5. Hilfstransport vom 3. bis 13. Januar 1992
Fahrzeuge: Sattelzug der Fa. Rosemann, Kleintransporter/Klein-Lkw der Firmen Langhammer, Autoverleih Limberg
sowie der SGV-AG Plettenberg und ein Kleinlaster (Robur) aus ehemaligen Beständen der Volkspolizei in Brandenburg. |
|
![]() |
![]() |
Quelle: Schleusinger Tageblatt vom 22.01.1992 (Schleusingen/Thüringen ist die Partnerstadt von Plettenberg)
Plettenberg hilft St. Petersburg
Plettenberg/St. Petersburg (HH). Zum fünften Mal brachte vor wenigen Tagen die von Gerd Padberg
organisierte "Rußlandhilfe Plettenberg" Hilfsgüter nach St. Petersburg, ins ehemalige Leningrad. Lebensmittel,
Kleidung, Schuhe, Bettwäsche und vieles mehr im Gesamtwert von rund 200.000 DM war diesmal durch
Spenden zusammengekommen. Mit fünf Fahrzeugen sorgten acht Teilnehmer dafür, daß die Hilfsgüter direkt
zu den betroffenen Kindern und älteren Leuten kamen.
Wochen vor der Fahrt, die in der ersten Januarwoche begann, hatten die freiwilligen Helfer sich um Spendengelder
und Sachspenden bemüht. Die größte Einzelspende kam von einer einheimischen Firma (die anonym bleiben wollte),
die auf Weihnachtspräsente verzichtete und 15.000 DM stiftete. Die Bedingung: Von diesem Geld sollte den Kindern
in St. Petersburg eine richtige Weihnachtsfeier bereitet werden.
Eine besondere Weihnachtsfeier
Die Hilfe kommt an
Nicht nur durch den direkten Transport und das persönliche Ausladen der Hilfsgüter war gewährleistet, daß die Hilfe
direkt zu den betroffenen Kindern und älteren Menschen kam. Die Teilnehmer der Rußlandhilfe schauten auch Tage
später immer mal wieder nach, um unauffällig zu kontrollieren, ob die Hilfsgüter im Sinne der Spender verwendet
wurden. Dies war immer der Fall.
Insgesamt zehn Tage war die Rußlandhilfe Plettenberg diesmal in St.Petersburg. Erkennbar war, daß die Schlangen
vor den Geschäften mit Grundnahrungsmitteln noch länger geworden waren. Die Freigabe der Preise hat dazu
geführt, daß sich nunmehr auch die wenigen gut verdienenden Russen nicht einmal mehr die täglichen Lebensmittel
leisten können.
Eine Reise durch Eis und Schnee
Das Abenteuer begann gleich nach der Überfahrt mit der Finnjet von Travemünde nach Helsinki. Leichte Minusgrade
und Reste von Eis an den Fahrbahnrändern ließen winterliche Verhältnisse in Rußland erahnen. Gleich nach der
finnisch-russischen Grenze verschlechterten sich die Straßenverhältnisse spürbar. Rubbelpisten aus Eis und
Schnee machten die Fahrt ab hier zur achtstündigen Ganzkörper-Massage.
Rund 60 Kilometer vor St. Petersburg versperrte eine Brücke von nur 3,60 Metern Durchfahrtshöhe dem 4,00 Meter
hohen Sattelzug den weiteren Weg über die Europastraße. Ein langer Umweg über vereiste und verschneite
Nebenstraßen wurde notwendig.
Strafzettel auf russisch
Fast im Fahrzeug erfroren wäre die Besatzung des Sattelzuges, als auf der Rückfahrt zwischen St. Petersburg und
finnischer Grenze die Fahrzeug- und Standheizung ausfielen. Eine dicke Eisschicht an den Scheiben des Führerhauses
war bei Minus 20 bis 25 Grad zu durchdringen. Beim Nachfüllen des vermeintlich fehlenden Kühlwassers gefror das
Wasser in Sekundenschnelle in der Flasche.
Genau vier Minuten vor 24 Uhr erreichte der Sattelzug die Grenze. Überpünktlich machten die Zöllner aber Feierabend -
die Grenze schloß. So mußte die Sattelzug-Besatzung im Schneesturm bei Minus 25 Grad im eiskalten Lkw weitere
acht Stunden (Anm.: der Grenzübergang war damals nachts von 0 - 8 Uhr geschlossen) bis zur Grenzabfertigung
warten.
Die Lage in St.Petersburg
Wer glaubt, die Löhne wären mit der Preisfreigabe angehoben worden, der irrt. Den Lehrern wurde das Gehalt auf
85 Prozent gekürzt, lediglich die mit Streik drohenden Eisenbahner und Kommunalarbeiter konnten eine kleine
Lohnanhebung durchsetzen.
Hilfe zur Selbsthilfe
Die "Rußlandhilfe Plettenberg" hat es sich aber zur Aufgabe gemacht, in St. Petersburg die Eigeninitiative zu fördern.
Das geschieht durch praktische Hilfe in Form von Nähmaschinen, Stoffen, Knöpfen, Garnen etc.. Die werden in einer
neu eingerichteten Nähstube zu Kleidung verarbeitet. Das Kinderheim kann diese Kleidung verkaufen und sich dadurch
demnächst selbst tragen.
"Wir müssen uns selbst helfen", erkennt ganz richtig Direktor Anatolij den einzig realistischen Weg aus der Krise. Dass
dies zur Zeit nur Dank der "Hilfe zur Selbsthilfe" aus Plettenberg möglich ist, erkennt der Direktor mit unwahrscheinlich
großer Dankbarkeit an.
|