Zeitungsartikel für den Allgemeinen Anzeiger in Halver
Herscheid, den 17. Mai 1994

"Die Vorbereitungen für den 14. Hilfstransport der Rußlandhilfe Plettenberg 1990 eV, der am 5. Juni wieder nach St. Petersburg führen wird, sind in die 'heiße Phase' gekommen. Mit Unterstützung zahlreicher kirchlicher und sozialer Einrichtungen und Institutionen aus der Gemeinde Halver und initiiert durch Elfriede Skeyde wird ein Lkw-Transport ins Altenheim Smolny, in den Kindergarten Nr. 3 und zur Zentralapotheke des Frunsenski-Bezirks gehen. An Bord sind mehr als 10 t Hilfsgüter.

Für einen Teil der rd. 1700 Bewohner des Altenheimes in Smolny wurde Kleidung gesammelt, rund 100 Lebensmittelpakete gehen in den Kindergarten Nr. 3 und mehrere Tonnen Medikamente werden - Dank einer Spende der Bundesregierung - in der Zentralapotheke des Frunsenski-Bezirks überreicht.

Diesmal haben viele Halveraner Bürger Hilfsgüter verschiedenster Art zu diesem Transport beigesteuert. Durch einige Geldspenden sind auch die Transportkosten bereits zu einem Teil gesichert. Einige hundert Mark fehlen jedoch noch. Wer hier die Rußlandhilfe unterstützen möchte, kann dies durch eine Geldspende auf das Konto der Rußlandhilfe Plettenberg 1990 eV bei der Vereinigten Sparkasse Märkischer Kreis, Kto.-Nr. 71204085 (BLZ 458 510 20) tun.

In St. Petersburg ist der Name 'Plettenberg' inzwischen an vielen Stellen ein Begriff. Durch die zahlreichen Hilfstransporte an immer wieder verschiedene Einrichtungen sowie die von der Rußland- und Osteuropahilfe Plettenberg eV unterhaltene Suppenküche hat der Bekanntheitsgrad von Plettenberg in der Stadt an der Newa fast den der Partnerstadt Hamburg erreicht.

Erst vor wenigen Tagen statteten die Halveraner Bürgerinnen Schröder und Winkler (Vornamen bitte einfügen) abseits einer touristischen Reise der Plettenberger Suppenküche im Frunsenski-Bezirk einen Besuch ab. Die dabei durch Frau Schröder an den Gewährsmann Mischa Wassiliew überreichte Geldspende kam genau zum richtigen Zeitpunkt: Die bislang bereitstehenden Gelder hätten nur noch wenige Tage ausgereicht, um die notwendigen Lebensmittel einkaufen zu können. Jetzt kann den Bedürftigen der Stadteiles wieder für mehrere Wochen täglich eine kostenlose warme Mahlzeit garantiert werden."


Brief von Plettac-"Predstavitel" Horst Hassel per Fax an Bärbel Hassel
St. Petersburg, den 08.06.1994

"Dobri wetscher", mein Schatz,
melde mich mit der Nachricht, dass wir gut in St. Petersburg angekommen sind. Strömender Regen auf den letzten 60 km. Das Treffen mit Mischa (Mischa hatte die Schlüssel von meiner Wohnung am Ribatzki Prospekt und wollte mir dahin entgegenkommen) war leicht chaotisch. Er wartete auf der falschen Seite der (Newa)Brücke. Ich binn dann mit dem Corrado über die Brücke gefahren, habe Mischa getroffen (im Vorbeifahren) und ihm gewunken - er solle mir folgen. Zwei Stunden später . . . habe ich ihn dann wiedergetroffen. "Du bist gefahren wie eine Mirage!" entschuldigte er sich dafür, daß er mir nicht hatte folgen können.
. . .Die Zollabfertigung für die Hilfsgüter klappt wieder mal nicht. Schon an der Grenze haben sie Lkw und Hänger 20 Minuten lang zu Dritt durchsucht - aber nichts gefunden. Heute, am ersten Tag, fehlt noch ein Stempel. Der Lkw steht noch beladen vor der Tür. Morgen Mittag soll der letzte Stempel kommen. . .


Fax von Bord der Finnjet am 11. Juni 1994, 11.32 Uhr,
(von Fax-Nr. 949 101274-90 666757, also von Bord der Finnjet, an Fax-Nr. 007 812 100-73-35 in St. Petersburg)

Hallo Du Kavalier der alten Schule!

An Luxus gewöhnt man sich genau so schnell wie an "Siff" (Rechtschreibung?). Gerade an Bord eingetroffen. Nur der "dritte Mann" an Bord fehlt. In ca. einer halben Stunde sehen wir hoffentlich wieder wie Menschen aus (Dusche). Du mußt nämlich wissen, wir haben heißes Wasser!

Wenn Du Deine Probleme nicht lösen kannst, pfeif auf "Plettac", Du hast schließlich uns. Wo ist das Problem ??? "gde problema"?
Wir arbeiten auch an uns.
Gruß Flecki und Wittig, Kabine 304


Brief von Horst Hassel, Ribatzki Pr. 51, 1 kb 188, per Fax an die Finnjet:
An die "Gruppe aus Warstein"
Marlies Fleckner und Gloria Wittmann KABINE 304

Freue mich, daß es Euch gut geht und Ihr alle Annehmlichkeiten der Zivilisation genießen könnt. Habe leider Verständigungsprobleme. Was ist "heißes Wasser"? Bewundere darüberhinaus Eure Sprachkenntnisse. Jetzt weiß ich endlich, was "parusski kultura" in Deutsche übersetzt heißt (Rechtschreibung [Siff] korrekt, kann man hier auch mit fünf f schreiben)!
Kann es es sein, daß ich, volkstümlich ausgedrückt, statt melodiöse Töne zu pfeiffen auch zwei Etagen tiefer auf eine bestimmte Firma das machen kann, was Slawa mit ganz Petersburg machen wollte - aber nicht geschafft hat?

Einem Kavalier alter Schule kommen solche Worte natürlich nicht über die Lippen, geschweige denn über die Fingerkuppen. Wäre trotzdem froh, jetzt mit zwei Nymphen-Sittichen an Bord einer Fähre zu sein und zu Dritt in einer Vier-Bett-Außenkabine mich den weltlichen Genüssen (z. B. Warsteiner, Lachs, Sauna etc.) hingeben zu können.

Denkt ab und an an mich - ich denke jedenfalls in meiner leeren Wohnung oft an Euch. Mir fehlen Eure frischen Gesichter und Eure gehaltvollen Gespräche aus dem Bereich "Ernährungswissenschaft" und "Statik". Arbeite gerade an einem Fortbildungskurs "Dat issene Kurbelwell".
Melde mich übers Wochenende noch einmal ausführlich per Fax an Fa. Fleckner (hoffentlich habe ich die Fax-Nummer irgendwo). Hier ist "charosche pagoda". Euch wünsche ich auch viel Sonnenschein, eine angenehme Überfahrt und eine gute (unfallfreie, schnelle) Heimfahrt. Denkt aber bitte daran: Bei "Mirage-Grün" sehen die "Grünen" in Deutschland eine völlig andere Farbe!

Bis demnächst, euer
Kavalier Horst


Fax von der Finnjet, 12. Juni 1994, 14.34 Uhr (oberer Teil des Faxes fehlt, es beginnt mit "anfall")

anfall, haben wir in aller Ruhe gefrühstückt. In Ehrerbietung an H.H. haben wir sogar jeder ein Stück Kuchen zum Frühstück verputzt. Anschließend kleiner Einkaufsbummel. Jedes Parfüm getestet. Gegen 12 Uhr einen leichten Drink (Karjala) am Swimmingpool zu uns genommen. Zur Krönung Sonnenbad unter Sonnenbank. Jetzt sitzen wir beiden Nymphen-Sittiche im "Stardust" und genießen Cappuccino und Himbeertorte, damit die Statik nicht aus den Fugen gerät. Du verpaßt wirklich etwas. Die nächsten vier Stunden werden wir es uns noch gemütlich machen und Kraft tanken, denn als Starfighter-Pilot und Co-Pilot muß man konzentriert tief fliegen können.

Liebe Grüße Flecki und Wittig

PS: Gloria kommt gerade vom Raubzug zurück. Du weißt schon was. Laß es Dir gut gehen.


Manuskript von Horst Hassel für die Halveraner Presse im Nachgang zum 14. Hilfstransport nach St. Petersburg

Schulbücher aus Halver für den Deutsch-Unterricht
an acht russische Grundschulen überreicht

Die Lehrerinnen der Schule Nr. 72 in St. Petersburg trauten ihren Augen nicht: Hunderte von aktuellen Schulbüchern für den Deutsch-Unterricht ("Deutsch für Ausländer") standen in ihrem Lehrerzimmer - eine Spende aus der Gemeinde Halver. Die Rußlandhilfe Plettenberg 1990 eV hatte die Schulbücher neben weiteren Hilfsgütern nach St. Petersburg gebracht. Es war der 14. Hilfstransport in die ehemalige russische Hauptstadt.

Die Lehrerinnen wurden nicht müde, zu betonen, wie wertvoll diese Schulbücher für den Unterricht an ihren Schulen sind. Insgesamt acht Schulen in einem Petersburger Randbezirk hatten die Halveraner mit ihrer Bücherspende erfreut. Bereits ab der zweiten Klasse wird in diesen Schulen Deutsch-Unterricht erteilt. Und genau für diese Klassen waren die Schulbücher ausgewählt.

Doch die Halveraner sorgten nicht nur für Freude in den Grundschulen. Ungläubig staunend hielt jedes der Kinder im Kindergaren Nr. 4 in St. Petersburg eine Tafel Schokolade in Händen. So etwas hatten sie noch nicht erlebt: Süßigkeiten aus Deutschland - und dann gleich für jedes Kind eine ganze Tafel Schokolade! Darüber hinaus hatte die Rußlandhilfe Plettenberg 1990 eV aus Halveraner Spenden noch Kinderspielzeug, Kinderkleidung und einige Lebensmittelpakete für den Kindergarten überreicht. Da war die Freude riesig.

Riesengroß war auch die Freude im Altenheim Smolny. Hier sind 1.700 ältere Menschen untergebracht, die wenig davon haben, wenn tausende von Touristen gleich nebenan für harte Währung das Kloster Smolny mit seiner wunderschönen Kirche besichtigen. Für diese fast vergessenen Alten in Smolny hatten die Halveraner Bürger Lebensmittel, Kleidung und Schuhe gespendet. Diese wertvolle Hilfe wurde mit unbeschreiblicher Dankbarkeit aufgenommen.

Nicht ganz einfach aber war eine Aktion, die die Vorstandsmitglieder Gloria Wittmann und Marlies Fleckner von der Rußlandhilfe Plettenberg in einigen Wohnbezirken starteten. Mehr als 100 Lebensmittelpakete und jeweils dazu ein nagelneues Oberhemd - ebenfalls eine Spende aus Halver - wurde an ältere Menschen, junge Mütter mit Kindern und offensichtlich Bedürftige verteilt. Es sprach sich natürlich in Windeseile im jeweiligen Wohnblock herum, daß da humanitäre Hilfe aus Deutschland verteilt wurde. Im Nu war der Lkw der Rußlandhilfe umringt von Menschen, die alle hofften, einmal im Leben vom Glück begünstigt zu sein und ein paar Lebensmittel oder ein Kleidungsstück bekommen zu können. Unzählige Gebete wurden zu Gunsten der Spender gesprochen, unzählige "Bolschoi spassiba!" (Vielen Dank!) den Deutschen mit auf den Weg gegeben.

Doch nicht nur Sachspenden aus Halver sorgten für tiefe Dankbarkeit bei den Empfängern. Für die von der Rußland- und Osteuropahilfe Plettenberg unterhaltene Suppenküche im Kulturpalast des Frunsenski-Bezirkes überbrachte Frau Winkler aus Halver persönlich eine Bargeld-Spende von 1.000 Mark. Damit können Lebensmittel zur Beköstigung von täglich rund 160 bedürftigen älteren Menschen des Bezirks gekauft werden. Für etwa sechs Wochen kann die Suppenküche damit die täglichen, kostenlosen warmen Mahlzeiten finanzieren.

Geldspenden von rd. 4.500 Mark aus Halver, darunter die Kollekte der Evangelischen Kirchengemeinde von allein 1.500 Mark, hatten den 14. Transport der Rußlandhilfe finanzieren helfen. Insgesamt 7 t Hilfsgüter wurden per Lkw nach St. Petersburg gebracht und dort in mehreren Stadtbezirken verteilt. Zahlreiche Halveraner werden - sofern sie z. B. ihre Adresse im Spendenpaket hinterlassen haben - in den nächsten Wochen wohl Post aus St. Petersburg bekommen mit dem Dankeschön des Empfängers.

Völlig unbegreiflich war für alle Beschenkten, daß Bürger einer kleinen Stadt im Sauerland, aus uneigennützigen Motiven heraus, ihnen doch völlig fremde Menschen in St. Petersburg mit solch schönen Kleidungsstücken, Kindersachen und Lebensmittel beschenkten. Immer vermutete man eine der großen Holfsorganisationen hinter der Hilfsaktion. Besonders unfaßbar war für die Beschenkten, daß es ausgerechnet sie getroffen hatte, wo doch "sonst niemand an uns denkt".

Kontakte in Form von Partnerschaften mit Halveraner Schulen möchten die russischen Grundschulen knüpfen, die mit Schulbüchern beschenkt wurden. Eingeladen, Mitglied im "Freundeskreis Evang.-Lutherische Kirche St. Petersburg" zu werden, wurde die Evang. Kirchengemeinde Halver. Ansprechpartner für Propst Frank Lotichius aus der Petri-Kirche am Newski-Prospekt und für die Schulen ist Elfriede Skeyde aus Halver, die die Spendenaktion initiiert hatte.