Quelle: Süderländer Tageblatt vom 20.10.1969
100 Jahre Vaterlandsliebe und Kameradschaftsgeist
Ohle beging das große Kyffhäuser-Jubiläum - Große Jubelfeier im
vollbesetzten Gemeindesaal - Anteilnahme von nah und fern -
Hohe Auszeichnung für den Vorsitzenden Walter Pfeiffer
Plettenberg-Ohle. Die Kyffhäuser-Kameradschaft Ohle konnte am Samstag
unter lebhafter Anteilnahme der heimischen Bevölkerung ihr 100-jähriges
Bestehen feiern. Eine würdige Feierstunde an dem von Prof. Arno Breker
geschaffenen Ohler Ehrenmal ging der Jubelfeier im vollbesetzten Ohler
Gemeindesaal voraus.
Die Dunkelheit hatte sich am Samstag schon über das Heimatdorf gesenkt,
als sich die Mitglieder der nunmehr einhundertjährigen Ohler Kyffhäuser-
Kameradschaft vor dem Gasthof "Zur Post" versammelten und in geschlossenem
Zuge zu dem nahegelegenen Ehrenmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges
marschierten. Das eindrucksvolle Mahnmal, vor dem die Fahnenträger
Aufstellung nahmen, wurde von lodernden Fackeln erhellt. Die kurze, aber
würdige Feierstunde wurde von Darbietungen des Ohler Kyffhäuser-Spielmannszuges umrahmt.
Der Bezirks-Verbandsvorsitzende des Kyffhäuserverbandes, Recksiek (Bielefeld),
würdigte in ernsten Worten das Opfer der gefallenen Kameraden, die im
Krieg ihr Letztes für ihr Vaterland hingegeben haben, gedachte jedoch
gleichzeitig auch der Kriegsopfer aller anderen Völker. Sein Gedenken
mündete in dem Appell an die Lebenden, alles zu tun, um eine Wiedeholung
solcher Tragödien zu verhindern. Im Anschluss an diese Gedenkrede legte
der Vorsitzende der Ohler Kyffhäuser-Kameradschaft Walter Pfeiffer einen
großen Kranz am Ehrenmal nieder.
Jubelfeier im Gemeindesaal
Als Vertreter der Stadt Plettenberg konnte der Vorsitzende Bürgermeister
Dr. Baberg und Stadtdirektor Lenjer begrüßen. Auch den Abordnungen der
Ohler Vereine, der Marinekameradschaft Plettenberg und des Schützenvereins
Eiringhausen galt ein herzlicher Willkommensgruß.
Walter Pfeiffer lenkte die Gedanken zurück zu jenem 27. Juni 1869, an
dem sich eine Versammlung von Ohler Reservisten und Landwehrmännern
einmütig für die Gründung eines Landwehrvereins entschied. Nach der
Gründung zählte der junge Landwehrverein, wie Herr Pfeiffer weiter
berichtete, 37 Aktive und 34 Ehrenmitglieder. Im Jahre 1903 wurde ein
Tambourkorps gegründet, und schon damals kamen auch Herscheider
Kameraden nach Ohle zum Stiftungsfest.
Nach dem ersten Weltkrieg wurde eine Kyffhäuser-Jugend in Ohle aufgebaut,
deren Leistungen weithin Beachtung fanden. Nach 1933 musste die Kameradschaft
ihren Namen ändern und 1945 wurde sie durch die Besatzungsmächte zunächst
aufgelöst. Nach Aufhebung dieses Verbotes konnte 1954 am gleichen Tag, an
dem das neue Ehrenmal eingeweiht wurde, die Kyffhäuser-Kameradschaft zu
neuem Leben erweckt werden. Mehr als 250 Kameraden fanden sich ohne Zögern
damals unter der alten Kyffhäuserfahne zusammen.
Gemeinsame Lebensauffassung
Die alten Soldaten, sagte der Redner, können zwar stolz sein auf unsere
soldatischen Leistungen, doch der deutsche Soldat habe den Krieg nicht gewollt.
Er sei in beiden Weltkriegen weit überfordert worden und trage keine Schuld
an ihrem Verlust. Der Geist der Vaterlandsliebe und der Opferbereitschaft
habe das Opfer unserer Soldaten sinnvoll gemacht. Mit reinem Herzen hätten
sie geglaubt, für eine gute Sache zu kämpfen. Wenn manche heute meinten, es
sei eine schlechte Sache gewesen, so mache dies das Opfer nur tragischer,
aber nicht geringer.
Es habe sich auch heute nichts geändert an der Aufgabe,
den soldatischen Gedanken im Interesse von Volk und Vaterland zu erhalten.
Nach wie vor brauchten wir Opferbereitschaft, um Frieden und Freiheit, um
Staat und Demokratie in ihren Grundfesten zu schützen und zu erhalten. Es
sei das
Grüße und Glückwünsche der Stadt Plettenberg brachte dann Bürgermeister Dr.
Baberg zum Ausdruck. Es sei ihm bewusst, dass die Kyffhäuserkameradschaft,
einer der ältesten Vereine Plettenbergs, keine Verherrlichung des Krieges
betreibe und keine Brutstätte des Militarismus sei, sondern eine Pflegestätte
echter soldatischen Tugenden, die auch heute noch ihre Berechtigung besäßen.
Diese Tugenden, ins Zivilleben übertragen, könnten echtem Bürgersinn nur
förderlich sein, und das wisse auch unsere Stadt zu schätzen.
An diesem Jubiläumstage verdiene eine Persönlichkeit besonderen Dank,
nämlich Herr Walter Pfeiffer, der einzige lebende Ehrenbürger unserer
Stadt, der seit nunmehr 48 Jahren an der Spitze der Kyffhäuserkameradschaft
stehe. Dieser Tag sei für ihn einer der vielen Höhepunkte eines an
Höhepunkten reichen Lebens. Dr. Baberg sprach den Wunsch aus, dass Herr
Pfeiffer in zwei Jahren auch sein fünfzigjähriges Vorsitzenden-Jubiläum
noch in guter Gesundheit feiern könne. Der Kyffhäuserkameradschaft Ohle
wünschte er gleichfalls alles Gute zum Beginn ihres zweiten Lebensjahrhunderts.
Namens der Ohler Dorfgemeinschaft
Der Kyffhäuser-Kreisverbandsvorsitzende Dr. Dunkel (Herscheid) brachte alle
guten Wünsche des Kyffhäuser-Kreisverbandes Lüdenscheid zum Ausdruck, verbunden
mit den Glückwünschen der Kyffhäuserkameradschaft Herscheid, der Marinekameradschaft
Plettenberg sowie der Bundeswehr-Reservistenvereinigungen Herscheid und
Plettenberg. Der Kreisverband sei immer stolz gewesen auf die Ohler, die stets
einen vorbildlichen Zusammenhalt gehabt hätten und es auch von je her verstanden
hätten, schöne Feste in kameradschaftlichem Geiste zu feiern.
Danach unternahm Herr Ewald Baberg einen unterhaltsamen
Die Ohler Landwehrkameraden knüpften bald auch mit den benachbarten
Landwehrvereinen in Plettenberg, Holthausen, Oesterau und Herscheid Beziehungen
an. Gemeinsam fuhren sie nach Düsseldorf, um hier Kaiser Wilhelm I. bei einem
Besuch zu huldigen. Herr Baberg ging auf die große Mitgliederaufnahme von
1902 ein, die am letzten Donnerstag im S.T. abgebildet worden ist. Die
Aufnahme sei damals am Bahndamm erfolgt, wo heute das Haus von Karl Knips
steht. Die Namen habe er dank der Unterstützung von Herrn Karl Hüser noch
ermitteln können. Mit vielen der Abgebildeten verbänden ihn noch persönliche
Erinnerungen, so mit seinem Nachbarn Wilhelm Ebberg, der schon 1864 gegen
Dänemark mitgekämpft habe und jenen Pionier Klinke noch selbst gekannt habe,
der damals durch Anzünden seines Pulversackes eine Bresche in die Pallisade
des Gegners schlug und sich damit selbst opferte.
Er erwähnte auch Fritz Biermann, genannt "Füsilier", der bei einem berühmten
Füsilier-Regiment in Hannover gedient hatte, das noch den Ärmelstreifen
"Gibraltar" trug, weil es einst für den König von England (und Hannover)
den Felsen von Gibraltar erstürmt hatte. Weiter plauderte Ewald Baberg vom
Beginn des Ersten Weltkrieges sowie von den zwanziger Jahren, als in Ohle
Generale des Ersten Weltkrieges von großen Taten berichteten, so General
von Lettow-Vorbeck über den Kampf des deutschen Afrikakorps, das sich mit
seinen Askaris noch bis 14 Tage nach dem Waffenstillstand von 1918 gehalten
hatte.
Weitere Erlebnisberichte galten damals der Tannenbergschlacht (Gen. v. Francois),
der Skagerrakschlacht (Kptl. Bockhammer) und den Schlachten der Armee
Mackensen (Gen. Graf v. Papenheim). Ewald Baberg schloss mit dem Wunsch,
dass beim nächsten Jubiläum nicht mehr Stacheldraht und Minenfelder das
deutsche Vaterland trennen würden.
Auszeichnung verdienter Kameraden
Die Bundesehrennadel für 40-jährige Mitgliedschaft wurde verliehen an
Fedor Bittner, Heinrich vom Hofe, Johann Hohaus, Paul Hosse, Karl Hüser,
Franz Kaufhold, Josef Mause, Anton Müller, Paul Müller, Heinrich Nagel,
Fritz Poenisch, Alois Richter, Friedrich Schumacher, Heinrich Schulte
und Paul Wolff.
Mit der Bundesehrennadel für 60-jährige Mitgliedschaft konnten Wilhem
Frohne und Otto Vieregge ausgezeichnet werden.
Die höchste Ehrung, die Verdienstauszeichnung des Kyffhäuser-Landesverbandes
Westfalen-Lippe, wurde im Auftrag des Landesverbandsvorstandes dem Vorsitzenden
Walter Pfeiffer zuteil. Walter Pfeiffer dankte sichtlich bewegt für die
hohe Auszeichnung, die für ihn völlig überraschend komme. Was er für die
Kameradschaft getan habe, sei nur das, was er als alter Soldat als seine
Pflicht angesehen habe.
Ein buntes Unterhaltungsprogramm unter der Gesamtleitung von Herbert Kahlke
hielt noch lange die Besucher in bester Stimmung. Die talentierten
Unterhaltungskräfte des Spielmannszuges zeigten ihr Können als Schlagersänger,
Musiker, Schauspieler, Rundfunkansager und Beleuchtungskünstler, überraschten
mit Hafenbar-Szenen, lustigen Kommiß-Burlesken und einer stimmungsvollen
Manövererinnerung "Im Feldquartier". Im ganzen eine Unterhaltungsdarbietung,
die des "Hundertjährigen" würdig war.
Ein Tanzabend mit großer Tombola bildete den Abschluss. Die flotte und
beschwingte Musik wurde ausgeführt vom Spielmannszug der Kameradschaft
unter Tambourmajor Scheepers und dem Musikverein Affeln unter Kapellmeister
Gisbert Reich.
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