Quelle: WR Plettenberg vom 25.05.2005

"Stipendium als Experiment,
nicht als Rezept"


Reinschauen lohnt sich, die 12 Euro dafür sind gut angelegt: Der Katalog zur Stipendiaten-Ausstellung, gestern in 500 Exemplaren per Palette druckfrisch am Stipendiatenhaus angeliefert, kann sich sehen lassen. Beate Brenner und Werkstatt-Vorsitzender Hartmut Engelkemeier präsentieren die ersten Exemplare. Zu haben ist der Katalog an beiden Ausstellungstagen. (jam)

Volker Hauer

Plettenberg. "Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder sondern macht sichtbar": Mit dieser Festellung leitet Werkstatt-Vorstandsmitglied Volker Hauer sein Vorwort in dem Katalog ein, der gestern begleitend zu der Stipendiaten-Ausstellung im Rathaus und in der Sparkasse erschienen ist. Wir geben den Beitrag in Auszügen wieder. Nun, mit dieser Dokumentation gibt die Werkstatt 20 Jahre "sichtbare Kunst" zu Papier. Zwanzig Jahre Stipendium in Plettenberg ist eine Markierung im kulturellen Leben Plettenbergs, die es sich zu betrachten lohnt. Weniger jedoch in Form einer Rückschau als vielmehr einer Aussicht ins Gestern. 20 Jahre Stipendium bedeutet auch zwanzig verschiedene Künstler mit zwanzig verschiedenen Ansichten über Kunst, Arbeitsweisen und Charaktere.

Jeder Künstler hat auf seine ganz spezifische Art und Weise den Verein, die Stadt, das Haus und das öffentliche Leben geprägt. Das jetzige Stipendiatenhaus hat die meisten Künstler in der Geschichte der Werkstatt beherbergt. Das Atelier hat das Aroma der Kunst inhaliert, es hat eine Aura bekommen. Gesellschaftlich hat sich in 20 Jahren ebenfalls vieles gewandelt. 1989 fiel die Mauer, der Euro wurde eingeführt, die Globalisierung wurde vollzogen, wie auch Kriege und Auseinandersetzungen innerhalb Europas. Und was geschah in der Kunst?

Auch dort gab und gibt es einen Wandel, neue Trends und Strömungen. Galt doch früher der Satz für den Prozess von Kunst: Auge, Geist, Hand, um dann das Ergebnis z.B. mittels Farbe und Leinwand umzusetzen. Heute in der globalisierten Welt gibt zumindest tendenziös Material, Technik, Zweck oder Anwendung den Ton an. Das bedeutet, dass die Gegenwartskunst immer ästhetischer wird, jedoch hierbei die kognitiven, programmatischen Themen der Zeit zum Teil gänzlich auf der Strecke bleiben. Die Kunstwerke evozieren den Betrachter nur noch über die Ästhetisierung. Noch vor 30 Jahren, ausgelöst durch die 68er-Bewegung, war es genau entgegengesetzt. Es hat sich ein Wandel vom dionysischen hin zum apollinischen Bild vollzogen, man kann sagen: früher waren die Bildinhalte subkulturell überhöht, das Äußerliche war eher spröde.

Die Museen waren die Entlastung für die Politik. Brisante politische Themen der Gesellschaft wurden transformiert in die Form der Kunst. Nun, das liegt wahrscheinlich auch an der beschleunigten Zeit. Heute bringen die Medien Berichte in Real-Zeit (Stichwort: 11. September). Das ist nicht Information sondern Aktion.

Globale Ikonisierung von Banalitäten
Die beschleunigte Welt macht es einem Betrachter vor einem Bild fast unmöglich, das Apperzeptionelle in der Kunst zu entdecken, also einen bewussten Sinneseindruck zu generieren. Diese Adaptionsprobleme zwischen Kunst, Künstler und Betrachter sind das Dilemma unserer Zeit. Die Erkenntnis im Museum und in der Kunst ist ein zentrales Problem. Ein übersteigerter Ding-Wahn und irreale Reliktanfälle beim Konsumrausch führen zu einer globalen Ikonisierung von Banalitäten.

Bleibt allein die Frage in der Kunst auch für uns in Plettenberg, da wir Künstler aus Ost und West haben und hatten: Wo bleibt der Mensch in der Kunst? Diese Frage ist seit dem Wegfall des Eisernen Vorhangs elementar, denn es droht eine Verwestlichung der gesamten Kunst. (...) Entscheidend ist: alle Stipendiaten haben versucht, etwas Eigenes, Originäres zu schaffen. Kein Künstler hat eine Methode entwickelt. Denn Methode heißt, sein Alterswerk im Blick zu haben, heißt Routine abzuspulen, nicht mehr zu suchen, heißt Erfindung ohne Geburtswehen, wie der Architekt Konrad Wohlhage meint. Bei uns in der Werkstatt ist durch das Stipendium das Experiment möglich, nicht das Rezept.


Quelle: WR Plettenberg vom 24.05.2005

Bunte Stationen der Erinnerung
20 Jahre Stipendium der Werkstatt Plettenberg


"Der Engeltraum" heißt der Titel dieses auf Stoff gemalten Werkes von Frauke Seemann. (WR-Repros)

Plettenberg. (jam) 20 Jahre Stipendium des Kunstfördervereins Werkstatt Plettenberg - das ist Anlass für zwei Ausstellungen mit aktuellen Arbeiten der bisherigen Stipendiaten. Unter dem Titel "Ausblick ins Gestern" macht der Kunstförderverein neugierig und lädt ein in den Ratssaal sowie die Galerie der Sparkasse ein, wo Arbeiten fast aller 23 bisherigen Stipendiaten zu sehen sein werden.
Die Eröffnung durch Bürgermeister Klaus Müller und Werkstatt-Vorsitzenden Hartmut Engelkemeier findet am Freitag, 27. Mai, 19 Uhr, im Saal des Rathauses statt; begleitet von der Musik der Gruppe Reflex. Anschließend wird im Stipendiatenhaus gefeiert. Am Samstag, 28. Mai, 12 Uhr, wird die Ausstellung der Werke in der Sparkasse eröffnet. Hier spricht Volker Hauer, Vorstandsmitglied der Werkstatt Plettenberg.

Die WR greift ins Archiv und lässt die Stipendiaten, die zum Teil bleibende Verbindungen in die Vier-Täler-Stadt geknüpft haben, in einer kleine Serie Revue passieren.

Frank Thomas Gerdes war Stipendiat des Jahres 1991. Der 31-jährige gebürtige Leipziger studierte zunächst Musik, studierte an der Hochschule für Graphik und Buchkunst. Er entwickelte seinen eigenen Stil, seine Motive sind hauptsächlich Situationen aus dem Leben seiner Mitmenschen. Der Finanzen wegen arbeitete er als in Nebenjobs. In Plettenberg, sein erster West-Aufenthalt, galt Gerdes Kritik dem westlichen Lebensstil und dem Kunst-Markt, aber auch Überbetonung des Autoverkehrs. Seine Bilder zeigen die elementare Verbundenheit mit seiner Umgebung, die Natur zeigt sich als wichtigste Inspirationsquelle und größter Impulsgeber in direkter und indirekter Form. In Düsseldorf zeichnete er eine Woche lang bei den Roma, die unter einer Brücke zelteten. Frank Thomas Gerdes, der auch Gedichte schreibt und musiziert, sieht sich als Arbeiter, will niemals für den Markt malen und sich mit Ungefährem zufrieden geben.

Ärger um Stipendidat ohne Residenzpflicht
Matthias Jähnke war Stipendiat des Jahres 1992. Fünf Künstlerinnen und Künstler protestiertendagegen, dass ein sechster Bewerber als Stipendiat angenommen wurde, ohne Bilder ausgestellt zu haben. Erst Tage danach hätte man davon erfahren. Das Stipendium wäre abweichend von den Ausschreibungsbedingungen vergeben worden. Dazu die Werkstatt: Jähnke gehörte schon im Vorjahr zum engeren Bewerber-Kreis, wäre aber diesmal nicht eingeladen worden, weil er damals schon seine Bilder gezeigt hätte. Weil seine Zustimmung noch nicht vorlag, hätte man die Entscheidung zur Ausstellungseröffnung nicht bekannt geben können. Jähnke studierte Malerei und Grafik und machte 1989 sein Diplom. Er malt mit kräftigen Farben signalhafte, flächige Bilder. Seine Figuren und Formen verfestigen sich, werden vor allem in Umrissen wahrgenommen. Sie stehen für ein fragiles Befinden von Mensch und Tier. Die Farben werden mehrmals aufgetragen, bis lebendige leuchtende kräftige Flächen entstehen. Die Druckgrafiken sind Unikate. Oft wird der Untergrund des Blattes bemalt, dann die Linoldruckplatte draufgedruckt. Übrigens bestand, ganz unüblich, für diesen Stipendiaten keine Residenzpflicht. Nur zur Plettenberger Woche, zur eigenen Ausstellung und zur Ausgabe der Jahresgabe war er da.

Rong Ren war Stipendiat des Jahres 1993. "Etwas laut, aber hochinteressant" fanden die Gäste der Ausstellung die Wand, die der Künstler auf in der Tradition seines Geburtslandes China in Papierschnitt-Technik gestaltete. Rong Ren wurde 1960 in Nanjing geboren, studierte an der Kunstakademie und übersiedelte dann in die Bundesrepublik. In München studierte er Freien Malerei. 1990 wurde er deutscher Staatsbürger, studierte an der Kunstakademie Düsseldorf. Das neue Domizil hinter der Christuskirche dekorierte er mit Augen an den Wänden und Scherenschnitten an den Fenstern. Rong Ren suchte stets den Kontakt zur Öffentlichkeit, bei der Plettenberger Woche portraitierte er Besucher. Während seines Stipendiates hatte der Künstler Ausstellungen in ganz Deutschland und dem nahen Ausland. Den Kontakt zur modernen Kunst in China hält er aufrecht: er arbeitet als Europa-Korrespondent für eine Zeitung in Hongkong und für das Artists Magazin in Taiwan.

Farbenfrohes Tagebuch der Emotionen
Frauke Seemann war Stipendiatin des Jahres 1994. Sie war Regieassistentin am Schlosstheater Moers, studierte Ethnologie und Kunst in Berlin, dann für das Lehrfach in Flensburg. Seit 1992 lebt und arbeitet sie als Freie Künstlerin in Köln am Rhein. Sie bekam mehrere Stipendien. Ihre Arbeiten befinden sich in mehreren privaten und öffentlichen Sammlungen. "Mich sprechen Frauke Seemanns Bilder besonders an, weil sie so farbenfroh und so kraftvoll sind. Diese Arbeiten wirken auf mich wie ein "emotionales Tagebuch", wie Momentaufnahmen von Gefühlen und wie eine ganz spontane, ursprüngliche, ja, kindliche Sprache", so die Autorin Anja Sirkka Mecklenburg.

Rupert Eising war Stipendiat des Jahres 1995. Der Künstler studierte in Stuttgart.und Düsseldorf Malerei. Er zeichnet meist in Sepia-, Kreide-, rötel- und Kohle-Technik. Er setzt sich mit einer Befragung des Mediums Zeichnung und Malerei im Sinne radikaler Ausdrucksmittel bildlichen Denkens auseinander. Seine Motive entnimmt er der Natur oder Architektur. Seine Werke erscheinen immer wie eine Ausschnittvergrößerung aus einer Totalen. Platz. Leuchtende Farbflächen werden übereinander geschichtet, ohne dass dabei eine dunklere Farbe eine hellere ganz verdeckt. Eising fühlt sich Malern wie Vermeer oder Seghers nahe, den Meistern des Lichts. Eisings Bilder wollen unterhalten, Vergnügen, Selbstgespräch sein.


Quelle: WR Plettenberg vom 20.05.2005

"Kunstförderung kein Ort
eitler Selbstdarstellung"

20 Jahre Stipendium der Werkstatt Plettenberg

Von Hartmut Engelkemeier
Das Plettenberg-Stipendium, wie es von den Bewerbern meist genannt wird, hat sich in den 20 Jahrgängen noch nicht etabliert. Es ist noch im Werden befindlich. Das ist ein Glücksfall, denn man ist noch auf der Suche und kann sich noch die Freiheit nehmen, Neues auszuprobieren. Die Verantwortlichen des Fördervereins schwanken zwischen der Zufriedenheit mit dem Erreichten und einem Versuch, die Qualität durch Professionalisierung zu steigern. Für beides gibt es Argumente und Argumentatoren.

Man muss sich zunächst vergegenwärtigen, in welchem Umfeld das Plettenberg-Stipendium stattfindet. Es ist in einer kleinen Provinzstadt mit bescheidenen Traditionen in der Kunstförderung verortet. Die Vereinsgründung ergab sich aus einer gewissen Euphorie Anfang der 1980er Jahre, weniger aus einer gewachsenen Tradition. Bedingt durch die starken wirtschaftlichen Außenbeziehungen der Industrie der Stadt gab es genügend Menschen, die sich der doch fremden Welt der Kunst widmeten. Aber es bleibt dabei: Plettenberg ist ein schwieriges Pflaster für Kunstförderung. Es kann nicht mit den etablierten Städten und Institutionen konkurrieren, weder in personeller noch in finanzieller noch in kultureller Hinsicht. In einer Provinzstadt besteht dann die Gefahr der Verniedlichung, des Sich-Einrichtens in den Gegebenheiten. In einer Provinzstadt macht man eben Provinz-Kunst. Ist es so gekommen?

Es gab immer wieder Versuche, den Verein ins Fahrwasser des Seichten abdriften zu lassen, den bequemen Weg der Gefälligkeit und der Akzeptanz durch breite Kreise der Öffentlichkeit zu gehen. Es war aber auch immer klar, dass die Werkstatt ihren Kurs selbst bestimmen sollte. Hierin lag von Anfang an die riesengroße Chance: einen Freiraum nutzen zu können. Davon haben die Verantwortlichen Gebrauch gemacht, indem sie die Voraussetzung für die Bewerbung des Stipendiums an den Abschluss an einer deutschen Kunsthochschule knüpften. Damit war eine Meßlatte in die Kunstförderung eingezogen, die ein Abfallen ins Bodenlose verhinderte.

Konflikt zwischen Umfeld und Ambition
Von Anfang an gab es den Konflikt zwischen dem einfachen Umfeld und den Ambitionen der Bewerber. Die Stadt erschien unattraktiv für junge Kunsthochschul-Absolventen, die ihre Nasen lieber in den Wind der internationalen Trends als in den Nebel der Südsauerländer Gebirgstäler hielten. Wir erlebten Jahrgänge, in denen es wenige Bewerbungen gab oder in denen das Stipendium u.a. aus den Gründen der scheinbaren Unattraktivität des Umfeldes mäßig erfolgreich war oder sogar scheiterte. Diese Probleme führten dazu, dass, nachdem ein Jahrgang ohne Anwesenheit stattfand, man ernsthaft darüber diskutierte, die Anwesenheitspflicht der Stipendiaten abzuschaffen. Es ist aber doch nicht dazu gekommen - glücklicherweise.

Rechtzeitig erkannten die Verantwortlichen, dass der anscheinende Makel der Stadt eigentlich eine Chance sein konnte. Die starke Reibung zwischen Erwartungen und Gegebenheiten sollte die Stipendiaten dazu bewegen, ihre Auseinandersetzung mit dem Ort zu vertiefen. Man erkannte, dass die Einfachheit der personellen Begleitung auch eine Chance sein konnte. Es musste keine Distanz geben zwischen einer etablierten Kulturbürokratie und den Stipendiaten. Und vor allem - die Verantwortlichen mussten niemandem etwas beweisen, was ihre Kompetenzen anbetraf, am wenigsten den Stipendiaten. So konnten sie - wenn sie diese Chance erkannten - frei von Spiegelfechtereien den Freiraum nutzen, der da war.

Impulse für die Stadt Plettenberg
Das Fehlen des aus den großen Städten bekannten Publikums und Milieus kann auch als Chance gesehen werden. Die Kunstförderung ist in Plettenberg kein Ort eitler Selbstdarstellung und inszenierter Kunst-Events. Das was hier in bescheidenem Maße passiert, ist ehrlich bis zur Amateurhaftigkeit. Es lebt vom persönlichen Einsatz vieler Mitglieder. Dieser Einsatz kann ganz unerwarteten Ertrag bescheren - wie geschehen - er kann auch im Nichts verpuffen. Es ist eben immer ein Risiko, auf das man sich einlassen muss. Rückblickend betrachtet, lohnt es sich aber ganz gewiss für die Beteiligten, sich für die Kunst und für die Künstler einzusetzen. Sie ernten immer menschliche Begegnungen und unvergessliche Erlebnisse. Das ist eine ganze Menge und verdichtet sich über die Jahre zu einem beachtlichen sozialen Netzwerk. Dieses beweisen die leicht wachsenden Mitgliederzahlen des Vereins ebenso wie die zunehmende Anzahl von Besuchern der Ausstellungsvernissagen. Es ist inzwischen ein Publikum gewachsen, das sich für das Ausgestellte wirklich ernsthaft interessiert. Es besteht auch für die Zukunft Grund zur Hoffnung, dass das Publikum die Ausstellungen der Werkstatt nicht im Stich lassen wird.

Für die Stadt Plettenberg bietet der Vereins die Chance, Impulse zu erhalten, indem junge Künstler hier leben und arbeiten. Je nach ihrem Temperament nehmen sie Teil am gesellschaftlichen Leben und bereichern es. Das honoriert die Stadt. Seit Jahren ist es Tradition, dass sie jeweils ein Bild eines Stipendiaten ankauft. Im Interesse der Kunstförderung ist es wichtig, dass die Stadt diese Tradition beibehält. Es wäre wünschenswert, wenn weitere Aktivitäten auch finanzieller Art hinzukämen. Das betrifft die Unterstützung von Ausstellungsprojekten ebenso wie die noch professionellere Präsentation der angekauften Arbeiten. Auch in ihrer Selbstdarstellung weist die Stadt auf die Kunstförderung hin. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass Städte dieser Größenordnung im Fokus der Aufmerksamkeit junger Kunsthochschulabsolventen stehen. Plettenberg kann seinen Namen und damit sein Image als Ort der Kunstförderung anreichern. Da die Stadt über wenig etablierte Kunst verfügt, weder im öffentlichen noch im privaten Raum, haben hier gerade junge Künstler die Chance, Aufmerksamkeit zu bekommen. Auch die örtliche Wirtschaft könnte davon in ihrer Selbstdarstellung profitieren.


Neugier auf Ausblick ins Gestern
20.05.2005 / LOKALAUSGABE / PLETTENBERG

Plettenberg. (jam/lis) 20 Jahre Stipendium des Kunstfördervereins Werkstatt Plettenberg - das ist Anlass für zwei Ausstellungen mit aktuellen Arbeiten der bisherigen Stipendiaten. Unter dem Titel "Ausblick ins Gestern" macht der Kunstförderverein neugierig und lädt ein in den Ratssaal sowie die Galerie der Sparkasse ein, wo Arbeiten fast aller 23 bisherigen Stipendiaten zu sehen sein werden. Die Eröffnung durch Bürgermeister Klaus Müller und Werkstatt-Vorsitzenden Hartmut Engelkemeier findet am Freitag, 27. Mai, 19 Uhr, im Saal des Rathauses statt; begleitet von der Musik der Gruppe Reflex. Anschließend wird im Stipendiatenhaus gefeiert. Am Samstag, 28. Mai, 12 Uhr, wird die Ausstellung der Werke in der Sparkasse eröffnet. Hier spricht Volker Hauer, Vorstandsmitglied der Werkstatt.

"20 Jahre Stipendium sind ein Grund für eine Zwischenbilanz. Es lohnt sich, das Projekt der Förderung junger bildender Künstler weiterzuführen", schreibt Werkstatt-Vorsitzender Hartmut Engelkemeier im Vorwort des Katalogs, der zu den Ausstellungen herausgegeben wird. Die Erträge, meint Engelkemeeier, seien schon bisher höher als der Einsatz war. "Aber vieles kann besser gemacht werden, ohne die Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit des Projekts aufs Spiel zu setzen. Wenn viele die Idee der Kunstförderung weiter führen, kann es gelingen, dem Verein ein noch ausgeprägteres Profil zu geben. Das wünschen wir dem Verein und den Stipendiaten - Ehemaligen und Zukünftigen", betont der Vorsitzende (siehe auch nebenstehenden Beitrag). "Dass es in Plettenberg gelungen ist, über einen Zeitraum von nun schon 20 Jahren das Interesse an der bildenden Kunst wach zu halten, ihren Entwicklngslinien zuz folgen, bei der Stipendienvergabe außerkünstlerische Kriterien nicht über die künstlerischen zu stellen, das erfüllt mich mit Freude und einem gewissen Stolz" schreibt Helmi Schwarz, die fühere Werkstatt-Vorsitzende in ihrem Beitrag für den Katalog.

Die WR greift ins Archiv und lässt die Stipendiaten, die zum Teil bleibende Verbindungen in die Vier-Täler-Stadt geknüpft haben, in einer kleine Serie Revue passieren.

MAF (Martha Angela Felicitas) Räderscheidt war 1984 die erste Stipendiatin der Werkstatt Plettenberg. Mit ihr fand man einen Kompromiss - einmal eine jungen Künstlerin zu fördern, andererseits sich selbst durch einen relativ bekannten Namen in der Kunstszene zu profilieren. Im Vorfeld war diskutiert worden, ob die schon etablierte Räderscheidt die Förderung überhaupt benötigte. Ausschlag gab dann doch die Qualität ihrer Bilder; drei andere Bewerberinnen und Bewerber blieben außen vor. Räderscheidt war in Plettenberg keine Unbekannte: Sie hatte 1982 zusammen mit dem Plettenberger Plastiker Peter Klassen ausgestellt. Die damals 32-jährige Künstlerin, Meisterschülerin von Professorin Kohlscheen-Richter, konnte schon auf etliche Ausstellungen zurück blicken und hielt sich studienhalber schon in Wien, Mailand und Venedig auf.

Michael Kohnert wurde Stipendiat des Jahres 1985/86. Der 30-jährige Bochumer Foto-Realist konnte das renovierungsbedürftige Haus an der Neuen Straße beziehen, das als Objekt der Landesentwicklungsgesellschaft eineinhalb Jahre leer gestanden hatte und von den Werkstatt-Mitgliedern in nur zwei Monaten Arbeit wohnlich hergerichtet worden war. Trotz seiner Versprechungen zeigte sich Michael Kohnert nur selten in Plettenberg. Schließlich wurde das Stipendium vorzeitig gekündigt, ein neuer Stipendiat gesucht. Fazit: Der Ausschreibungsmodus wurde geändert: Die Künstler haben künftig Anwesenheitspflicht.

Andrea Küster wurde Stipendiatin des Jahres 1987/88. Die aus Kiel stammende 31-jährige Künstlerin studierte an der Kunstakademie Düsseldorf und war 1986 Stipendiatin des Landes Nordrhein-Westfalen; sie lebte im Dorf Ringenberg bei Wesel an der holländischen Grenze. Das Innen und Außen, Auseinandernehmen und Zusammensetzen bestimmen ihre heftigen und bunten Bilder, Plastiken und Zeichnungen fortwährend. Wichtig und inspirierend ist für die Künstlerin ihr Arbeitsraum: Auch das Plettenberger verwinkelte Haus, wenn auch für künstlerische Zwecke ungeeignet, gefiel ihr, weil es von der Bauweise der Landschaft entspreche. Im August 1988 kehrte Andrea Küster wieder nach Plettenberg zurück, um einige Aufträge auszuführen. Sie fand ein ideales Atelier in der Breddeschule, die noch auf Umsiedler wartete.

Jürgen Jansen war Stipendiat des Jahres 1988. Bemerkenswert: Der Künstler versuchte sich erfolgreich als Lehrer und bewies Nervenstärke bei den I-Dötzchen der Grundschule Holthausen. Ein Pizza-Essen in der Klasse zum Schluss begeisterte die Erstklässler. Zeichnen ist für den Künstler die direkteste Übersetzung von Gedanken, doch auch die Ölbilder zeigen, z. B. bei einer Ausstellung in der alten Ohler Schule zur Halbzeit, dass es durchaus möglich ist, konkrete Gegenstände und abstrahierende Elemente miteinander zu verbinden. Hier kommen auch Laien auf ihre Kosten. Jansen studierte Kunst an der Essener Folkwangschule, zuletzt an der Kunstakademie Karlsruhe. Wie Andrea Küster hatte Jansen in seinem Kunst-Haus ein Raum-Problem. Jansen suchte den Kontakt, er wollte nicht für die Dachkammer malen.

Doris Francis Mayr war Stipendiatin des Jahres 1989. Bei der Abschiedsfeier im Cafe Ochtendung überreichte die Künstlerin eine Radierung als Jahresgabe und mahnte, das Fördergeld von 750 auf 900 Mark im Monat anzuheben. Die Stipendiatin wurde 1959 in Detroit in den USA geboren, kam 1968 nach Deutschland und beendete 1987 ihr Kunststudium. Sie war Schülerin von Fujio Akai , Ulrike Rosenbach und Professor Udo Scheel. Nach einem halbjährigen Abstecher in die Vereinigten Staaten wohnte Doris F. Mayr seit 1988 in Münster. Die Künstlerin wollte nach ihrer Plettenberger Zeit ein gemeinsames Atelier mit einer befreundeten Malerin in Köln unterhalten.

Wilfried Köhn wurde Stipendiat des Jahres 1990. Damit wurde die Frage, wie es denn mit der Kunst in der DDR aussähe, jedenfalls teilweise beantwortet. Der Fotograf aus Ostberlin konnte sich gegen den Maler Achim Bertenburg als Favorit durchsetzen. Der Gedanke, einmal einen jungen Künstler einer ganz anderen Kunstrichtung zu unterstützen, fand schließlich doch mehr Gefallen. Köhn engagierte sich nachhaltig in Plettenberg, künstlerisch und menschlich und hat die Vier-Täler-Stadt immer wieder besucht, der freundschaftlichen Kontakte wegen und oder um zu arbeiten - unter anderem als fotografierender Mitarbeiter der WR-Redaktion. Es zeigte sich, dass der 34-jährige gelernte Kraftfahrzeugschlosser, der fünf Jahre Fotografie am der Hochschule für Graphik und Buchkunst in Leipzig studierte, ein besonders guter Industrie-Fotograf ist. Köhn versucht, Realität und Sachlichkeit zu vermitteln, nutzt aber auch das Stilmittel der Entfremdung - und hat einen Hang zum Makaberen. Winfried Köhn war ein volksnaher Stipendiat, der schnell Kontakte zu den Menschen und viele Motive fand, köstlich zum Beispiel seine Schützen-Bilder.


Ausstellung: 20 Jahre Stipendium der Werkstatt
17.05.2005

Plettenberg. Zum 20. Mal hat sich im Jahr 2004 die Vergabe eines Stipendiums durch den Kunstförderverein Werkstatt Plettenberg gejährt. Unter dem Titel "Ausblick ins Gestern" lädt die Werkstatt zu Ausstellungen im Ratssaal und in der Galerie der Sparkasse ein, in der Arbeiten fast aller bisherigen Stipendiaten zu sehen sein werden. Die Eröffnung durch Bürgermeister Klaus Müller und Werkstatt-Vorsitzenden Hartmut Engelkemeier findet am Freitag, 27. Mai, im Saal des Rathauses statt; begleitet von der Musik der Gruppe Reflex.
Am Samstag, 28. Mai, 12 Uhr, wird die Ausstellung der Werke in der Sparkasse eröffnet. Hier spricht Volker Hauer, Vorstandsmitglied der Werkstatt. Anika Schulte (E-Piano) und Stephan Bülte (Trompete) unterhalten die Gäste.


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