Quelle: Festrede zum 100-jährigen Bestehen am ??.??.1997 von ???

100 Jahre Evangelische Frauenhilfe Plettenberg

"Keine Bange, ich werde nicht 100 Minuten brauchen, um 100 Jahre Plettenberger Frauenhilfe Revue passieren zu lassen! Aber ein paar Worte sind wohl sinnvoll, damit alle ihre Wurzeln erkennen können.
Da ist doch gleich die Frage: Gehen die Uhren heute bedeutend schneller oder wieso feierte im vergangenen Jahr die Ev. Frauenhilfe in Westfalen ihr 90-jähriges Bestehen und ein gutes Jahr später Plettenberg bereits das 100-jährige Jubiläum!

Dieser Umstand bedarf schon einer kurzen Erklärung. Als Kaiserin Auguste Viktoria im vorigen Jahrhundert die Ev. Frauenhilfe ins Leben rief, heißt das nicht, daß es vorher nichts Vergleichbares gab, sondern nur, daß die vielen bereits bestehenden Frauenvereine sich unter dem nun gemeinsamen Namen "Ev. Frauenhilfe" zu einem Verein zusammenschlossen. Das soziale Engagement, auf das es ankam, ist durch solch einen Zusammenschluß naturlich unvergleichlich effektiver.

Ganz ähnlich vollzog sich die Bildung unserer Frauenhilfe in Plettenberg.Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts bildete sich ein "Jungfrauen- und Frauen-Verein", der, einem Hauskreis ähnlich, sich in einem Privathaus bei der Familie Musewald traf. Die Gründerin, die Frau des Pfarrers Ebbinghaus, gestaltete gewöhnlich diese Treffen mit großem Engagement. Daraus wurde 1897 ein "Frauenverein", der sich nun regelmäßig jede Woche im Gemeindehaus traf.

Als dann die Initiative der Kaiserin auch die westfälischen Frauenvereine bewog, sich der "Reichsfrauenhilfe" als Provinzialverband (heute Landesverband) anzuschließen, hieß ab 1908 auch der Plettenberger "Frauenverein" künftig "Frauenhilfe". Außer dem Namen hatte sich aber nichts geändert. Ihre Aufgabe bestand wie bisher in sozialem Engagement unter dem Wort Gottes. Auch heute ist das unverändert das Anliegen der Frauenhilfe.

Im konkreten Fall aber ist der Unterschied natürlich gewaltig, wenn wir die damaligen Hilfen mit den heutigen Verhältnissen vergleichen. Wir sind heute ein staatlich organisiertes soziales Netz gewöhnt, von dem die Menschen damals noch nicht einmal träumen konnten. Sicher war auch die Nachbarschaftshilfe intensiver als heute, aber was war es auch für ein weites Feld, wenn man, um nur ein einziges Beispiel zu nennen, an kinderreiche Haushalte kranker Mütter oder Wöchnerinnen ohne finanzielles Polster in der damaligen Zeit denkt.

Doch zurück zur Plettenberger Frauenhilfe. Entsprechend der geschilderten Entwicklung feierte am 4. Juni 1947 die Plettenberger Frauenhilfe ihr 50-jähriges Bestehen, verbunden damals mit dem Jahresfest des Lenneverbandes. Sechs Mitbegründerinnen konnten damals noch ausgezeichnet werden. Neben Frau Ebbinghaus waren das Frau Stahlschmidt, Frau Voigt, Frau Heßmer, Frl. Klein und Frau Ries. Die Bedeutung der damaligen Frauenhilfe in der Nachkriegszeit läßt sich ganz gut an der Beteiligung ablesen: 500 Frauen hatten sich zum vormittäglichen Gottesdienst versammelt und feierten nachmittags in der Schützenhalle, denn das sogenannte "Vereinshaus" an der Lehmkuhler Straße war ja noch nicht so großzügig umgebaut, um so viele Menschen fassen zu können.

Da gleich Frau Pastorin Weigt-Blätgen von der Ev. Frauenhilfe von Westfalen aus Soest über die heutigen Aufgaben der Frauenhilfe referieren wird, erübrigt es sich wohl, die heute immer wieder gehörte Frage zu stellen: Was soll denn der Name "Frauenhilfe" heißen? Ist es nun Hilfe für die Frauen oder Hilfe von den Frauen? Diese Frage kann überhaupt nur heute gestellt werden, wo die Frauenhilfen in der Öffentlichkeit das Image haben, ein kaffeetrinkender Seniorenklub zu sein, der sich zusammenfindet, um der Einsamkeit zu entfliehen und sich einmal in 14 Tagen eine geistige Anregung zu holen!

Hier fehlt ein gewaltiges Stück Öffentlichkeitsarbeit, das dringend erledigt werden müßte. Im Zeitalter der Industrialisierung im vorigen Jahrhundert mit seiner massenhaften Verarmung der Bevölkerung oder in den Zeiten der beiden Weltkriege wäre diese Frage ganz sicher nicht gestellt worden. Die Aufgaben lagen ja praktisch auf der Straße und schrieen geradezu nach Hilfe. Wieviele Päckchen mögen es gewesen sein, die die Frauen ins Feld schickten. Wieviele Mütter standen in den Kriegen plötzlich alleine da mit ihren Kindern und wußten nicht mit der Arbeit in Haus, Hof und Garten fertig zu werden und waren glücklich über jeden Handgriff, der ihnen abgenommen wurde. Ganz zu schweigen von von dem Heer der Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg, das froh war über jedes Stückchen Geborgenheit - und wenn es auch nur in einer gemeinsam erlebten Advents- oder Weihnachtsfeier bestand. Die Liste ließe sich beliebig verlänger!

Wenn wir heute in den Frauenhilfen sehr viel ältere Mitglieder finden, die von Herzen gern bei einer Tasse Kaffee eine anregende Gemeinschaft genießen, so dürfen wir nicht vergessen, das genau diese in ihren jungen Jahren die oben nur bruchstückhaft beschriebene Arbeit getan haben. Vielleicht sind unter ihnen auch noch manche, die in der Hitlerzeit den Kampf als bekennende Christen gegen die "Deutschen Christen" miterlebt haben, der gerade in Plettenberg unter der mutigen Führung der unvergessenen Elise Seißenschmidt gelegentlich dramatische Formen annahm.

Die heutigen Aufgaben sind andere und verlangen eine andere Behandlung. Daß sie geringer geworden wären, ist wohl eine große Illusion, die sich sehr schnell als eine solche herausstellen würde, wenn die Ev. Frauenhilfe ihre Arbeit einstellen würde! Dies möge Gott verhüten!

Doch zurück zu unserer örtlichen Frauenhilfe aus dem Jahre 1897. Bedingt durch die Struktur unserer Stadt mit ihren vier Tälern bildeten sich sowohl im Oestertal wie im Elsetal bald eigene Frauenhilfsgruppen. Die Gruppe in der Stadtmitte leitete nach dem 2. Weltkrieg bis 1968 Pfarrer Knippschild. Als er 1968 in den Ruhestand ging, wurde die sehr große Gruppe aufgeteilt. In der Sundhelle hatte sich schon 1960 durch die Initiative von Pfarrer Oestreicher ein Frauenkreis gebildet, der sich in der Gastwirtschaft Eckes traf, um den Frauen den weiten Weg zur Stadtmitte zu ersparen. 1968 trat dieser Kreis aus organisatorischen Gründen der "Frauenhilfe" bei. So entstanden nun 1968 in der Stadtmitte drei Frauenhilfsgruppen: Die "Grüne", die "Obere Stadt" und die "Sundhelle". Schon im Jahre 1965 hatte sich im Paul-Gerhardt-Haus eine eigene Frauenhilfsgruppe unter ihrem damaligen Pfarrer Waltenberg gebildet. Heute gehört sie mit dem Eschen zusammen zur Kirchengemeinde Eiringhausen. Eine weitere Gruppe entstand 1968 in Landemert auf Initiative von Pfarrer Krön.

Wenn auch die spektakulären Aufgaben der Frauenhilfe heute von Soest aus geleistet werden: Ohne die Gemeindegruppen und ihre Beiträge, ihre Sammel- und Spendentätigkeit wäre sie in der heutigen Form wohl nicht möglich."