortiment, die er auf verschreckte Kundinnen hetzte. Pu Ge-Siang, der
chinesische Trödler, verbreitete fernöstliches Flair. Zu den Typen gehört
natürlich auch Mariechen Menschel, die als Toilettenfrau die Klos neben dem
Feuerwehrhaus sauberhielt, für jeden ein offenes Ohr und Zeit für ein nettes
Wort hatte und von allen nur Omma gerufen wurde.
"Mache die Stadt für Schäden verantwortlich!"
Plettenberg, den 2. Mai 1925 An die Stadtverwaltung Plettenberg
Durch die Absperrung der Wilhelmstraße während des Wochenmarktes müssen das
Fuhrwerk und die Kraftwagen grösstenteils die Neuestraße passieren. Mein
Wohnhaus, welches sich an der Biegung, wo die Neuestraße in die Wilhelmstraße
einläuft, also an einer sehr schmalen Stelle befindet, wird mitunter durch
das nicht zu verstehende Fahren verschiedener Fuhrleute, wie z. B. der
Knecht des Fuhrunternehmers Fritz Heitmann Plettenberg-Bhf., der heute
morgen mit zwei hintereinander gespannten Wagen ebenfalls nicht ohne
Berührung meines Hauses die Kurve zu nehmen verstand, stets beschädigt.
"Wochenmarkt in den Wieden verlegen!"
Beschluss des Magistrats vom 7. Mai 1925:
Antrag auf Markthalle abgelehnt
Die Firma Brandt & Leuchters Baugeschäft, Berlin W. Kurfürstenstr. 102, richtete
an die Stadtverwaltung Plettenberg ein Gesuch um Genehmigung zur Errichtung
einer "Privat-Markthalle" nach dem Muser der "Berliner Städtischen
Markthallen" mit Schreiben vom 3. July 1896.
Die Stadtverwaltung antwortete am 11.07.1896: Magistratsbeschluss vom 07.07.1896.
Der Antrag wurde abgelehnt, da bei dem sehr geringen Verkehr auf dem erst seit
2 Jahren wieder ins Leben gerufenen Wochenmarkt ein Bedürfnis für die Markthalle
nicht vorliegt.
Marktordnung vom 22. April 1865
Dann erhielt Plettenberg eine neue Marktordnung vom 22. April 1865,
genehmigt durch die kgl. Regierung zu Arnsberg 9. Mai 1865, die dann
bei P. A. Santz in Altena gedruckt und an fast alle Gemeindeämter
in der Mark verschickt wurden mit dem Ersuchen, diese in den
hauptsächlich von Händlern besuchten Wirtsstuben zum Aushang zu
bringen. In Plettenberg musste der Polizeidiener Solms die
Verordnung am 5. und 11. Juni 1865 durch Gassenruf bekanntmachen.
Die Anzeige
Anmerkung: Der Bau der Bahnstrecke durchs Lennetal löste
einen regelrechten Boom aus für alle wirtschaftlichen Aktivitäten
entlang der Strecke. Der Abschnitt von Hagen bis Letmathe wurde
am 21. März 1859 eröffnet, der von Letmathe bis Altena am 17. Juli 1860
und schließlich das letzte Teilstück von Altena bis Siegen, und damit
war auch Plettenberg angebunden, am 6. August 1861. Einen Tag vorher,
am 5. August 1861, war die Ruhr-Sieg Eisenbahn feierlich eingeweiht worden.
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