Ereignisse des Jahres 1914 (Quelle: u. a. Süderländer Tageblatt)
JANUAR
02. Der Übergang vom alten zum neuen Jahre vollzog sich in
Plettenberg in der üblichen feierlichen Weise. Der Silvestergottesdienst
am Mittwochabend war wie immer stark besucht. Zur zwölften Stunde
begrüßte der Posaunenchor während der Silvesterfeier des evangelischen
Männer- und Jünglingsvereins vom Platz vor dem Vereinshause herab den
Einzug des jungen Jahres. Einzelne Freudenschüsse und Jubelrufe tönten
durch die sonst stille Winternacht. Von Eiringhausen her erklang das
harmonische Geläut der neuen Kirchenglocken.
24. Das bekannte Sprichwort "Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht
er aufs Glatteis" hat hier eine im wahrsten Sinne des Wortes tragische
Illustration erhalten. Der Langohr, den sich der Wirt der Gaststätte
an der Oestertalsperre für leichtere Arbeit und zum Amüsement der Gäste
seit längerer Zeit hielt, ist bei der großen hier herrschenden Kälte
ums Leben gekommen. Das Tier war so zahm, dass es öfters in der Nachbarschaft
Besuche abstattete. Und so hatte es sich auch in einer der letzten
kalten Nächste aus dem versehentlich unverschlossen gebliebenen Stall
entfernt. Am anderen Morgen fand man das Tier auf dem Eis der Sperre
liegend erfroren auf. Es war vermutlich bei der Glätte ausgerutscht und
hat sich nicht wieder erheben können.
FEBRUAR
02. Einen recht vaterländischen Charakter trug die schöne Feier
in Holthausen, welche am gestrigen Samstag von dem hiesigen Landwehrverein,
MGV Männerchor, MGV Männerquartett, Turnverein Westfalia und der
Freiwilligen Feuerwehr aus Anlass des Geburtstages Sr. Majestät im
Viereggeschen Saal veranstaltet wurde. Die Patrioten hatten sich mit
ihren Damen derartig zahlreich eingefunden, dass das Fest den erfreulichen
Anblick eines dicht besetzten Saales bot. Als Redner des Abends nahm
Herr Fabrikant Gust. Wernecke das Wort zur Festrede und führte etwa
folgendes aus: Unser geliebter Kaiser habe es hervorragend in den 25
Jahren seiner Regierung verstanden, uns den Frieden zu bewahren. Groß
und erhaben stehe unser Vaterland da. Handel und Gewerbe, Industrie
und Landwirtschaft habe der Kaiser stets gefördert.
14. Kauft in Plettenberg! Aus hiesigen Geschäftskreisen wird uns
berichtet: "Durch auswärtige, marktschreierische Reklame, worin dem
laufenden Publikum durch sogenannte Lockvögel wie "Freie Fahrt bei
Einkauf von 20 Mark" und so weiter alles Mögliche geboten wird, lässt
sich das Publikum vielfach verleiten, seinen Bedarf auswärts zu decken.
Wenn man jedoch nachträglich den wirklichen Wert der eingekauften Sachen
betrachtet, dann dürfte sich vielfach ergeben, dass, wenn alle Unkosten
in Betracht gezogen werden, man seine Einkäufe ebenso gut und ebenso billig
bei uns am Platze hätte machen können. Die reelle und gute Bedienung der
Kundschaft in Plettenberg dürfte nichts zu wünschen übrig lassen. Es ist
weiter in Betracht zu ziehen, dass wir als steuerzahlende Bürger doch
auch erhebliche Steuerabgaben zahlen müssen und dürfte es deshalb nicht
im Interesse unseres Gemeinwesens liegen, wenn das Geld bei Einkäufen
unnütz nach auswärts getragen wird."
21. Das für gestern angesetzte Wettspiel zwischen Untergrüne und
Hohenzollern Plettenberg, ist wegen des schlechten Witterungszustandes
nicht ausgefochten worden. Es waren vielmehr nur sieben Spieler von Grüne
erschienen und fand deshalb ein Gesellschaftsspiel zwischen beiden
Vereinen statt, wobei die Hohenzollern Sieger blieben. Grüne wurde bei
diesem Spiel von drei Spielern der Hohenzollern unterstützt. Das definitive
Wettspiel findet an einem der nächsten Sonntage statt.
MÄRZ
02. Zum Bahnhofsumbau wird uns geschrieben: Die vorgesehenen
Umbauten am hiesigen Bahnhof in Eiringhausen werden in aller Kürze
ihren Anfang nehmen, um dieselben bei der Fertigstellung der
Herscheid-Plettenberger Bahn gleichzeitig in Betrieb nehmen zu können.
Das Bahnhofsgebäude wird wieder an der alten Stelle zu stehen
kommen, aber etwas mehr zurückgeschoben. Die Restaurationsräume
sowie die Betriebsräume werden während dieses Umbaus neben dem Bahnhof
in dem jetzigen Garten in einer dafür gebauten Halle ihre Unterkunft
finden. Mit dem Brückenbau im Kahley ist man bereits fertig und
macht die Eisenbahnbrücke von Eiringhausen aus in ihrer imposanten
Länge, mit der sie die Lenne überspannt.
26. Im Jahre 1820 gab die königliche Regierung im Amtsblatt
Auskunft über 420 aus Russland nicht zurückgekehrte Krieger aus dem
Regierungsbezirk Arnsberg (Anm. d. Red.: gemeint ist Napoleons
Russlandfeldzug von 1812, an dem auch Westfalen an der Seite der
Franzosen kämpften). In diesem Verzeichnis stehen aus dem Kreise
Altena 38 in Russland verbliebene, dort in den Kämpfen gefallene
oder später gestorbene Sauerländer. Zwei davon stammten aus unserer
Stadt, und zwar: Schröder, Peter Diedrich, gestorben zu Jelisawetgrad
(Gouv. Cherson) und Setter, Johann Diedrich, gestorben zu Motschau
(Gouv. Pensa).
APRIL
18. Vor dem Tode des Ertrinkens gerettet wurde gestern Nachmittag
das zehnjährige Töchterchen der Witwe Sch. von der Umlaufstraße hierselbst.
Das Mädchen, welches sich mit seiner Mutter zum Garten am Wall begeben
hatte, hatte sich entfernt und mit einem Ball gespielt. Derselbe war der
Kleinen in den Haarmann'schen Teich gefallen und wollte sie ihn wieder
Auffischen, wobei sie plötzlich ausrutschte und in das Wasser stürzte.
Auf seine Hilferufe, welche zwei in der Nähe weilende Männer hörten, wurde
das Kind wieder an Land gezogen.
30. Heute Morgen gegen 3.00 Uhr wurden die Bewohner durch die
Brandsignale der hiesigen Feuerwehr in ihrer nächtlichen Ruhe gestört.
Bis auf jetzt unaufgeklärter Weise war auf dem Boden des Wohnhauses
des Drahtziehers August Petter am Dingeringhauser Wege Feuer ausgebrochen.
Das verheerende Element griff, da auf dem Boden noch größere Heuvorräte
lagerten, mit rapider Geschwindigkeit um sich, so dass der Dachstuhl
in wenigen Minuten in lichterlohen Flammen stand und der nach der östlichen
Seite hin auf den Bodenzimmern wohnende Fabrikarbeiter K., da das Treppenhaus
nicht mehr erreichbar war, mit seiner Familie nur durch die Fenster
gerettet konnte, jedoch in der Familie leider sämtliches Mobiliar usw.
verbrannte. Unserer Freiwilligen Feuerwehr, welche flott und fast vollzählig
zur Stelle war, gelang es bald,des Feuers Herr zu werden. Nach einer
dreistündigen Arbeit rückte die Wehr unter Zurücklassung einer Brandwache
wieder ab.
MAI
23. Auf die Grundsteinlegung zum Turnhallenbau des Turnvereins
Jahn hierselbst morgen Abend sei auch an dieser Stelle hingewiesen. Der
sich im Saale des Herrn Rüsing anschließende Kommers wird durch turnerische
Vorführungen des Vereins wie durch die gütige Mitwirkung des hiesigen
Männergesangvereins verschönt werden. Bemerkt sei noch, dass sich die
Teilnehmer an der feierlichen Grundsteinlegung vor derselben um halb 7 Uhr
im Rüsing'schen Lokale zum gemeinsamen Zug nach dem Bauplatz versammeln.
In Anbetracht des für den Verein so bedeutenden Ereignisses ist die
Beteiligung hoffentlich eine zahlreiche.
29. Große Freude herrschte heute Nachmittag unter der Bewohnerschaft
von Eiringhausen, dass ihr Wunsch, das neue Bahnhofsgebäude an der alten
Stelle zu erhalten, in Erfüllung gegangen ist. Es sollen nun noch, wie es
heißt, bei der Eisenbahndirektion Schritte getan werden, dahin zu wirken,
dass der Name Station "Plettenberg" in "Eiringhausen" umgeändert wird.
JUNI
07. Als gestern Abend eine Dienstmagd in Eiringhausen die Kühe von
der Weide holen wollte, wurde sie von einer Kuh angegriffen, auf die Hörner
genommen und hoch in die Luft geschleudert. Rasch hinzukommende Personen
trieben die Kuh in die Flucht, so dass das Mädchen, ohne großen Schaden
erlitten zu haben, mit dem Schrecken davonkam.
15. Über ein Gaunerstückchen wird uns berichtet: Ein Knecht des
Fuhrwerksmeisters D. in Eiringhausen, welcher mit zwei wertvollen Pferden
nach außerhalb geschickt wurde, wurde von einem sich zu ihm gesellt
habenden Schirmmacher aus Hemer betrunken gemacht, und in diesem Zustande
verkaufte er die beiden über 3.000 Mark bewerteten Tiere für 100 Mark
an den Schirmmacher. Auf dem Wege von Balve nach dem Hönnetal gerieten
nun der Knecht mit seinem Käufer in Streit, worauf sie sich verprügelten.
Die Pferde liefen inzwischen weiter und wurden in Sanssouci bei Platthaus
aufgehalten. Herr D. konnte am Samstag die Pferde dortselbst wieder in
Empfang nehmen.
27. Der gestrige Sonntag stand hier wie überall ganz unter dem
Zeichen der politischen Lage. Die Ereignisse zwischen Oesterreich und
Serbien und der drohende Eingriff Rußlands bildeten allenthalben das
Tagesgespräch. Dichte Gruppen standen vor den ausgehängten Extrablättern
und in unserer Redaktion ging es lebhaft zu mit mündlichen und telefonischen
Anfragen, über die bereitwillig Auskunft erteilt wurde. Auch heute ließ
uns das Telefon wenig Ruhe zu geregelter Arbeit, wie denn überhaupt solche
weltbewegenden Ereignisse für die Presse ein voll gerüttelt Maß von
Arbeit bedeuten - eine ihrer schönsten Aufgaben, der sie sich im Dienste
der Öffentlichkeit gern und willig unterzieht.
JULI
01. Am morgigen 2. Juli vollendet Frau Charlotte Kluge, Stolzestr. 44,
Sarstädt, wohnhaft, ihr 82. Lebensjahr. Die geistig wie körperlich sehr
rüstige Greisin hat hier in Plettenberg das Licht der Welt erblickt und
ist die Mutter des ebenfalls in Plettenberg geborenen Herrn Sanitätsrat
Dr. Kluge in Sarstädt, dem sie im Jahre 1890 mit ihrem inzwischen verstorbenen
Gatten und ihren Töchtern dorthin gefolgt war. Die alte Dame ist seit
25 Jahren eine treue Abonnentin des "Süderländer" gewesen und erwartet
noch heute jede Nummer täglich mit Sehnsucht, um Freud und Leid aus ihrer
alten Heimat, an der sie mit ganzem Herzen hängt, zu erfahren. So bringen
wir denn dem greisen Geburtstagskinde zum morgigen Wiegenfeste unseren
herzlichsten Glückwünsche dar. Möchte es noch viele, viele weitere Jahre
in Gesundheit und Frische sich bei der Lektüre unseres Blattes der teuren
Heimat erinnern können.
14. Ein noch glimpflich abgelaufener Bahnunfall ereignete
sich heute Vormittag gegen 8 Uhr am Übergang zum Hotel Ostermann.
Als zu dem von Hagen kommenden Durchgangszug die Barriere
heruntergelassen werden sollte, blieb dieselbe vor den Hinterrädern
eines noch passierenden Fuhrwerks hängen, so dass sie beschädigt
wurde. Der herannahende Zug konnte durch Notsignale noch rechtzeitig
vor dem Übergang zum Halten gebracht werden, so dass Fuhrmann und
Pferd unversehrt blieben. Eine Schuld an dem Vorfall soll, wie uns
mitgeteilt wird, niemand treffen, vielmehr dürfte derselbe auf einen
unglücklichen Zufall zurückzuführen sein.
28. Der gestrige Sonntag stand hier wie überall ganz unter dem
Zeichen der politischen Lage (Kriegserklärung Österreich-Ungarns an
Serbien). Die Ereignisse zwischen Österreich und Serbien und der
drohende Eingriff Russlands bildeten allenthalben das Tagesgespräch.
Dichte Gruppen standen vor den ausgehängten Extrablättern und vor
und in unserer Redaktion ging es lebhaft zu mit mündlichen und
telephonischen Anfragen, über die bereitwillig Auskunft erteilt wurde.
Auch heute ließen uns das Telephon wenig Ruhe zu geregelter Arbeit,
wie denn überhaupt solche weltbewegenden Ereignisse für die Presse
ein voll gerüttelt Maß von Arbeit bedeuten - eine ihrer schönsten
Aufgaben, die sie sich im Dienste der Öffentlichkeit gern und willig
unterzieht.
29. Als der Sägemüller Richard Reutler gestern Abend von seiner
Arbeitsstelle am Kamp auf dem Weg nach Hause war, wurde er am Graben
in der Nähe der Ostermannschen Wohnung von einem Unwohlsein betroffen
und blieb besinnungslos liegen. Der schnell hinzugezogene Arzt konnte
nur noch den inzwischen eingetretenen Tod infolge Herzschlags konstatieren.
Der Verstorbene ist gebürtig aus Schlesien und war hier am Graben in
Kost. Die Leiche wurde zur Leichenhalle gebracht.
AUGUST
20. In der Vorstandssitzung der Freiwilligen Feuerwehr Plettenberg
ist beschlossen worden, für die zur Fahne einberufenen Wehrleute während
der Kriegszeit Ersatzmannschaften zur Hülfeleistung bei Bränden heranzuziehen.
Es liegen ausreichend viele freiwillige Bewerbungen vor. Soweit Arbeitsröcke
zur Ausrüstung der Ersatzmannschaften vorhanden sind, sollen dieselben
für die zur Steiger- und Hydrantenabteilung in Aussicht genommenen Mannschaften
bereitgestellt werden. Die Einkleidung, zu welcher die Ersatzmannschaften
noch besonders geladen werden, soll am Freitag, dem 21. des Monats, im
Spritzenhause auf dem Wieden stattfinden.
SEPTEMBER
02. Ein schönes Fest seltener Art konnte am gestrigen Tage die
Firma W. O. Schulte begehen. Zum 40. Male kehrte der Tag wieder, an
dem der leider schon vor einigen Jahren heimgegangene Seniorchef, Herr
W. O. Schulte, den Grundstein zu dem heutigen Unternehmen legte,
und gleichzeitig konnten noch vier alte treue Mitbegründer und zwar
die Herren Werkmeister Robert Sprenger und Wilhelm Klöcker sowie die
Arbeiter Fritz Klein und Siebert Hoffmann diesen Tag in voller
Frische begehen. Als Zeichen zur Feier wehte schon seit dem frühen
Morgen die Flagge vom Dachfirst der Fabrik herab und fleißige Hände
hatten es sich nicht nehmen lassen, den ehemaligen Arbeitsraum des
Begründers der Firma sowie die Arbeitsstätten der Jubilare mit frischem
Grün auszuschmücken. Von einer öffentlichen Feier wurde in Anbetracht
der schweren Zeit abgesehen.
08. Am 4. ds. wurde von Herrn Amtmann Struchtemeier im Lokale
des Herrn Adolf Siepmann eine Sanitätskolonne ins Leben gerufen. Diese
soll den Zweck erfüllen, Verwundeten und Verunglückten in Kriegs- und
Friedenszeiten Hülfe zu leisten. Samstag, den 5. ds. wurde unter Leitung
des Herrn Dr. Wilmes die Wahl des Vorstandes vorgenommen, anschließend
hieran wurden Vorträge und Übungen vorgenommen. Die Mitgliederzahl beträgt
bis hierhin 30. Übungsstunden finden dienstags, donnerstags und samstags
abends um 20.30 Uhr statt.
14. Heute Mittag riefen die Brandsignale der Freiwilligen Feuerwehr
die Bewohnerschaft aus den Häusern. Es stand das weit bekannte und
altberühmte erste Gasthaus unserer Stadt, das Hotel Böley, dessen
Besitzer zut Zeit im Felde steht, in hellen Flammen. Der Saalanbau
sowie das Vorderhaus mit den Hotel- und Gastzimmern, auf welche das
Feuer vom Saalanbau übersprang, haben arg gelitten. Die Entstehungsursache
soll Kurzschluss im hinteren, alten Teil des Hotels sein, welch' letzter
gänzlich zerstört wurde. Die Zimmer in der ersten Etage sind durch
Wasser unbrauchbar geworden. Unsere Freiwillige Feuerwehr lokalisierte
in anstrengender Arbeit den Brand mit teilweiser Unterstützung der
Nachbarn. Der entstandene Schaden ist teilweise durch Versicherung
gedeckt. Eine große Zuschauermenge sah dem Brande vom Maiplatz aus
zu.
23. Der hiesige Ortsausschuss für Jugendpflege beschloss die
Bildung einer Plettenberger Jugendkompanie bzw. eines Bataillons. Das
Kommando wird Herr Postassistent Hermann Siegler übernehmen, der früher
etatmäßiger Feldwebel im 173. Inf.-Reg. war. Er wird durch Unteroffiziere
des Landwehrvereins unterstützt werden. Sein Vertreter ist Herr
Gerichtssekretär Kemper, ehemaliger Wachtmeister. Ein Offizier ist
hierorts zur Zeit nicht mehr anwesend, da sämtliche im Felde stehen.
Die Übungen sollen sonntagnachmittags von 2 - 5 Uhr stattfinden. Zunächst
wird sich der Landrat in einem öffentlichen Aufruf an die Jugend des
Kreises wenden, um diese aufzufordern, sich zwecks Aufnahme in die zu
bildenden Jugendabteilungen bei den zuständigen Gemeindebehörden zu
melden. In Frage kommen junge Leute im Alter von über 16 Jahren.
23. Der Inhaber der weit und breit bekannten Wirtschaft Biermann
in Ohle, des Vereinslokals hiesiger Vereine, Herr Fritz Biermann, ist
laut nach Plettenberg gelangten Nachrichten im Rheinland tödlich verunglückt.
Der Verstorbene hatte sich als Kriegsfreiwilliger gemeldet und ist auf
der Tour in der Nähe von Köln in den Rhein geraten und ertrunken. Seine
Leiche wurde bei Mülheim a. Rh. gelandet. Dem betrübenden Fall bringt
man allgemeine Anteilnahme entgegen.
OKTOBER
13. Leserbrief: Mit durchaus geteilten Gefühlen hat wohl ein großer Teil
der Bürgerschaft den Beschluss des Magistrats bezüglich der Ablehnung
des Grundstücksangebotes des Gastwirts Rohlfing aufgenommen, obgleich
dieser Beschluss einstimmig gefasst sein soll. Versteht man auch einerseits
die Vorsicht dieses Beschlusses, in den jetzigen Zeiten die finanzielle
Lage der Stadt als allein maßgebenden Grund für die Ablehnung zu betrachten,
so kann man andererseits aber auch nicht verhehlen, dass diese Vorsicht
vielen als durchaus übertrieben erscheint. Zwar hatte man sich im Laufe
der Jahre an das zusammengeflickte Äußere des ehemaligen Hotel Böley am
Maiplatz gewöhnt, aber die Tatsache blieb doch bestehen, dass der schönste
Platz der Stadt durch den alten Kasten verschandelt wurde. Dass wir eines
Tages ein neues Rathaus nötig haben, ist eine nicht hinwegzuleugnende
Tatsache. Die jetzige alte Bude der Stadtväter genügt kaum noch den
bescheidensten Ansprüchen. Der gegebene Platz für ein neues Rathaus wäre
unstreitbar der Maiplatz. Wird später einmal die Rathausfrage akut, dann
wird man nicht begreifen, dass man sich den Platz hat entgehen lassen,
zumal andere günstig gelegene Plätze selten und jedenfalls nicht billiger
sind. Einer für viele
17. Von einem bedauerlichen Unglücksfall wurde gestern Abend hier
der Chauffeur eines Mietautos aus Hagen betroffen, indem beim Anzünden
die Laterne des Kraftwagens explodierte, wodurch er schwere Brandwunden
im Gesicht und an den Augen davontrug. Nachdem dem Verunglückten die erste
ärztliche Hülfe durch Herrn Dr. Möller geleistet worden war, verbrachte
er die Nacht im "Hotel zur Post" hierselbst, um heute früh durch einen
hiesigen Führer in dem Auto zur weiteren Behandlung nach Hagen geschafft
zu werden.
22. Das zweite Heldenbegräbnis fand gestern in Plettenberg statt.
Eine große Trauergemeinde bewegte sich nachmittags durch die Grüne- und
Kaiserstraße nach dem neuen Friedhof, um die sterblichen Überreste des
durch brüderliche Liebe und Treue aus Feindesland hierher geholten
Kameraden Alex Allhoff der letzten Ruhe im Familienbegräbnis neben Vater
und Mutter zu übergeben. Im Zuge marschierten mit dem Plettenberger
Landwehrverein, der in dem gefallenen Helden den ersten Kameraden verlor,
der von seinen Mitgliedern auf dem Felde der Ehre starb, der Turnverein
Jahn, dessen hervorragender Wettturner der Verstorbene war, der hiesige
Männerchor, der am Hause und am Grabe ergreifende Lieder vortrug, und
Vertreter anderer Turnvereine. Am elterlichen Hause hielt Herr Pfarrer
Klein die tief empfundene Standrede.
NOVEMBER
09. Gestern Abend 10 Uhr ist gegenüber dem Kontorgebäude der Firma
Graewe & Kaiser der Abteilungsmeister Albert H. von dem Kleinbahnzuge
Nr. 20 überfahren worden. H. ist sofort von dem herbeigerufenen Herrn
Dr. Wilmes aus Eiringhausen in Behandlung genommen und noch mit demselben
Zuge in das Krankenhaus hierselbst gebracht worden, wo ihm der rechte
Unterschenkel kurz unterhalb des Knies abgenommen werden musste und
außerdem eine Verletzung der linken Ferse festgestellt wurde. H. soll,
wie uns mitgeteilt wird, stark angetrunken gewesen sein und muss auf
der straßenseitigen Schiene auf der Straße gelegen haben. Das Lokomotivpersonal
trifft keine Schuld.
16. Ein schweres Unglück hat sich am Samstagnachmittag beim Bahnbau
Plettenberg-Herscheid zugetragen, indem die Lokomotive eines Arbeitszuges
vor dem Bahnhof an der Herscheider Straße hierselbst aus irgendwelcher Ursache
entgleiste und mit dem nächsten Wagen die circa fünf Meter hohe Böschung
hinabstürzte, während die folgenden Wagen auf den Schienen stehen blieben.
Leider wurde bei dem Unfall der Maschinist Herr Franz Heuel aus Meggen derartig
schwer verbrüht, dass er bereits in der Nacht zum Sonntag im Krankenhaus
hierselbst von seinen Qualen durch den Tod erlöst wurde. Der zahlreichen
Familie des Verunglückten bringt man Teilnahme entgegen.
25. Auf eine recht originelle Weise hat sich die Lettmecker
Schuljugend Liebesgaben für die im Feld stehenden Krieger aus der Gemeinde
zu verschaffen gewusst. Mit Geige und Mundharmonika ausgerüstet zogen sechs
Knaben von Haus zu Haus und suchten durch Spielen von patriotischen Liedern
die Bewohnerschaft zu bewegen, Liebesgaben für unsere Braven im Felde zu
spenden. Allein 101,20 Mark bares Geld und außerdem noch Viktualien im
Werte von ca. 75 Mark kamen auf diese Weise zusammen. Mittels einer Handkarre
wurden diese Schätze nach der Schule befördert, wo sie in 80 Pakete, deren
jedem auch eine vom Verlag zur Verfügung gestellte Nr. 273 des Süderländer
Tageblatt als Gruß aus der Heimat beigefügt wurde, verpackt wurden und nun
manchem Krieger in Feindesland eine große Überraschung zu Weihnachten sein
dürften.
27. Der kürzlich vom Krankenhausvorstand veröffentlichte Aufruf zum
Spenden von Kartoffeln für das hiesige Krankenhaus und das in ihm eingerichtete
Vereinslazarett hat ein sehr erfreuliches Ergebnis gehabt. Es wurden an
Kartoffeln gespendet: Aus dem Oestertale 6.450 Pfund, aus der Gemeinde Ohle
4.400 Pfund und außerdem 230 Pfund Möhren und Kohlrabi, aus der Bauernschaft
Bremcke 3.700 Pfund, aus der Bauernschaft Eiringhausen 3.000 Pfund, aus der
Bauernschaft Landemert 2.200 Pfund, aus der Bauernschaft Holthausen 1.800
Pfund, aus der Bauernschaft Köbbinghausen 1.000 Pfund und aus der Bauernschaft
Pasel 660 Pfund.
DEZEMBER
02. In seiner Vorstandssitzung gedachte unser Weihnachschor unserer
braven Söhne und Familienväter der Stadt Plettenberg, welche begeistert und
freudig hinausgezogen sind, um den heimatlichen Herd zu schützen und für
des Vaterlandes Wohlfahrt, wenn es sein muss, ihr Herzblut einzusetzen.
Leider hat der Krieg schon tiefe Wunden geschlagen, viele von ihnen haben
den Heldentod erlitten, manches Opfer wird noch gefordert werden. In dieser
schweren Zeit will auch der Weihnachtschor helfend wirken, stellt sich darum
gern und bereitwillig in den Dienst der guten Sache und hat zum Beschluß
erhoben, die ganze diesjährige Beitragseinnahme zur Linderung der Not in
den Familien der im Felde stehenden Krieger der hiesigen Behörde zu überweisen.
Dem Vereinsboten, Herrn Ludwig Benner, welcher in den nächsten Tagen mit
der Einziehung der Beiträge beginnt, wird somit gewiss jede Tür in der Stadt
offenstehen.
28. Das Weihnachtsfest wurde in der Heiligen Nacht wieder durch den
erhebenden Gesang des Weihnachtschores in schönster Weise eingeleitet. Die
Frühkirche war überaus stark besucht, auch die übrigen Gottesdienste ließen
die Gläubigen nach den Kirchen strömen. Die Wohltätigkeitsveranstaltung am
2. Feiertag nachmittag im "Gasthof zur Krone" ging vor überfülltem Saale
vor sich und erzielte somit einen erfreulichen Reinertrag zum Besten der
guten Sache. Heute nach dem Fest galt es wieder Abschied zu nehmen, denn
zahlreiche Landstürmer mussten zu den Fahnen, von ihren Angehörigen und
Freunden zum Bahnhof geleitet. Auch viele Urlauber mussten nach kurzem Urlaub
schon wieder während der Feiertage zu ihren Truppenteilen zurückkehren. Es
ist Kriegszeit!
30. Wie im heutigen Inseratenteil bekannt gegeben wird, geben die
hiesigen Wirte diesmal keine Neujahrsgeschenke in Form von Freitrunk und
Zigarren, sondern haben dafür in anerkennenswerter Weise einen ansehnlichen
Betragzum Besten der Angehörigen unserer Krieger gestiftet. In Rücksicht
auf die gute Sache wird wohl auch jeder Gast auf das übliche Neujahrsgeschenk
bei der diesmaligen Jahreswende gern verzichten.
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