Ereignisse des Jahres 1912 (Quelle: u. a. Süderländer Tageblatt)

JANUAR
Zu einer letzten Truppenschau hatten sich am Donnerstagabend die Wähler der rechtsstehenden Parteien im Saal des Herrn W. Schmidt hierselbst in einer imposanten Versammlung zusammen gefunden, die nicht nur in Bezug auf den Besuch, sondern auch was den Inhalt der gehaltenen Reden betrifft, bedeutungsvoll war. Während der erste Redner, Herr Buhl, (Geschäftsführer des B. d. L. aus Unna) sich in gewandter Weise über die allgemeinen, wirtschaftspolitischen Fragen verbreitete, behandelte Herr Bott aus Iserlohn das Thema "Sozialdemokratie und Liberalismus im Wahlkampf". In zweieinviertelstündigen, mit Humor und Satire gewürztem Vortrag polemisierte der Redner gegen die Sozialdemokratie, auf die einzelnen Zwischenrufe schlagfertig eingehend. Die Versammlung wurde mit einem Hoch auf den Kandidaten Herrn Brünemann geschlossen, nachdem von der gewährten freien Diskussion niemand Gebrauch gemacht hatte.
20. Dienstagabend hielt der Fußballklub "Hohenzollern" hierselbst seine erste Hauptversammlung ab, welche zahlreich besucht war. Es wurde zunächst zur Erledigung des ersten Punktes, Rechnungslage, geschritten und ist mit einem sehr günstigen Resultat abgeschnitten. Zu Rechnungsprüfern wurden die Klubgenossen Otto Keßler, Eduard Hecker, Albert Menschel und Max Lennhoff gewählt. Hierauf wurde die Vorstandswahl getätigt. Aus derselben gingen folgende Personen hervor: Adolf Ohle (1. Vorsitzender), Erich Muth (2. Vorsitzender), Max Lennhoff (1. Schriftführer), Albert Menschel (2. Schriftführer), Otto Contzen (1. Kassenwart), Paul Ohle (2. Kassenwart), Eduard Hecker (1. Spielführer), Ernst Keßler (2. Spielführer) und Oskar Küpper (Gerätewart).

APRIL
22. Eiringhausen. Zu einem seltenen Fest- und Freudentag gestaltete sich der gestrige Sonntag für unsere evang. Gemeinde. Es galt, den Grundstein zur neuen Kirche zu legen. Gegen 1/2 12 Uhr sammelte sich die in großen Scharen erschienene Gemeinde im Wilh. Alberts'schen Saale, um sich von hier aus im festlichen Zuge mit dem Presbyterium und den erschienenen Gästen an der Spitze nach dem Bauplatz zu begeben, wo die Gemeinde zum erstenmal durch das bereits fertige herrliche Portal ihren Einzug in den Innenraum der Kirche hielt. Nach dem gemeinsamen Gesang des Liedes "Lobe den Herren", verlas der Ortsgeistliche, Herr Pfarrer Tröller, die Schriftstelle Eph. 2, 19-22, worauf der Kirchenchor das Lied "Wie lieblich ist doch, Herr, die Stätte, wo deines Namens Ehre wohnt" vortrug. Nun bestieg Herr Pfarrer Tröller die provisorische Kanzel zu einer Ansprache... überreichte Herr Architekt Mucke die Urkunde Herrn Pfarrer Tröller, der sie an Herrn Kirchmeister Schmellenkamp zur Verlesung weitergab....
23. Bruch b. Holthausen. In der in der Wirtschaft Seuthe hierselbst am vergangenen Sonntag unter Vorsitz des Herrn Amtssekretär Pühse stattgefundenen Besprechung über die Gründung eines Ziegenzuchtvereins für Holthausen und Umgebung wurde ein provisorischer Vorstand gewählt, dem die Herren Gustav Seuthe, Heinr. Seuthe, Wilh. Weber, Albert Seuthe und August Glingener angehören. Die Gewählten wollen im Laufe der Zeit Ausschau halten nach Mitgliedern und dürfte es wohl angebracht sein, daß Interessenten und Liebhaber auf dem Gebiete des Ziegenzuchtwesens sich wegen der Beitritts-Erklärung an die Genannten wenden. Demnächst soll die Gründungsversammlung stattfinden.
24. Eiringhausen. Wie wir aus authentischer Quelle erfahren, sind die Anlagen der Lenne-Elektrizitäts- und Industriewerke in das Eigentum des kommunalen Elektrizitätswerkes "Mark" übergegangen, welches gleichzeitig auch die Verwaltung desselben übernommen hat.
25. Zum heutigen Frühjahrs-Viehmarkt auf dem Wieden hierselbst waren 422 Stück Schweine aufgetrieben. Der Verkauf war ein äußerst reger und wurden die Schweine bis auf 90 Stück verkauft. Die Preise schwankten von 18 bis 33 Mark pro Stück. Der Markt wurde vom Kreistierarzt Herrn Gutzeit aus Lüdenscheid kontrolliert. - Aus dem Anzeigenteil: Ein Fahrrad für 30 Mk. zu verkaufen. Allestr. 12.

JUNI
 1. In einer gestern Abend im Hotel "Zur Post" stattgehabten Vorstandssitzung der Plettenberger Schützengesellschaft wurde der schwerwiegende Beschluss gefasst, das diesjährige Schützenfest ausfallen zu lassen, und zwar infolge der vielen sich häufenden, der Feier entgegenstehenden Hindernisse. In erster Linie die Schwierigkeit der Regelung der Königsfrage beim alten Thron, ferner neuerdings eingetretene dienstliche Verhinderung der engagierten Militärkapelle aus Münster, die infolgedessen schon im Laufe des Nachmittags des zweiten Festtages wieder abreisen müsste und für die einen Ersatz zu bekommen alle Bemühungen vergeblich waren, sodann die nachträgliche unverhältnismäßig zahlreiche Ablehnung von Offiziersposten, was auf ein geringes Interesse an der Sache in weiteren Kreisen schließen lässt. Außerdem kann die beschlossene Erneuerung des Fußbodens im Mittelschiff der Halle bis zum Fest nicht mehr ausgeführt werden. Der Vorstandsbeschluss unterliegt der Genehmigung der für nächsten Mittwochabend im Gasthof Schmidt angesetzten Generalversammlung.
 6. Seit Montag wurde der dreijährige Knabe der Eheleute G. Lückel von hier vermisst. Derselbe war mit seinen Geschwistern ausgegangen, die Ziegen zu hüten, wobei sich der Kleine entfernte und bis zum Abend noch nicht wieder zurückkehrte. Nach längerem Suchen wurde der Knabe gestern Vormittag ermattet und durchfroren in einem Garten am Kirchlöh aufgefunden und den besorgten Eltern wieder zurückgebracht. Herr Realschuldirektor Schnell hatte bereits die Schüler der Oberklasse der Anstalt in den Dienst der Nächstenliebe gestellt, um sich an dem Aufsuchen des Kleinen zu beteiligen, woran auch die älteren Schüler der katholischen Schule teilnahmen.

JULI
22. In der gestrigen Repräsentantensitzung der evangelischen Kirchengemeinde wurde die Kirchensteuer auf 40 % festgesetzt, mithin gegen das Vorjahr um 1 % erhöht. - Oestertalsperre: Ein überaus zahlreiches schaulustiges Publikum hatte sich gestern nachmittag zu dem vom Schwimmverein "Neptun" Lüdenscheid hier abgehaltenen Schwimmfest eingefunden; es mögen wohl annähernd tausend Personen gewesen sein, die aus allen Himmelsrichtungen herbeigeeilt waren und die mit Maibäumen geschmückte Brücke, die Ufer sowie die Terrassen und Balkons des Gasthauses besetzt hielten. Besonders lebhaft applaudiert wurden die waghalsigen Sprünge von der Sperrmauer. Den musikalischen Teil des Festes hatte der Orchesterverein Plettenberg übernommen.

AUGUST
20. Bei dem Neubau des Kaufmanns Paul Lüsebrink hierselbst hat sich in etwa 1 Meter Tiefe eine alte Kanonenkugel (massiv) von 10 Zentimeter Durchmesser gefunden, die Herr Lüsebrink dem Museum des Vereins für Orts- und Heimatkunde im Süderland (Sitz Altena) geschenkt hat. (Eine zweite gefundene Kugel wird in der Familie des Genannten aufbewahrt. d. Red.)

OKTOBER
12. Ein Arbeiter, welcher bis Dienstag bei dem Bahnbau arbeitete, hatte anscheinend keine Lust mehr dazu. Er ließ sich seinen Lohn auszahlen, vertrank diesen an demselben Abend mit einem Kumpan in Eiringhausen und legte sich in seinem Rausche an der dortigen Kirche zum Schlafen nieder, wo er in halberfrorenem Zustande aufgefunden wurde. Gestern bettelte er in der Herscheider Straße in aufdringlicher Weise und wurde dieserhalb in Haft genommen.
26. Eine etwa zweieinhalb Jahrhunderte alte Bibel wurde durch Fräulein Minna Lohmann hierselbst dem hiesigen Bürgermeisteramt übergeben. Die Bibel stammt aus dem Jahre 1666 und ist gedruckt in Herborn, früher Fürstentum Nassau. Der Einband besteht aus einem Holzdeckel.

NOVEMBER
 5. Am Freitagabend trat infolge Entgleisung des Personenzuges der Straßenbahn 7.07 Uhr am Staatsbahnhof an der Ankunftsstelle dortselbst eine längere Verkehrsstörung im Kleinbahnbetrieb ein. Da die Züge nicht fuhren, musste die Post zum Hauptzuge (8.14 Uhr ab Plettenberg-Bhf. und Hagen) mittels Fuhrwerk von hier nach der Bahn geschafft werden. Dank der Rührigkeit der Leitung konnte dann bereits ein schnell aus einem Personen- und einigen Stückgutwagen zusammengestellter Kleinbahnzug fahrplanmäßig 9.16 Uhr abends ab Betriebsbüro wieder fahren, womit der Personenzugverkehr wieder aufgenommen wurde.
 9. Leserbrief: Jedes Mal, wenn der Winter eintritt, macht sich für die Bewohner unseres Ortes ein großer Übelstand bemerkbar. Schon lange hat man nämlich darauf gewartet, dass auch hier elektrische Straßenbeleuchtung angelegt werde, die mit wenig Mühe und geringen Kosten von Bremckerlinde bis Köbbinghauser Hammer aus zu bewerkstelligen wäre. Wenn man bedenkt, dass täglich 25 bis 30 Fabrikarbeiter morgens und abends in der Dunkelheit den gefährlichen Käsebrink mit seinem circa zweieinhalb Meter tiefen Einschnitt passieren müssen, so könnte man erwarten, dass wenigstens diese lebensgefährliche Stelle beleuchtet würde. Dazu kommt, dass unser Ort zwei Wirtschaften hat, in denen jährlich wenigstens acht bis zehn Festlichkeiten gefeiert werden. Sollte da die Behörde unsern so leicht zufrieden zu stellenden Bewohnern nicht in etwa helfen können und wollen?"
14. Der Zuzug ausländischer Arbeiter steigert sich von Tag zu Tag. In der an der Böddinghauser Brücke auf dem Kamp errichteten großen Kantine kann nur ein Teil der Arbeiter Unterkunft erhalten, eine zweite Kantine wird in Böddinghausen gebaut, woselbst umfangreiche Arbeiten für die große Brücke im Kahley vorgenommen werden; ebenfalls sind die Ausschachtungsarbeiten auf dieser Strecke in Angriff genommen. Das ganze gestaltet sich zu einem schönen Bilde, dass manchen Fremden Sonntags hinauszieht. Auch die Talbrücke in dem Bergeinschnitt auf Kersmecke zu ist in der Ausführung begriffen.
30. Im Saisontheater herrschte gestern bei dem den Saal des Gasthofs Zur Krone fast füllenden Publikum eine äußerst fröhliche Stimmung, hervorgerufen durch die ausgezeichnete Aufführung des jetzt überall vor vollen Häusern gespielt werdenden Rößlerschen Lustspiels "Die fünf Frankfurter". Und so war denn auch der gestrige Erfolg ein durchschlagender, zumal die Aufführung, unterstützt durch die hübschen Biedermeiertrachten, auch in künstlerischer Hinsicht, so weit es auf einer kleinen Bühne möglich ist, auf der Höhe der Zeit stand.

DEZEMBER
14. Der Bahnbau Plettenberg-Herscheid war auch in hiesiger Gemarkung so ziemlich zum Stillstand gekommen infolge der nassen Witterung sowie der eintretenden Winterzeit. Nur ausgeschlossen davon ist der Bau der Lennebrücke unterhalb Böddinghausen. Hier ist in den Wiesen eine Dampframme damit beschäftigt, die Verschalung für die Brückenpfeiler einzurammen und es ist interessant, diese Arbeit sich einmal anzusehen, wie mittels Dampfdruck 4 bis 5 Meter hohe starke Bohlen in die Grube eingerammt werden und dann das Fundament der Pfeiler in Zement gegossen wird. Über die Lenne sind zwei provisorische Brücken aufgeschlagen worden, um das Material von der Staatsbahn nach der Arbeitsstelle zu befördern.
19. Mit dem Bau der Brücke über die Lenne in Böddinghausen scheint es nun doch bald vorangehen zu wollen, denn die erste Rate der freiwillig gespendeten Gelder wurde gestern von den Unterzeichnern eingezahlt. Es ist aber auch höchste Zeit, dass wir doch auch hier bessere Wegeverhältnisse bekommen, denn diese sehen jetzt bei dem Regenwetter recht traurig aus, und die Arbeiter sowohl wie die Schulkinder müssen jeden Tag, wenn sie den Weg nach Eiringhausen benutzen, bis zur Elsebrücke erst ein Schlammbad nehmen. Dann wäre es auch angebracht, wenn die Lampe an der Elsebrücke in einen brennbaren Zustand gesetzt würde, um bei Abendzeit hier einem Unglück vorzubeugen. Auch wäre es zweckmäßig, wenn an dieser Stelle ein Zaun angebracht würde, denn für einen Fremden ist es gefährlich abends den Weg nach Böddinghausen zu benutzen.


Lexikon für die Stadt Plettenberg, erstellt durch Horst Hassel,
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