Bericht des letzten Lehrers von Selscheid

Quelle: Chronik von Rektor Dieter Dringenberg, 51 S. u. Anhang (DIN A4 maschinengeschrieben), Archiv H. Hassel

Selscheid, das kleine Dorf im Gebirge zwischen Ohle und Kleinhammer, zwischen Hasenberg und Solberg, erhielt im Jahre 1919 eine eigene kleine einklassige evangelische Volksschule, und zwar mit Verspätung, denn der I. Weltkrieg hatte ihre Einrichtung verzögert.
Das erste Schulhaus war ein kleines Nebengebäude des stattlichen Middendorfschen Bauernhofes. Klassenraum und Lehrerwohnung waren dort unter einem Dach vereint. Im Jahre 1936 zog die Schule um in ein neues, ansehnliches Schulgebäude. Nähere Auskunft hierüber erteilt die Schulchronik.


Das ehemalige Schulgebäude, ursprünglich ein Kornspeicher des Bauern Wilhelm Wittendorf, in Selscheid im Jahre 1960. Foto: Martin Zimmer

Von 1929 bis zur Schließung der Schule waren in Selscheid insgesamt 10 Lehrerinnen und Lehrer tätig. Der letzte Lehrer von Selscheid berichtet hier über seine Tätigkeit in der Zeit von 1953 bis 1966. Er tur dies, um nicht nur seiner kleinen Schule ein Denkmal zu setzen, sondern um ganz allgemein für alle damaligen Zwergschulen, wie man etwas abschätzig diese einklassigen Schulen nannte, ein bescheidenes Blatt der Erinnerung festzuhalten. Denn sie sind es wert, nicht sang- und klanglos in der Versenkung des Vergessens zu verschwinden.

Der letzte Lehrer von Selscheid beginnt seinen Rapport mit der Schilderung eines allgemeinen typischen Schulalltags, dessen Facon er nach einem etwa halbjährigen Studium der hiesigen Schulverhältnisse gefunden hatte.

Um sechs Uhr in der Früh begann für den letzten Lehrer von Selscheid der Alltag. Sein erster Gang galt dem großen Zentralheizungsofen, welcher ein Fassungsvermögen von etwa 2 Zentnern Koks aufwies. Immerhin wurden von diesem Kessel aus 22 Heizkörper und ein 400 Liter Boiler mit heißem Wasser beschickt. Die allmorgendliche Reinigung und Füllung des Kessels war Schwerarbeit, langwierig und ungesund. Die Koksschlacken mußten zunächst im Kessel zerkleinert werden, dann wurden sie mit einer großen Schlackenzange herausgenommen. Der Aschenraum wartete ebenfalls auf seine tägliche Entleerung. Schließlich wurde der Kessel wieder neu gefüllt.

Nach dieser "Morgengymnastik" war jedesmal eine gründliche Morgenwäsche fällig. Das Frühstück nahm der letzte Lehrer von Selscheid in Ruhe und mit großem Appetit ein. Pünktlich um 7.25 Uhr schloß er dann die Schulpforte auf, vor der die Schulkinder schon geraume Zeit warteten. Die Schulkinder eilten in den Schulflur, legten hier ihre Garderobe ab und betraten alsdann den Klassenraum. Bevor sie ihre Arbeitsplätze einnahmen, gingen sie zur Stirnwand des Raumes, wo neben dem Pult der jeweilige Tagesarbeitsplan hing. Aus diesem Plan ersahen sie ihr tägliches Arbeitspensum. Erst nach dessen Kenntnisnahme stellten sie sich hinter den Stühlen ihrer Arbeitsplätze auf. Pünktlich um 7.30 Uhr betrat der letzte Lehrer von Selscheid den Klassenraum, trat hinter das Lehrerpult und leitete die Tagesarbeit ein mit einer kurzen Morgenandacht, bestehend aus einem Choral, einer Schriftlesung und deren Interpretation und einem Gebet. Danach begann die eigentliche Schularbeit.

Um die Organisation und den organisatorischen Ablauf eines Schulalltags in der Selscheider Schule zu verstehen, muss an dieser Stelle zunächst der Tagesarbeitsplan erklärt werden. Der Plan bestand aus einem quer gelegten DIN A 4-Blatt. Es enthielt einen Rahmenplan: Oben waren von links nach rechts die sechs Unterrichtsstunden eines Tages ausgewiesen. Links waren von Oben nach unten die acht Jahrgänge aufgeführt, und zwar oben mit dem achten Jahrgang beginnend. Das Blatt wurde auf diese Weise in 48 kleine Rechtecke aufgeteilt. Jedes dieser Rechtecke diente zur Aufnahme von kurzen schriftlichen Vermerken betreffs der stündlichen Arbeitsaufträge für die einzelnen Jahrgänge. (Ende Seite 1)

Nur in einer Unterrichtsdisziplin wurden alle acht Jahrgänge einzeln für sich beschult und unterwiesen: im Rechnen, heute sagt man dazu Mathematik. Eine Eintragung mit roter Tinte bedeutete: Hier ist der Lehrer aktiv mit dem Jahrgang bzw. der Arbeitsgruppe tätig. Eintragungen mit blauer Tinte besagten: Hier sollen sich die Teilnehmer der Gruppe selbständig und selbstätig mit der vorgegebenen Aufgabe beschäftigen und auseinandersetzen. ...



Am 15. Juli 1937 wurde sie eingeweiht, am 1. Dezember 1966 wird die einklassige evangelische Volksschule in Selscheid von Amts wegen geschlossen.

Quelle: WR vom 16.11.1994 (?)

Plettenberg. "Als in Ohle noch die Schulglocke bimmelte. . ." Am morgigen Freitag, 17. November, wird an der Grundschule Ohle das 75. Schuljubiläum gefeiert. Zum Abschluss der WR-Serie mit Beiträgen zur Schulgeschichte lesen Sie heute Erinnerungen an die einklassige Volksschule Selscheid von deren letztem Rektor Dieter Dringenberg:

"Die einklassige Schule in Selscheid wurde am 1. Dezember 1966 geschlossen. . . Ehe die schulpflichtigen Jungen und Mädchen aus Selscheid und den umliegenden einsamen Waldhöfen ihre eigene kleine Schule am Ort besuchen konnten, mussten sie weite Wege zurücklegen, um in der damals zweiklassigen Volksschule in Ohle unterrichtet zu werden. Die oftmals bis zu zwei Stunden langen Wege waren miserabel und bei Regenwetter kaum passierbar. Stürme machten den Gang durch die Wälder zu einem Risiko Im Winter behinderten Schnee und Glätte die Jungen und Mädchen, zu denen ja auch die kleinen i-Dötze gehörten. Erreichten die Schüler im Tal die Lenne, mussten sie mit einem Lenne-Kahn am Hofe Husemann/Gringel ans andere Ufer übersetzen - ein Unterfangen, das besonders bei Hochwasser gefährlich war. Eine Brücke gab es damals noch nicht.

Der Unterricht, bzw. die ´Schulzeit´, dauerte bis 16 Uhr. Für die Jungen und Mädchen von der Wiehardt im Ohle Gebirge bedeutete dies, dass sie nicht vor 18 Uhr daheim waren. Im Winterhalbjahr begann der Unterricht zwar erst um 8.30 Uhr, dennoch traten die Kinder ihren langen Schulweg im Dunkeln an. Und sie kehrten auch erst nach Einbruch der Dunkelheit wieder nach Hause zurück.

Der Ruf nach einer eigenen Schule in Selscheid wurde verständlicherweise immer lauter. Der ortsansässige Bauer Wilhelm Mittendorf stellte für den Unterricht einen Spieker (´Speicher´) zur Verfügung. Er wurde umgebaut zu einer Zwei-Zimmer-Wohnung für den Lehrer und einer Schulstube. Nach Abschluss dieser Arbeiten konnte im Jahre 1919 - der Erste Weltkrieg hatte alle zeitlichen Planungen verzögert - der Unterricht aufgenommen werden.

Ständiger Wechsel der Lehrer
Der Schulbezirk umfasste die Siedlungen Grimminghausen, Voßloh, Hechtenberg, Wiehardt, Auf der Höh, Sechtenbecke, Hohagen, Erkelze, Winterhof, Jeutmecke und Breitenfeld. Die einsame, abgelegene Lage des Schulortes Selscheid war für die dort tätigen Lehrer kein besonderer Anreiz dafür, diese Schulstelle länger als nötig zu betreuen. So sind die ständigen Lehrerwechsel und die zeitlich geringe Dauer ihrer Tätigkeiten verständlich. Die durchschnittliche Dienstzeit aller zehn in Selscheid tätig gewesenen Lehrpersonen betrug in 47 Jahren des Bestehens dieser Landschule nur 4,7 Jahre. Über 17 Jahre lang hatte sich die Selscheider Elternschaft mit dem Kornspeicher zufrieden gegeben. Allgemein und auch verständlich fühlte man sich schulisch vernachlässigt. Nach vielerlei Protesten der Elternschaft, Verhandlungen mit den zuständigen Schulorganen konnte ein Schulneubau entstehen. Er wurde am 15. Juli 1937 eingeweiht im Beisein der gesamten Selscheider Bevölkerung und zur großen Freude des damaligen Lehrers Fritz Getzlaff, dem ersten Lehrer der neuen Schule.

Am 1. Dezember 1966 wird die einklassige evangelische Volksschule in Selscheid von Amts wegen geschlossen. Dies geschah leider sang- und klanglos! Am 2. Dezember sind die Jungen und Mädchen zum letzten Mal in ihrer vertrauten Schule versammelt, um aus den Händen ihres ´letzten Lehrers im Ohler Gebirge, Dieter Dringenberg´, die Überweisung an die Gemeinschaftsschule Ohle entgegenzunehmen. Die Schließung erfolgte im Rahmen der Schulreform 1968, einem Jahr, in dem die letzten ein- und zweiklassigen Schulen ihre Tore schlossen. Damit starb eine Jahrhunderte alte Tradition Schulform endgültig aus.

Die Protagonisten jener Reform feierten 1968 ihren Erfolg. Dennoch bleibt es in der Rückschau zweifelhaft, ob jene ´Reformer´ jemals erkannt hatten, dass gerade diese Schulform einen großen Kahlschlag in der Welt der Schule hinterlassen hat. Die ´Zwergschule´ war eine ideale und praktikable Erziehungsstätte. Sie war leistungsfähig und leistungsstark, sie war Bildungsstätte für Kinder und Lehrwerkstätte für Lehramtskandidaten zugleich. Es wäre schön und gewiss auch für die Bewertung der Plettenberger Schulgeschichte von Nutzen, wenn man sich auch bei einer hoffentlich noch zu schreibenden ´Plettenberger Schulgeschichte´ an die einstigen Leistungen der ´Zwergschulen´ in Selscheid, Leinschede, Pasel, Sonneborn, Lettmecke, Kückelheim, Himmelmert und Bremcke erinnern würde."


Das Antwortschreiben des Landrates in Altena schmetterte 1877 den Antrag aus Selscheid auf Errichtung einer Gebirgsschule in Hilfringhausen ab.
Kürzere Schulwege waren kein Argument. Bewohner des Ohler Gebirges versuchten, sich abzuspalten

Zimmer fand Beleg im Evangelischen Kirchenarchiv - Schule für Hilfringhausen

Ohle. (HH) Im Evangelischen Kirchenarchiv der Gemeinde Ohle fand Archivar Martin Zimmer kürzlich einen Beleg dafür, dass die Bewohner des Ohler Gebirges im Jahre 1877 separatistische Bestrebungen verfolgt haben: In Hilfringhausen sollte eine Gebirgsschule für 56 Schüler zu Lasten der Schule in Ohle eingerichtet werden.

Der Schriftverkehr mit dem Landrat in Altena zeigt, dass die Bewohner des Ohler Gebirges versuchten, der Behörde den Schulstandort Selscheid schmackhaft zu machen. Hintergrund: Die offiziellen Stellen planten wegen der gestiegenen Schülerzahlen eine zweite Klasse in Ohle einzurichten. Doch der Antrag aus Selscheid wurde abgelehnt.

Die Bergbauern um P. D. Ebberg aus Selscheid gaben nicht auf. Am 26. September 1877 beantragten sie, in Hilfringhausen eine Gebirgsschule einzurichten. Sechs Wochen später kam die Antwort. Der Königliche Landrath zu Altena schrieb am 6ten November 1877 an P. D. Ebberg zu Selscheid (eine Kopie ging an den Amtmann Weiß Wohlgeboren in Neuenrade):

Antrag aus Selscheid abgelehnt
Auf den, in Gemeinschaft mit mehreren Unterzeichnern, an mich gerichteten Antrag vom 26. September, betreffend die Errichtung einer neuen Schule zu Hilfringhausen, an Stelle der 2ten Schule zu Ohle, erwidere ich Ihnen, zugleich zur gefälligen Mitteilung an die übrigen Antragsteller, daß die Schulenpräsentation sich wiederholt für die 2te Schulklasse in Ohle ausgesprochen hat und ich nach sorgfältiger, nochmaliger Erwägung aller in Betracht kommenden Verhältnisse, aus denselben Gründen, welche eine Ablehnung des Schulprojektes Selscheid zur Folge hatte, auch die Creirung einer Schulstelle zu Hilfringhausen ablehnen muß.

Wenn auch evtl. die neue Schule zu Hilfringhausen, welcher eine Theilung der Gemeinde Ohle in 2 gleiche Bezirke vorausgehen müßte, mit 56 Schülern beginnen könnte, dann ist doch, wie dieses bei allen Gebirgsschulen der Fall ist, die Gewißheit vorhanden, daß, wie in Ohle eine ständige Zunahme, so in Hilfringhausen, eine fortwährende Abnahme der Schülerzahlen eintreten wird.

Die Entfernungen der in Betracht kommenden Ortschaften, welche nach Hilfringhausen zu legen sein würden, differieren gegen Ohle, bei Erkelze nur um 5, bei Sechtenbecke um 15, bei Höh um 5, bei Kleeschlade um 10, bei Wiehard um 10, bei Hechtenberg um 20, bei Voßloh um 15, bei Grimminghausen um 15, bei Hohenhagen um 15, bei Selscheid um 20 und nur bei Breitefeld und Hilfringhausen selbst um 30 u. bei Teindeln um 25 Minuten. Um dieser geringen Entfernungen wegen aber die zweiklassige Schule zu Ohle aufgeben und die Kinder einer einklassigen Gebirgsschule überweisen zu wollen, zu welcher außerdem die Wegeverbindungen mit größeren Gefahren und Schwierigkeiten zu passieren sind, entspricht nicht den allgemeinen Interessen, ganz abgesehen davon, daß die Baukosten für eine Schule zu Hilfringhausen erheblich theurer sein würden, als in Ohle.



Dies ist ein Auszug aus der 1. Seite des "Strafverzeichnis der evgl. einkl. Schule Selscheid". Lehrer Frohneberg zeichnete es am 14.06.1920 ab. Aufgeführt sind Karl Herzog (14 Jahre), der am 05.03.1919 "3 Schl. a. d. Gesäß" bekam, "weil er seinen Aufsatz von seinem ...etter hat schreiben lassen". Hugo Klüppelberg (9 Jahre), hat am 04.05.1919 ebenfalls "3 Schl. a. d. Gesäß" bekommen, "weil er mich wiederholt belogen hat". Fritz Windfuhr, 10 Jahre alt, bekam am 09.09.1919 drei Schläge auf das Gesäß, "weil er seine häuslichen Arbeiten sehr schlecht angef. hat". Alfred Windfuhr (9 Jahre) wurde am 18.11.1919 mit drei Schlägen bestraft, "weil er seinen Bruder a. d. Bank stieß, dass er eine Wunde erhielt".

Zwischen 1920 und 1924 sind keine weiteren Strafen eingetragen. Erst am 19.07.1924 erhielt Erich Schmidt drei Schläge auf das Gesäß, "weil er trotz vieler Ermahnungen und schriftlicher Strafen nicht aufpaßte". Danach gab es am 25.10.1926 gleich für vier Schüler eine Strafe: Albert Herzog, Wilh. Bangert, Otto Klüppelberg und Irma Schmidt wurden mit jeweils 1 Schlag auf das Gesäß (die Neunjährige Irma Schmidt bekam einen Schlag auf die Hand) bestraft, "weil sie trotz mehrfacher Ermahnungen u. schriftl. Strafen in den Schreibheften schauderhaft schrieben".
Je einen Schlag auf das Gesäß bekamen Erich Schmidt und Erich Windfuhr am 07.11.1926, "weil die beiden sich mehrfach zankten, aufeinander losschlugen und das Zeug zerissen".


Frankreich war und blieb unser erbitterter Feind

Auf Seite 156 der Schulchronik sind "Bemerkenswerte Ereignisse aus dem bürgerlichen Leben" aufgezeichnet:

Als die Schule in Selscheid errichtet wurde, hatten wir den großen Weltkrieg verloren. Er hatte seine Opfer auch in unserer Schulgemeinde gefordert. Es ließen ihr Leben für das Vaterland: 3 Söhne und ein Schwiegersohn des Landwirts Julius Lengelsen - Hohagen, 1 Sohn des Landwirts Ernst Baberg in Selscheid, 1 Sohn des Landwirts Theod. Schmidt - Grimminghausen, 1 Knecht des Landwirts Karl Becker - Erkelze. Dieser war ohne Familienangehörige und hatte hier eine neue Heimat gefunden. 1 Sohn des Landwirts Hurst - Wiehardt - starb kurz nach dem Kriege in der Heimat an den Folgen des Feldzuges.

Aber mit dem Waffenstillstand vom vom 11.11.1918 war der Krieg nicht beendet und auch der Friedensschluß von Versailles am 23.06.1919 vermochte daran nichts zu ändern. Frankreich war und blieb unser erbitterter Feind. Als die Seele der französischen Rachsucht und des franz. Vernichtungswillens gilt der Präsident und spätere Außenminister der französischen Republik, Poineare. Unendlich schwerer Druck lastet auf unserem armen Vaterland, dem schon der Krieg so schwere Wunden geschlagen hatte. Unser Volk war entkräftet, körperlich und seelisch. Jede Moral schien geschwunden. Mancher brave Deutsche mochte die Schmach seines Landes nicht mehr ansehen und gab sich selbst den Tod. Alles Leid und alle Not wären aber leichter zu ertragen gewesen, wenn unser Volk in sich einig gewesen wäre. In dieser Zeit entstand der Begriff (?) des Schiebers. Das waren .....nen, die der Zwangswirtschaft unterliegende Waren heimlich aufkauften und für schweres Geld wieder absetzten, zum Schaden des hungernden Volkes.
. . .


Quelle: Von der Hünenburg auf dem Sundern bei Ohle, P. D. Frommann, 1949, S. 78

Den Schulunterricht erteilten nach dem Abgang des Lehrers Büscher:
seit 18.05.1926 Lehrer Friedr. Hof, vorher in Schalksmühle
seit Mai 1930 Lehrer Paul Simon, vorher in Schee bei Hattingen
seit 14.04.1931 Lehrer W. Neuhaus
seit 16.10.1931 Lehrer Getzlaff, vorher in Heed bei Meinerzhagen, am 01.04.1940 nach Ohle versetzt.
seit 01.08.1943 Luise Rabe aus Bochum
seit 08.05.1944 Anna Flesch aus Dortmund
seit 22.09.1944 Hauptlehrer Alfons Reichelt aus Bochum. Die drei letzten waren nur zeitweise aus ihren Stellen nach Selscheid abgeordnet.
1953-1966 Dieter Dringenberg


Quelle: Süderländer Tageblatt o. Datum, Autor: Hirschmann

Die Selscheider Schule, ein Schmuckstück im Kreise Altena
Die Entstehung und allmähliche Entwicklung der Schule - Geschichte der Schulgemeinde - Harter Kampf um die Verwirklichung eines als richtig erkannten Gedankens - Was lange währt, wird endlich gut!

Selscheid. Vor Gründung der Selscheider Schule besuchten die Kinder der hiesigen Schulgemeinde die damalige zweiklassige Schule in Ohle, deren Leiter der sehr geschätzte und tüchtige Lehrer Hüser war. Wenn man überlegt, daß zu der Schulgemeinde Selscheid die Gehöfte Sechtenbecke, Höh, Wiehard, Hechtenberg, Voßloh, Grimminghausen und Breitenfeld gehören, kann man erst ermessen, welch weiten Weg die Kinder noch vor 31 Jahren zur Schule zurücklegen mußten.

Mit der Stalllaterne zur Schule
Ob es regnete oder schneite, stürmte oder die Sonne heiß vom Himmel brannte, mussten die Schulkinder, auch die Sechsjährigen, einen beschwerlichen Weg von 2 bis 3 Stunden marschieren und im Winter war es allgemeiner Brauch, dass die von weit her kommenden Kinder sowohl morgens als auch abends mit der Stalllaterne ihren Schulweg beleuchten mussten.

Schulweg per Kahn
Erschwert wurde der Schulweg noch dadurch, dass an der Lenne die notwendigen Brücken fehlten. So mussten die Kinder, um ihre Schule in Ohle überhaupt erreichen zu können, von Ufer zu Ufer erst eine Fahrt mit dem Nachen (kleines Boot) machen. Welche Gefahren waren mit dieser Überfahrt verbunden! Mitunter wurde der Schulbesuch durch das Hochwasser der Lenne gänzlich unmöglich gemacht. Der weite Weg war umsonst zurückgelegt!

Unhaltbare Verhältnisse
Mehr und mehr tauchte damals unter der Selscheider Bevölkerung der Gedanke auf, im Orte eine einklassige Schule zu errichten. Das war zuerst im Jahre 1912. Nach mancherlei Kämpfen gegen verschiedene Widerstände im Schulvorstand, wurden durch Eingabe der betreffenden Eltern an die Regierung in Arnsberg erreicht, dass 1913 eine Ortsbesichtigung durch Vertreter der Regierung stattfand.

Ein Erfolg für die Selscheider
Nach Prüfung der Verhältnisse, nach einem Rundgang durch die Gemeinde, einigten sich Kommission und Elternschaft dahin, eine einklassige Schule in Selscheid zu bauen. Der Bauer Wilhelm Wittendorf sen. verpflichtete sich, seinen Kornspeicher für den Umbau zu einem Klassenzimmer und den notwendigen Platz für den Anbau einer Lehrerwohnung auf 30 Jahre ohne Entgeld zur Verfügung zu stellen. . .


Quelle: Westfälische Rundschau o. Datum, Autor Hans Dieter Dringenberg

An einem kalten Novembertag '66
schloß die Volksschule Selscheid

Selscheid (mg) Schulen sind Bildungseinrichtungen, die vielfach nicht als solche entstanden, sondern erst im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte zu dem wurden, was sie heute sind; oder auch nicht, wie die ehemalige einklassige Volksschule in Selscheid. Heute dient das Schulgebäude als Wohnhaus. Ähnliche Schicksale erfuhren auch andere Plettenberger Volksschulen, was die RUNDSCHAU in einer lockeren Serie zum Anlass nimmt, mit Daten und Fakten über den jeweiligen Werdegang dieser Bildungseinrichtungen zu berichten. Das Text- und Bildmaterial zur Schule Selscheid stammt von Hans Dieter Dringenberg, der letzte Schulleiter von Selscheid, der es bedauert, dass 1968 im Zuge der Schulreform die einklassigen Schulen sämtlich geschlossen worden sind.

Der heute 68-jährige Hans Dieter Dringenberg berichtet: "Die Tage von Montag bis Freitag galten der intensiven Arbeit in den Kern- und Sachfächern. Demgegenüber war der Samstag ein atypischer Tag mit seiner Fächerung Musik, Sport und Zeichnen. Diese Auflockerung, auch betreffs der Vorbereitung, hatte natürlich einen sachlichen Hintergrund: Am Samstag musste der Lehrer seine Funktion als Büchereileiter und Badewart wahrnehmen. Der Selscheider Schule war nämlich eine Volksbücherei und ein Volksbad angeschlossen, deren Betreuung und Versorgung dem Lehrer oblag.

Die Volksbücherei umfasste etwa Mitte der 60er Jahre 2.000 Bände. Sie stand auch der Schülerschaft anstelle einer Schülerbücherei zur Verfügung. Das Volksbad bestand aus vier Brause- und zwei Wannenbädern. Es war geöffnet von 12 bis 13 Uhr für die Schüler und Schülerinnen und von 14 bis 18.30 Uhr für die erwachsene Bevölkerung des Schulbezirkes. Die Schüler und Schülerinnen badeten sämtlich. Am Nachmittag wurden im Jahresdurchschnitt etwa 12 bis 18 Vollbäder ausgegeben. Im Winter wurde dieser Durchschnitt unterlaufen, lag dafür aber im Sommer um einiges höher.

Natürlich war es ein wichtiges Anliegen des Lehrers, den Kindern die Heimat auch wandernd zu zeigen. Zumeist waren es Ganztagswanderungen, die morgens um 7.30 Uhr begannen und im allgemeinen erst gegen 18 Uhr abends ihren Abschluss fanden. Als größtes Unternehmen ist die zehntägige Ringwanderung zu nennen, die unsere Klasse über Plettenberg, Attendorn, Hilchenbach, Berleburg nach Schmallenberg führte. Den Teilnehmern ist sie noch heute in schöner Erinnerung. . .


Quelle: Westfälische Landeszeitung Rote Erde vom 17.07.1937

Der Regierungspräsident im Lennetal
Fortsetzung der Besichtigungsfahrt / Die Selscheider Schule wurde eingeweiht

Weihe der Schule in Selscheid
Der Zufall führte den Regierungspräsidenten an dem gleichen Tage in das Lennegebiet, an dem die neue Schule in Selscheid bei Ohle geweiht und ihrer Bestimmung übergeben werden sollte. Das Schulhaus paßt sich als einstöckiger Bau, der gleichzeitig die Lehrerwohnung enthält, ausgezeichnet in das Bild der Landschaft ein. Sie enthält überdies eine mustergültige Badeanlage für die Schuljugend und für die bäuerliche Bevölkerung sowuie einen Unterstellraum, der die Geräte der Feuerwehr aufnimmt.

Nach dem Abschied der Schüler und Schülerinnen von der alten Schule begab man sich zum neuen Gebäude. Amtsbürgermeister [Engelbert] Wahle (Plettenberg) begrüßte den Präsidenten, den Kreisleiter, Landrat und die übrigen Teilnehmer an der Kreisrundfahrt und gab alsdann einen kurzen Rückblick in die Geschichte des Schulneubaues.

Regierungspräsident Dr. Runte verwies ausführlich auf die Aufgabe der Schule im neuen Deutschland, betonte, dass der Wille zur Leistung innerhalb unserer Jugend rechtzeitig geweckt und gefördert werden müsse und erinnerte dann die Schülerinnen und Schüler daran, dass aus der alten Schule jene Männer hervorgegangen seien, die einst im Weltkriege ihre Heimat unter Einsatz ihres Lebens verteidigten. Darum solle die Erinnerung an das alte Schulhaus weiterhin lebendig bleiben.

Schulrat Dr. Gösser übergab alsdann das neue Schulhaus seiner Bestimmung. Darauf führte Lehrer Getzlaff die Schulkinder in ihre neue Klasse. Eine Besichtigung des Gebäudes und seiner Inneneinrichtung ließ erkennen, dass hier ein Schulhaus geschaffen wurde, das manche Generation überdauern dürfte. Der im Vorraum angebrachte Spruch "Ein Volk lebt nur in seinen Kindern, Deutschland aber will leben!" gibt der Bedeutung dieses Hauses für die deutsche Zukunft die rechte Betonung.

Nach einem kurzen Besuch des neuen Kameradschaftshauses der Pfeifferschen Werke in Ohle fuhr man ins Oestertal, um die neue Oesterhalle in Augenschein zu nehmen und im Anschluss daran die Walther Brockhaus-Siedlung zu besichtigen . . .