Quelle: WR Plettenberg vom 22.09.2004
Schwierige Geburt: Turnverein
Von Bernd Maus
Plettenberg. Keine Frage, es war eine schwierige Geburt. Gleich zwei Sitzungen waren nötig, um vor 100 Jahren den "Turnverein Jahn Ohle" ins Leben zu rufen. Per Zeitungs-Annonce luden "mehrere Interessenten alle diejenigen, welche sich für die Gründung eines Turnvereins interessieren", für Sonntag, den 21. August 1904, "nachmittags, 5 Uhr" zu einer Besprechung beim Gastwirt Husemann ein.
Im ersten Anlauf wurden offenbar keine Nägel mit Köpfen gemacht. Zwei Wochen später erschien eine weitere Anzeige in der lokalen Presse. Am 4. September sollte ein zweites Treffen im Haus Husemann stattfinden. Carl Wolff erläuterte knapp 20 eingesessenen Ohlern auf der Versammlung Zweck und Aufgaben eines Turnvereins "im Dorfe".
Und prompt traten alle Teilnehmer dem Turnverein Jahn Ohle bei; überliefert sind Carl Wolff, Karl Alte, Fritz Junker, Emil Schmidt, Wilhelm Biermann, Fritz Hadert, Fritz Biermann, Fritz Schulte, Ernst Schmidt, Fritz Holthaus und Heinrich Gottmann. Carl Wolff wurde zum ersten Vorsitzenden gewählt.
Der Turn- und Sportverein (TuS) Jahn Ohle, wie der Jubilar heute heißt, hat eine bewegte Geschichte. Welche Schwierigkeiten der Turnverein Jahn Ohle in seinen Anfängen und beim Wiederbeginn nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Weg zu räumen hatte und mit welchem Engagement sich die Vorstände der jüngeren Vergangenheit neuen Entwicklungen geöffnet haben, um den Anforderungen an einen modernen Breitensportverein gerecht zu werden, das ist jetzt in einer ersten, eigens zum Jubiläum erscheinenden Vereinschronik zusammengefasst.
Carl Wolff, Eduard Limper, Karl Brenscheidt, nach dem Zweiten Weltkrieg Karl Alte, Willi Wolff, August Weyand, über drei Jahrzehnte von 1966 bis 1996 Heinz-Werner Richter und aktuell Günter Schröder - jeder aus der Riege der Vorsitzenden hat auf seine Weise die Entwicklung des Turnvereins vorangetrieben. Doch allein die Namen derer, die die Geschicke des Vereins leiteten, dürfen im Rückblick auf 100 Jahre TuS Jahn Ohle nicht alles sein, an das es Erinnerung wach zu halten gilt.
Quelle: WR Plettenberg vom 22.09.2004
Anfangs viele Widerstände zu brechen
Die Idee des Turnvaters Jahn war längst zu einer großen Bewegung gereift, als sich im Jahr 1904 Männer aus Ohle zur Gründung eines Turnvereins entschlossen - im Übrigen des jüngsten Turnvereins im Stadtgebiet. Plettenberger TV, TV Jahn und TuS Eiringhausen bestanden bereits, ebenso die Turnvereine im Oestertal und in Holthausen.
Ehe das Vereinsschiff in Ohle auf Touren kam, waren im Dorf Widerstände zu brechen. Mit Argwohn beäugten viele honorige Bürger Ohles das fröhliche Treiben der jungen Männer unter primitivsten Bedingungen und an zum Teil selbst gebauten Geräten im Biermannschen Saal, dem heutigen Saal der Gaststätte Zur Post.
Viel persönlicher Einsatz liberaler Gründerväter gehörte dazu, ehe sich die verpönten Turnerinnen und Turner - überwiegend aus bescheideneren sozialen Schichten - gegenüber den in Ohle etablierten kulturtreibenden Vereinen wie Kyffhäuserkameradschaft (ehemals Landwehrverein) oder Gesangverein Ansehen verschafft hatten.
Ebenso trugen erste sportliche Erfolge dazu bei, dass Ressentiments gegenüber der Turnerei in der Bevölkerung mehr und mehr abgebaut wurden.
Zum Turnen gehörte schon damals unter dem Mäntelchen des "Volksturnens" die Leichtathletik. Außerdem bildete sich im jungen TV Jahn Ohle vor dem Ersten Weltkrieg ein fast 20 Musiker starkes Tambourcorps unter Leitung von Ernst Twellmann. Faustball und Feldhandball auf dem Ohler Sportplatz ergänzten das Sportangebot. Scheinbar heile Welt.
Doch als Walter Pfeiffer, Chef des Ohler Eisenwerks, über die Kyffhäuserkameradschaft eine eigenständige Sportgruppe aufbaute, die unter dem Einfluss des größten Arbeitgebers im Dorf eine rasante Entwicklung nahm, wehte dem TV Jahn Ohle erstmals ein scharfer Wind von Konkurrenz entgegen. Plötzlich dümpelte der Turnbetrieb vor sich hin; der Verein existierte praktisch nur noch auf dem Papier. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam das Vereinsleben 1934 völlig zum Erliegen, als die Deutsche Turnerschaft ihre Selbstständigkeit verlor und der Reichssportkammer untergeordnet wurde.
Quelle: WR Plettenberg vom 22.09.2004
Leute mit "weißer Weste"
Zwölf leidvolle Jahre vergingen. Dann fassten sich nach Kriegsende entschlossene Turner ein Herz und bemühten sich, den Turnbetrieb in Ohle neu zu beleben.
Männer und Frauen dieser "zweiten ersten Stunde" wie der heutige Ehrenvorsitzende Heinz-Werner Richter, Karl-Heinz Hoffmeister (beide Jahrgang 1926) und Franz Kramer (Jhg. 1928) sowie Lieselotte Forneberg (heute Richter, Jhg. 1926), Edelgard Matthäus (heute Nau, Jhg. 1929) und Magdalene Baberg (heute Schilling, Jhg. 1929), allesamt TuS-Jahn-Ohle-Mitglied seit 1946, erinnern sich an die Mühsal des Neuaufbaus, dessen Initiator mit Fritz Geck vom TV Jahn Plettenberg nichtmals ein "eingesessener Ohler" war.
Viele alte Vereinsmitglieder hielten sich dezent zurück. Nur schleppend lief die Mund-zu-Mund-Propaganda: "Wir wolln mal wieder mit der Turnerei anfangen." Weil dem Begriff "Turnverein" in den Augen der englischen Besatzungskräfte etwas "Urdeutsches" anhaftete, waren erhebliche Bedenken auszuräumen. Ein Neuanfang mit Karl Brenscheidt als letztem Vorsitzenden vor dem Krieg? Undenkbar. Einen ehemaligen NSDAP-Ortsgruppenführer wie Brenscheidt hätten die Engländer abgelehnt.
So mussten Leute mit "weißer Weste" her, Männer ohne nationalsozialistische Vergangenheit, über jeden Zweifel erhaben. Einen solchen fand Fritz Geck in Karl Alte - genau der Richtige. Einem wie Alte, mit tadellosem Ruf, erteilten die Engländer im Amtshaus letztlich die Erlaubnis, den Verein weiterführen zu dürfen. Zunächst nicht unter altem Namen, sondern als "Sportgemeinschaft Plettenberg, Untergruppe Ohle" unter der Kontrolle der Alliierten, aber schon bald als TuS Jahn Ohle.
Der Wiederaufbau des Biermannschen Saals als Turnstätte, gegenseitige Unterstützung einer in der Vier-Täler-Stadt wiedererwachenden Turner-"Familie", der Einsatz älterer Ohler Turner wie Albert Schmidt, Albert Gölden, Walter Schmidt, Paul Schulte oder Alois Richter als Übungsleiter, August Weyand als Chef des Mädchenturnens - es ging wieder aufwärts. Neue Impulse fürs Vereinsleben gab der Turnhallenbau Mitte der 50er Jahre (Einweihung im Oktober 1957).
Den Anforderungen einer sich wandelnden Zeit trugen die Ohler Turner auf ihrem Weg zu einem Breitensportverein modernster Prägung Rechnung durch die Öffnung hin zu anderen Sportarten.
Alles andere als verkrusteter Verein
Nicht nur im Stadtsportverband gehörte der TuS Jahn zu den Mitgliedern der ersten Stunde, ein weiterer Meilenstein in der Klubhistorie war 1984 die Gründung der Leichtathletik-Gemeinschaft Plettenberg/Herscheid. Knapp 500 Mitglieder aus allen Altersschichten, darunter weit über 40 Prozent Kinder und Jugendliche, sowie mehr als 20 aktive Übungsleiter zeugen von einer gesunden Vereinsstruktur und einem attraktiven Sport- und Freizeitangebot im TuS Jahn Ohle.
Den TuS Jahn Ohle geprägt
22.09.2004 / LOKALAUSGABE / PLETTENBERG
Diese beiden Köpfe haben den TuS Jahn geprägt. Lieselotte Richter geb. Forneberg und Heinz-Werner Richter lebten und leben noch im Alter für "ihren" Verein. Erst als 70-Jähriger trat Richter am 2. März 1996 nach 30 Jahren Vorsitz von seinem Führungsamt zurück.
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