Quelle: WR Plettenberg vom 29.10.2005
Seit 450 Jahren für Martin Luther
Plettenberg. (HH) Mit einem Festgottesdienst erinnert die Evangelische Kirchengemeinde am Sonntag an das Jahr 1555, als Plettenbergs Christen den Lehren Martin Luthers folgten.
Das 450-jährige Bestehen nimmt die Evang. Kirchengemeinde zum Anlass am morgigen Sonntag um 16 Uhr zu einem außergewöhnlichen Festgottesdienst in die Christuskirche einzuladen. Als Prediger hat man sich mit Pfarrer Hans-Georg Filker von der Berliner Stadtmission einen Mann geholt, der in diesen Tagen zeigt, dass Glauben Sinn macht, dass die Kirche den Menschen immer noch etwas zu sagen hat, dass ihr die Menschen zulaufen, von ihr wieder Lösungen für die Probleme nicht nur des Körpers sondern auch der Seele suchen.
Im Zeiten der Finanznot durch sinkende Kirchensteuereinnahmen, der drohenden Schließung von Kindergärten, des unvermeidbaren Verkaufs von Kirchengebäuden (Beispiele Eschen, Altena) und der drohenden Reduzierung von sozialen Angeboten gerät die Erinnerung an die Zeit von vor 450 Jahren zu einem Ausflug in eine Zeit, in der den Menschen Steuern und Abgaben auferlegt wurden, die sie nicht mehr zu zahlen bereit waren.
Aus dem Widerstand gegen den Landesherrn, der nicht nur den Zehnten kassierte, sondern den Bürgern und Amtseingesessenen auch den Glauben vorgab, erwuchs die Reformation. Verfechter der neuen Lehre war in Plettenberg der Pastor Goddert Klouver (Klöver), Sohn des Plettenberger Bürgers Johannes Klouver (Siehe Lokalseite 5). Nach Lüdenscheid, Iserlohn, Altena und Valbert wurde auch Plettenberg nach Luthers Vorgaben reformiert.
Pastor Klouver polarisierte die Bürger
Plettenberg. Am Wochenende feiert die Evang. Kirchengemeinde Plettenberg ihr 450-jähriges Bestehen. Der Blick zurück belegt: Die Anfänge der Reformation im Sauerland waren nicht nur geprägt vom Glaubenskrieg, sondern es ging auch um handfeste wirtschaftliche Belange. Nachfolgend ein Blick in die Chronik der Kirchengemeinde:
"Man schrieb das Jahr 1555. Die Heuernte war einigermaßen ausgefallen, und das Getreide stand gut im Halm. Das wußten nicht nur die Ackerbürger der Stadt und die Amtseingesessenen des ganzen Plettenberger Kirchspiels, sondern ebenso gut der Amtsdroste von Plettenberg und der Junker Joist Schade.
Der Droste - vor allem aber der Junker Schade - schickten ihre Bediensteten und deren Frauen in die zehntbaren (zu besteuernden Erträge) Gärten und Felder der Bürger und Amtsleute, um die Höhe des voraussichtlichen Ertrages auszuspionieren, damit an ihrem Zehntgewinn nichts "verdunkelt" würde.
Beim Einzug des Zehnten eines Subjektes bedient
Seit uralter Zeit hatten die Bewohner des Plettenberger Kirchspiels enge Bindungen, vor allem kirchlicher Art, die vorwiegend in der Zahlung hoher Abgaben ihren Niederschlag finden. Als Hauptempfänger der Abgaben traten auf: der kurkölnische Hof, die Stifte St. Andreas und St. Severin zu Köln. Weitere Abgabenempfänger waren die Stifte Meschede und Oedingen, die Klöster Grafschaft und Oelinghausen.
Fast alle Bürgerhäuser und Höfe der Amtseingesessenen waren mit ihrem Zubehör diesen Stellen gegenüber zehntpflichtig, in den meisten Fällen aber gegenüber Köln. Und gerade das Kölner St. Andreasstift, das den größten Anteil im Plettenberger Kirchspiel hatte, bediente sich beim Einzug des Zehnten in Form von Getreide, Früchten, Vieh, Geld usw. eines solchen Subjektes wie des obengenannten Junkers Schade, der eigentlich Drost zu Kuglenberg war, über seine Frau in den Besitz des Hauses Cobbenrodt mit allen Liegenschaften und Gerechtsamen kam und sich meist nur in Plettenberg aufhielt, um die Zehntabrechnung mit den Bürgern und Amtsleuten vorzunehmen.
Und nun war wieder Erntezeit, und der Junker befand sich im alten Steinhoff, dem nach den späteren Besitzern genannten Haus Cobbenrodt.
Aber noch ein anderer Umstand hatte in diesem Jahr besonders die Gemüter in Bewegung versetzt. Luthers Reformation hatte mächtige Wellen in den südlichen Teil der Grafschaft Mark geworfen. In den märkischen Nachbarstädten Iserlohn, Lüdenscheid und Altena sowie im nahen Valbert, hatte die Reformation längst Einzug gehalten. In Herscheid und Halver regte sich seit einiger Zeit reformatorischer Geist.
Auch in Plettenberg hatte bereits ein Umbruchsprozeß eingesetzt. Verfechter der neuen Lehre war hier der Pastor Goddert Klouver (Klöver), Sohn des Plettenberger Bürgers Johannes Klouver, dessen Eifer in den letzten Jahren zu heftigem Meinungsstreit innerhalb des Rates der Stadt und zwischen Bürgermeister und Rat auf der einen und der Bürgerschaft auf der anderen Seite geführt hatte.
Frömmigkeit führte zur Gründung vieler Kapellen
Die Stellung der Geistlichen war erschwert. Die Pastorats- und Vikarieeinkünfte gingen schleppender ein. Teilweise wurden sie überhaupt verweigert. Durch Veräußerung und Tausch von kirchlichen Liegenschaften durch einen Teil der Kirchspieleingesessenen waren die Einkünfte "verdunkelt" und wesentlich geschmälert worden.
Daran hatten weder die Bemühungen der kaiserlichen Obrigkeit um die Bereinigung der Streitpunkte innerhalb der Kirche und um die Wiederherstellung der kanonischen Ordnung im allgemeinen, noch die Vorstellungen der Plettenberger Geistlichen beim damaligen herzoglichen Richter in Plettenberg etwas ändern können.
Bei der schwankenden Haltung des Landesherrn trat der Plettenberger Richter wohl nur vermittelnd, vermutlich aber nicht entscheidend ein. So hatten die Dinge ihren Lauf genommen, im eigentlichen Sinne als Angelegenheit der bürgerlichen Gemeinde.
Entscheidend für den Fortgang dieser Entwicklung in Plettenberg wurde dann im Frühherbst dieses Jahres (1755) die Haltung der Kölner Stiftsherren von St. Andreas, die beim raschen Fortschreiten der Reformation im märkischen Sauerland um den Weiterbestand ihrer umfangreichen Rechte an dem Plettenberger Zehnten bangten und geneigt waren, diese so günstig wie möglich abzutreten."
So weit die Chronik aus der Festschrift von 1955. In diesen Tagen zeigt sich, dass es erneut die Finanzen sind, die in den kommenden Jahren die Geschichte der Kirchengemeinde bestimmen.
Raym. Palsoel erster Pfarrer
450 Jahre Ev. Kirche
Plettenberg. In der Chronik der Evang. Kirchengemeinde von 1955 sind alle Pfarrer, die 400 Jahre lang im lutherischen wie im reformierten Geiste predigten, namentlich festgehalten. Ergänzt um die Pfarrer der letzten 50 Jahre hier der Überblick über 450 Jahre Verkündigung des Wortes Gottes:
Die lutherischen Pfarrer:
Die reformierten Pfarrer:
Vereinigte luth. und reformierte Gemeinde:
Von 1934-1945 halfen folgende Pastoren und Hilfsprediger: Albers, von Stockum, Nockemann, Baberg, Boche, Stockamp, Clausen, Lohmann, Becker, Stolzenwald.
In den letzten 50 Jahren waren Pfarrer:
450 Jahre im Mittelpunkt: Christuskirche
Plettenberg. Mittelpunkt der evangelischen Glaubensgemeinschaft ist seit 450 Jahren die Christuskirche in der Innenstadt und die 1422 gestiftete Böhler Kirche. Darüber hinaus gibt es seit den 1950er Jahren Kirchengebäude in Landemert (1958), Elsetal (1958), Oestertal (1954) und in der Unterstadt (1967/1994).
Hier die wichtigsten Daten zur Christuskirche: Der Hauptturm wurde 1345 erbaut auf den Mauerresten einer Vorgängerkirche; beim Stadtbrand 1725 brennt der Dachstuhl der Kirche ab, die Glocken schmelzen. 1876 bekommt der Kirchturm eine Uhr. Bis etwa 1907 war die Kirche verputzt und weiß gekälkt. Am 23.09.1920 liefert der Bochumer Verein ein neues Stahl-Geläute. Im April 1972 erhält der Turm der Christuskirche, den bis dahin ein Schieferdach zierte, ein Kupferdach.
Zur Architektur der Kirche schreibt die Kirchengemeinde:
Die Gründung der mittelalterlichen Hallenkirche St. Lambertus, die heutige Christuskirche, ist zeitlich in das zweite Viertel des 13. Jahrhunderts einzuordnen. Sie zeigt zwei hochinteressante Ansätze mittelalterlicher Architekturgestaltung: Im Westen liegt der massiv ungegliederte Westturm (Einturmlösung Westfälischer Architektur). Den Ostteil zieren sehr originell gestaltete Chorwinkeltürme und eine "Dreikonchenanlage".
Bei St. Lambertus sind neben Rundbogenfenstern andere Fensterformen, z. B. ein Vierpassfenster, zu entdecken. Der Ostchor wurde nach seiner Zerstörung im 15. Jahrhundert, Zeit der deutschen Spätgotik, neu gestaltet. Der Vierungsturm ist im 18. Jh. abgetragen worden.
Die für die Region typische Tympanongestaltung mit dem ikonographischen Programm Christi Geburt, Kreuzigung und Frauen am Grabe weist programmatisch auf den Schulbau der Hohnekirche in Soest zurück. Der Innenraum präsentiert sich mit Pfeilern und Halbsäulenvorlagen sowie "Knollenkapitelle" und kuppeligen Gratgewölben. |