Ereignisse des Jahres 1915 (Quelle: Süderländer Tageblatt)

JANUAR
12. Feueralarm schreckte vergangene Nacht zwischen zwei und drei Uhr die Bewohnerschaft aus dem Schlaf. Es stand das Fabrikgebäude der Schlosserei Weyer in der Ziegelstraße in hellen Flammen und brannte nebst der über der Werkstatt liegenden Wohnung des Inhabers völlig aus. Die Maschinen und das Mobiliar sind vernichtet. Unsere Freiwillige Feuerwehr war prompt zur Stelle und nahm den Kampf mit dem gierigen Element tapfer auf. Der Schaden ist durch Versicherung bei der Provinzialfeuersozietät gedeckt. Die Entstehungsursache des Brandes konnte nicht festgestellt werden.

FEBRUAR
09. Gestern Abend gerieten zwei Personen in Eiringhausen in Wortwechsel, wobei der eine der Beteiligten, Fabrikarbeiter H. W., von seinem Gegner einen Schuss in den Leib erhielt. Schwer verletzt wurde er ins Krankenhaus in Plettenberg geschafft, während sich der Täter, ein hier angestellter Schachtmeister, unter der Angabe, in Notwehr gehandelt zu haben, selbst der Polizei stellte. Nach Angaben von Augenzeugen soll jedoch von Notwehr keine Rede sein können.

MÄRZ
04. In der Sitzung der Gemeinde-Vertretung von Plettenberg-Land wurden mehrere Themen besprochen. Der Unterbringung und Beschäftigung von vorläufig 20 Kriegsgefangenen in der Landgemeinde wird zugestimmt. Das Risiko übernimmt die Gemeinde, auch werden die allgemeinen Unkosten auf die Gemeinde übernommen. - Der Urbarmachung einer Oedlandfläche oberhalb Landemert im Sinne des Kostenanschlags des Meliorationsbauamtes in Hagen vom 23. Februar 1915 wird zugestimmt. Der Herr Amtmann wird gebeten, zu den Ausführungskosten aus dem Notstandsfonds eine Beihilfe zu erbitten und eine weitere Beihilfe aus dem Westfonds. Die Ausführungsarbeiten sind alsbald in Angriff zu nehmen, damit die Fläche noch in diesem Frühjahr bestellt werden kann.
12. Der gestrige Fritz-Reuter-Abend des Herrn Anton Melzer hatte leider nur eine kleine Gemeinde von Verehrern Reuterschen Humors versammelt. Der Vortragende verstand es, mit seiner hervorragenden Kunst die Zuhörer auf's schönste zu unterhalten, und erntete viel Beifall, musset jedoch bedauerlicherweise den Abend vorzeitig abbrechen, da die Vorträge, bei denen, wenn sie wirken sollen, Mäuschenstille herrschen muss, durch das unterm Saal stattfindende Kegeln stark beeinträchtigt wurden, so dass auch manche Zuhörer deshalb früher wieder fortgingen. Hoffentlich findet Herr Melzer später einmal eine günstige Gelegenheit, seine herzerquickende Kunst hier walten zu lassen.
18. Die Allgemeine Ortskrankenkasse der Stadt Plettenberg hat auf die Kriegsanleihe 40.000 Mark gezeichnet, die Schulsparkasse zeichnete 6.000 Mark. Bei der hiesigen Sparkasse wurden gezeichnet: 9.300 Reichsschatzanweisungen, 86.400 Reichsanleihe (Schuldbucheintragungen), im ganzen 1.010.300 Mark. Hiernach zu urteilen dürfte der Erfolg der Zeichnung im ganzen Reiche ein enormer sein.
27. An unsere werten Leser und Inserenten! Wegen Personalmangel ist es uns leider unmöglich, zur Zeit allen an uns gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Besonders stößt bei den wenigen Kräften, die noch nicht zur Fahne einberufen sind, die Bewältigung des Annoncenteils auf Schwierigkeiten, so dass wir um gütige Nachsicht bitten, wenn manche, namentlich die umfangreichen Inserate, nicht mehr wunschgemäß in der fälligen Nummer zur Aufnahme gelangen können, sondern bis zur nächsten Ausgabe des Blattes verschoben werden müssen. Wir haben alles versucht, für die fehlenden Kräfte Ersatz zu bekommen, bisher aber leider vergebens. (ab 01.10.1913 geht das »Süderländer Tageblatt« [vorher Süderländer Wochenblatt] von bislang dreimal wöchentlicher - dienstags, donnerstags, samstags - zur täglichen Erscheinungsweise über)

APRIL
03. Eine große Zahl der vielen, noch nicht wehrpflichtigen jungen Männer im hiesigen Stadtbezirk, namentlich diejenigen im Alter von 18 bis 20 Jahren, hält sich noch immer der Jugendwehr fern. Dies ist eine sehr bedauerliche Erscheinung, denn gerade den jungen Leuten im Alter von 18 bis 20 Jahren kommt die militärische Vorbildung bei ihrem Eintritt in den Heeresdienst besonders zugute. Von den 180 jungen Leuten, die sich bei der Gründung der Jugendwehr gemeldet haben, üben jeden Sonntag durchschnittlich 120 Mann mit Hingebung und Eifer für die zur Erhaltung der Schlagfertigkeit unseres hart bedrängten Vaterlandes so hochwichtige Sache. Darum heran, ihr säumigen jungen Leute! Keiner bleibe mehr zurück, wo es die große, heilige, hehre Sache gilt, wo es sich um das Wohl und Wehe des Vaterlandes handelt. Sagt nicht, dass es keinen Zweck mehr habe, denn auch Euch kann der Ruf zum Heeresdienst bald treffen. Der Bürgermeister: Köhler.
06. Die Feiertage haben bezüglich des Wetters leider nicht die Erwartungen erfüllt. Der erste Feiertag war vollständig verregnet, am zweiten Tage wehte zwar Frühlingsluft, doch auch seine Signatur war, einige bessere Nachmittagsstunden abgerechnet, regnerisch. Die Feldgrauen waren zahlreich hier auf Urlaub vertreten und verliehen dem Verkehr sein charakteristisches Gepräge. Von den sonst üblichen Osterfeuern war nicht viel zu sehen; dafür werden später gewiss die Siegesfeuer desto leuchtender ringsum auf den Bergen emporflammen können.
17. Mitten im Kriege hat das neue Schuljahr begonnen. Wir Deutschen sind in dieser Beziehung ein Volk der Ordnung, und auch unter schwierigen Verhältnissen muss bei uns alles klappen, so weit und so gut es eben geht. Gerade auch der Schulbetrieb ist ja gegenwärtig mit gewissen Erschwernissen verbunden, da viele Lehrkräfte durch den Waffendienst in Anspruch genommen sind, oder noch jeden Tag einberufen werden können. Aber, wie gesagt, die gute Volksschulbildungssache wird trotz allem durch- und aufrecht gehalten, und die Jungen und Mädel, die ganz begreiflicherweise den Kopf voll Kriegsbilder haben, müssen sich schon daran gewöhnen, die Aufmerksamkeit auch auf das übliche tüchtige Lernen zu richten.
27. Die Eröffnung der neuen Sauerlandsbahn Plettenberg-Herscheid findet voraussichtlich am 15. Juli dieses Jahres statt. Trotz des Krieges ist der z. T. recht schwierige Bahnbau nun so weit gefördert worden, dass in wenigen Monaten der Betrieb wird aufgenommen werden können. Recht stattlich nehmen sich die verschiedenen Bauten der 16,4 Kilometer langen Strecke aus, so die imposante Eisenbahnbrücke über die Lenne, dann die Haltestelle im Hestenberg mit ihrem hübschen Mauerwerk, das von der Stadt aus gesehen wie eine kleine Burg auf der Höhe anmutet, ferner der stattliche Bahnhof Plettenberg-Oberstadt, von dessen Stationsgebäude man eine herrliche Aussicht auf die Berge genießt und all' die übrigen geschmackvollen Anlagen durch das romantische Elsetal bis zum Endpunkt, dem hoch- und schöngelegenen Herscheid.

MAI
03. 20. Die Pfingstferien sind für die höheren Schulen und Volksschulen (Stadt und Amt) von gleicher Dauer und zwar Schluss des Unterrichts Freitag, den 1. Juni. Die Regierung lässt den Kreisschulinspektoren folgende Verfügung zugehen: "Wir ordnen hiermit an, dass an den von uns unterstellten Schulen am letzten Schultage vor den Ferien der Unterricht um 12 Uhr geschlossen wird. Ein früherer Schulschluss ist unzulässig".

JUNI
10. Welch' große Liebe und Wertschätzung auch bei der hiesigen evang. Bevölkerung der nun scheidende Seelsorger der katholischen Gemeinde, Herr Pfarrer Hermesmeyer, sich erfreut, davon legte so recht die erhebend verlaufene festliche Sitzung der städtischen Schuldeputation am gestrigen Nachmittag beredtes Zeugnis ab. Auf Einladung unseres Stadtoberhauptes hatten sich die Mitglieder der Korporation im Rathaussaale versammelt, um vom scheidenden Herrn Geistlichen, der stets mit Hingabe, Sachkenntnis und Freundlichkeit zugleich für unsere städtisches Schulwesen in den 13,5 Jahren seines Hierseins gewirkt, sich zu verabschieden. Herr Bürgermeister Köhler zeigte in seiner herrlichen Ansprache, wie treueste Pflichterfüllung als Seelenhirte der ihm anvertrauten Gemeinde und als Mitglied der städtischen Schuldepotation und Ortsschulinspektor stets Kern und Stern der langjährigen Tätigkeit des Scheidenden gewesen sei. Der Geehrte dankte in bewegenden Worten und führte aus, wie in unserem gesamten städtischen Gemeindewesen ihm stets Vertrauen entgegengebracht worden sei, so dass hierorts auch die Interessen der katholischen Minderheit der Bevölkerung aufs beste, edelste und gerechteste gewahrt worden wären.
18. Gestern Nachmittag 16.30 Uhr traf der neue Seelsorger der hiesigen kath. Gemeinde, der hochw. Herr Pfarrer Stuhlmann am Bahnhof ein. Dortselbst wurde er von dem Herrn Kaplan Rosenthal aus Werdohl, den Herren des kath. Kirchenvorstandes, der kirchlichen Gemeindevertretung, dem Vorsitzenden des Männerverein und einem Vertreter der Lehrerschaft in Empfang genommen und, durch die im Flaggenschmuck prangenden Straßen, überall freundlich begrüßt, unter feierlichem Glockengeläut zur Stadt geleitet. Vor der Kirche hatten gegen 100 weiß gekleidete Mädchen und die übrigen Schulkinder Aufstellung genommen, umringt von den zahlreich erschienenen Gläubigen. Am kommenden Sonntag findet die kirchliche Einführung durch den Herrn Dechanten aus Menden statt.

JULI
09. Ein reger Verkehr herrschte gestern den ganzen Tag über hier und in den am neuen Schienenwege liegenden benachbarten Orten anlässlich der Bahneinweihung Plettenberg - Herscheid. Die Züge hin und her wurden so stark benutzt, dass sie geradezu überfüllt waren. Besonders flutete auch in Eiringhausen der Verkehr zusammen. Dort und in Plettenberg ging es wie allerwärts in den Lokalen zu. Der gestrige Tag gab ein erfreuliches Vorzeichen dafür ab, dass auch unter dem nunmehrigen modernen Verkehrsmittel das freundnachbarliche Verhältnis zwischen den Gemeinden Plettenberg und Herscheid weiter bestehen bleibt, ja, sich immer noch freundlicher gestalten wird.

AUGUST
30. Die zwischen Hüinghausen und Haus Habbel rechts an der Chaussee nach Herscheid gelegene Kantine des Wirtes Cardenzana ist in der Nacht zu heute ein Raub der Flammen geworden. Zwei Personen (jedenfalls zwei dort nächtigende Bahnarbeiter) sind dabei leider umgekommen; ihre verkohlten Leichname wurden unter den Trümmern hervorgeholt. Näheres über die Entstehungsursache des Brandes ist noch nicht bekannt. Die hübsch am Weg gelegene, stattlich gebaute Wirtschaft, bot auch Wanderern und Ausflüglern einen angenehmen Aufenthalt.

SEPTEMBER
05. Das Eiserne Kreuz ist dem auf dem östlichen Kriegsschauplatze kämpfenden Herrn Lehrer Peter Heinz Kirchhoff, Sohn des Herrn Gutsbesitzers Kirchhoff aus Pasel, verliehen worden. Der in Sängerkreisen als vortrefflicher Chorleiter bekannte junge Held hat somit bewiesen, dass er das Schwert ebenso gut wie den Dirigentenstab zu schwingen versteht. Ein dreifach kräftiges Hurra dem tapferen Streiter!

NOVEMBER
16. Nachdem es gestern bereits mehrfach geschneit hat, ist infolge weiteren Schneefalls über Nacht die weiße Decke, in die seitdem Berg und Tal gehüllt sind, noch dichter geworden; nur in den Straßen hielt sich der Schnee nicht lange. Früher als sonst ist der Winter diesmal schon eingekehrt, wie es ja auch von den Wetterpropheten prophezeit worden war. Hoffentlich wird seine Herrschaft neben der des Kriegsgottes Mars nicht all zu streng, damit unsere Feldgrauen, wie auch die Bevölkerung daheim, nicht all zu sehr unter beiden Übeln zu leiden haben.
19. Auch während der Kriegszeit hat die hiesige Stelle der Trinkerfürsorge für Stadt und Amt Plettenberg dank der regen Tätigkeit des zum Fürsorger bestellten Herrn Wilhelm Schulte (Dingeringhauser Weg) in großem Segen gearbeitet. Während am 30. März 1914 die Anzahl der sich in Fürsorge befindlichen Personen in der Stadt auf 45 und im Amt auf 40 belief, betrug die Zahl am 31. März dieses Jahres nach dem Bericht des Fürsorgers in der diese Woche stattgehabten Sitzung des Ausschusses in der Stadt 50 und im Amte 46. In Heilstätten waren untergebracht aus der Stadt 6 und aus dem Amte 7 Personen. In 6 Fällen wurde der Arbeitslohn durch die Fürsorge verwaltet. In vielen Fällen wurde durch die schwere, aber gesegnete Tätigkeit des Herrn Schulte wieder geordnete Verhältnisse in das Familienleben ehemaliger Trinker gebracht. In den Ausschuss wurden die Herren Beigeordneten Reinländer für die Stadt und Gemeindevorsteher Seuthe für das Amt neu gewählt.
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Lexikon für die Stadt Plettenberg, erstellt durch Horst Hassel,
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