JUNI
6. Gaslicht auf dem Bahnhof! Infolge der Petroleum-Preistreiberei hat
der preußische Eisenbahnminister angeordnet, daß auf allen Bahnstationen solcher
Orte, die Gasanstalten haben, sämtliche Kandelaber und Weichenlaternen, soweit
dieselben noch nicht Gasbeleuchtung haben, sondern bisher mit Petroleum gespeist
wurden, an die Gasleitung mit angeschlossen werden sollen.
8. Wildwest in Plettenberg! Das leidige Messer hat hier bei einer
Schägerei am Mittwoch abend wieder seine Rolle gespielt. In der Menschelschen
Wirtschaft in der Bermke gerieten beim Kegelspiel die Fabrikarbeiter Wigginghaus
und Müller in Streit, der durch das Nachhausegehen des letzteren geschlichtet
schien. Doch nach kurzer Zeit kehrte Müller in Begleitung seines jüngeren Bruders
zurück, um den Krakehl fortzusetzen. Beiden wurde jedoch vom Wirt der Eintritt
verweigert. Als nun Wigginghaus mit seinen beiden Begleitern nach Hause aufbrach,
wurde er von den Gebrüdern Müller gestellt, wobei August Müller ein offenes Messer
in der Hand führte. Dieserhalb wurde er von den Dreien ordnungsmäßig vorgenommen
und ihm eine Tracht Prügel verabfolgt. Währenddessen hatte der 17jährige Emil Müller
ebenfalls das Messer gezogen und versetzte dem Arbeiter Heuel einen Stich in den
Rücken unter das rechte Schulterblatt. Die zehn Zentimeter tiefe Wunde hat glücklicherweise
keine edlen Teile verletzt, doch mußte Heuel in ärztliche Behandlung genommen werden
und wird einige Zeit arbeitsunfähig bleiben. Der Messerheld sieht einer exemplarischen
Strafe entgegen.
10. Theobald Pfeiffer erwirbt das Ohler Eisenwerk! In dem heutigen gerichtlichen
Verkaufstermin über das Ohler Eisenwerk gab Fabrikant Theobald Pfeiffer aus Siegen
das Höchstgebot mit 103.600 Mark ab. Termin für den Zuschlag ist auf Donnerstag, den
13. dieses Monats anberaumt.
13. Anleihe für Kleinbahn genehmigt! Seitens der Regierung ist die zweite Anleihe
für den Bau der Kleinbahn bei der hiesigen Sparkasse nunmehr genehmigt, jedoch mit der
Änderung, daß der Zinssatz nicht auf 3 1/2 sondern auch 3 6/10 Prozent gestellt wird.
Desgleichen ist auch der Entwurf des Status genehmigt.
JULI
4. Gestern nachmittag, kurz nach 3 Uhr, brach in der Brennerei der Firma Wever
und Möller Feuer aus, welches bei dem herrschenden Südsturm in kurzer Zeit gewaltige Dimensionen
annahm und sämtliche Nachbarhäuser in große Gefahr setzte. Von den am Neubau beschäftigten
Maurern wurden zuerst die aus der Bodenluke züngelnden Flammen bemerkt, welche trotz der
angestrengten Tätigkeit des Personals und schnell hilfsbereit herbeieilender Nachbarn nicht
auf ihren Entstehungsherd, den Kornboden, eingedämmt werden konnten, sondern an den großen
Korn-, Heu- und Strohvorräten schnellzündende Nahrung fanden und im Nu sich über die ganze
Brennerei und die Wirtschafts- und Viehgebäude ausdehnten. Infolge der gewaltigen Glut, in die
noch der Südsturm mit vollen Backen hineinblies, fingen die Nachbarhäuser des Küfermeisters
Schmidt, der Witwe Kirchhoff und das ehemalige Schrödersche Haus ebenfalls Feuer, doch gelang
es, hier schnell zu dämpfen. Glücklicherweise blieb das dem Feuer am meisten ausgesetzte Wengenrothsche
Wohnhaus infolge der eifrigen Hilfe wackerer Nachbarn gänzlich verschont. Bei der zuerst mangelhaften
Zuleitung des Hydranten konnte die Feuerwehr erst dann erfolgreicher eingreifen, als durch Zuleitung
des Mühlengrabens auch die Druckspritze in Dienst gestellt werden konnte. So gelang es gegen 18 Uhr
des Brandes Herr zu werden. Die Brennerei ist bis auf den Mittelbau heruntergebrannt und es erwächst
trotz der Versicherung dem Besizer ein bedeutender Schaden, da die Anlage zum Teil sehr gelitten hat
und dadurch eine wochenlange Betriebsstörung hervorgerufen ist. Das wertvolle Mastvieh und die drei
Pferde wurden rechtzeitig gerettet. Den Brandschaden hat die Preußische Feuer-Versicherungs-Actiengesellschaft
zu Berlin zu decken. Von den Rettungsarbeiten des Schmidtschen Hauses sei anerkennend der Gehilfen
des Schieferdeckers Kirchhoff gedacht, welche in waghalsiger Weise mitten im Feuer das Dach aufrissen.
6. Bei der am 14. vorigen Monats stattgefundenen Berufs- und Gewerbezählung
wurden in der hiesigen Stadt 845 Familien mit 4.023 Personen gezählt und zwar 2.108 Personen
männlichen und 1.915 Personen weiblichen Geschlechts. Es wurden 727 Landwirtschaftskarten
und 126 Gewerbebogen aufgestellt. Vergleicht man hiermit die Einwohnerzahl Plettenbergs vom
Jahre 1871, nämlich 2.000 Seelen, so hat sich die Einwohnerzahl in dem Zeitraum von 24 Jahren
verdoppelt.
SEPTEMBER
17. Hof brannte nieder! Am Sonnabend früh gegen 7 Uhr brach in dem Doppelhause
der Landwirte Berges und C. Langemann in Marl Feuer aus, welches an den vielen Vorräten
an Hafer, Roggen und Heu reiche Nahrung fand, so daß das Gebäude fast ganz
niederbrannte trotz der eifrigen Anstrengungen unserer Freiwilligen Feuerwehr, die
sofort nach dem Alarm zur Stelle war und mit bekannter Bravour eingriff. Als Ursache
des Brandes wird angenommen, daß undichte Stellen am Schornstein Funken durchgelassen
haben, durch welche der Haferstroh in Brand geriet. Glücklicherweise sind Gebäude,
Hausgerät und Futtervorräte versichert und haben, wenn wir recht haben, die
Vaterländische-, die Provinzial-, die Baseler und die Norddeutsche Feuerversicherung
den Schaden zu decken. Gleichwohl erleiden die vom Brand Betroffenen einen schweren
Verlust, da die Vorräte nicht annähernd versichert waren.
21. Gehweg an der Lenne! Mit dem Legen der Fußgängerbahn an der Lennebrücke ist
gestern endlich begonnen, obgleich die Maurerarbeiten erst zum Teil fertig sind. Hiernach
werden wohl die vielen Klagen, zu denen der Umbau an der Brücke Veranlassung gab, bald
aufhören. Mit den Erdarbeiten ist man bereits bis zur Post fortgeschritten, während
gleichzeitig das Legen der Packlage und dann der Schienen rüstig vorwärtschreitet. -
Arbeiten am Wehr! Die Arbeiten am Siesel schreiten rüstig vorwärts. Infolge der
günstigen Witterungsverhältnisse sind die Arbeiten am Wehr, welches kurz oberhalb der
Kreuzung von Staatsbahn und Chaussee vor Pasel angelegt wird, soweit gediehen, daß
das eigentliche, betonierte Wehr, sowie die Ufermauer auf der rechten Seite des
Flußbettes bereits fast fertiggestellt sind und es sich nur noch um die Ausführung
der Uferbefestigung auf der linken Seite, sowie der Bahnunterführung an jener Stelle
handelt, um die Lenne unter der Bahn hindurch in den Obergraben abzuleiten. Der
Bau des an dieser Stelle nötig werdenden Tunnels für den Obergraben hat auch bereits
begonnen. Der Tunnel soll im Laufe eines halben Jahres fertiggestellt sein.
OKTOBER
3. In der auf Montag abend nach dem Bitzhennerschen Lokal einberufenen
Versammlung der hiesigen Gewerbetreibenden, die von einigen 20 Personen besucht war,
wurde die Bildung eines Vereins zum Schutze der geschäftlichen Interessen gegen das
überhandnehmende Borgunwesen angeregt. Die Anregung fand allgemeinen Beifall und
wurde in den provisorischen Vorstand gewählt als Vorsitzender Bäckermeister W.
Potthoff, als Beisitzer die Kaufleute Albert und Ernst Niebch, sowie als Schriftführer
Kaufmann Otto Wever. In der nächsten Versammlung soll über die grundlegenden Statuten
beraten werden.
8. Grunderwerb für neues Gericht perfekt! Am vorigen Freitag ist hier
zwischen dem Landgerichtsdirektor Langrok aus Hagen, im Auftrag des Justizminsters,
und den Vertretern der hiesigen evangelischen Kirchengemeinde, Pfarrer Klein und
Kirchmeister Lohmann, der Kaufvertrag abgeschlossen über das von der Kirchengemeinde
zum Bau des neuen Amtsgerichtsgebäudes abzutretende Grundstück an der Herscheider
Straße. Mit dem Bau des neuen Gerichtsgebäudes dürfte schwerlich vor 1898 begonnen
werden.
NOVEMBER
1. Der Landgerichtspräsident Langrock weilte in den letzten Tagen hier zur
Revision des Amtsgerichts.
- Eine schwere Verletzung zog sich am Mittwoch Abend eine Frau K. hier auf eigenthümliche Weise
zu. Um dem ungehorsamen Töchterchen eine Lection zu ertheilen, wollte die Mutter demselben
eine Ohrfeige geben; in demselben Augenblick hob das Kind zur Abwehr die Hand, in der es
ein Küchenmesser hielt. Leider schlug die Mutter blindlings zu und traf mit der Hand so
unglücklich in das Messer, dass ihr am Handgelenk die Sehnen des Daumens durchschnitten wurden.
Es bedurfte der Hülfe zweier Aerzte, um die schwere Verletzung zu unterbinden. Erst gestern
Morgen gelang es, die durchschnittenen Sehnen zu fassen und nach Vernähung einen ordentlichen
Verband anzulegen.
- Nichts weniger als vom Glück begünstigt ist die neue Papierfabrik, welche am 1. Oktober
in dem früher Posthalter Schulte'schen Werk den Betrieb zu eröffnen gedachte. Die bestellte
große Holländer-Maschine wurde nicht fertig und gelangte nach mehr denn dreiwöchiger
Verzögerung erst vorgestern hier asn. Gestern Morgen sollte nun die schwere Maschine
mit dem Krahn ausgeladen werden; hierbei rutschten die Ketten ab und der schwere Koloß
stürzte zur Erde, in einen Haufen Eisentrümmer zusammenbrechend. Wer für den schweren
Schaden verantwortlich zu machen ist, wird die Untersuchung ergeben.
- Die Arbeiten an unserer Kleinbahn haben in letzter Zeit wieder ein flottes Tempo angeschlagen.
Bereits sind die Erdarbeiten ihrer Vollendung recht nahe gebracht, mehr denn zur Hälfte
sind die Gleise verlegt, auch die größeren Brückenbauten sind zumeist beendet und der
letzte Theil der Eisenconstructionen kommt in den nächsten Tagen zur Montage. Der
Locomotivschuppen auf dem Schmalspur-Bahnhof ist bereits aufgeschlagen und wird in diesen
Tagen fertiggestellt. Dem Eintreffen der ersten Locomotive sieht man stündlich entgegen
und soll beim Eintreffen derselben, sowie der für nächste Woche erwarteten Güterwagen,
sofort ein Materialzugsbetrieb eingerichtet werden. Nachdem gestern, fast in letzter
Stunde, eine Einigung über den Ankauf des benöthigten Straßenabsplisses vor dem Schulte'schen
Hause neben dem Umlauf erzielt ist, kann diese Materialbeförderung auch schon den größeren
Theil des Bahnterrains in der Stadt sofort passiren. Damit ist auch die Hoffnung neu belebt,
bei irgend günstigem Wetter die Betriebseröffnung noch in diesem Jahre zu ermöglichen. -
Hoffentlich lassen sich die der Ausführung der Personenverkehrslinie noch entgegenstehenden
Hindernisse frühzeitig genug beseitigen, so dass an eine gemeinsame Eröffnung von Güter-
und Personenverkehr gedacht werden kann.
6. Mit der kürzlich hier eingetroffenen Locomotive für die Straßenbahn wurde heute Nachmittag
eine Probefahrt nach der Stadt bis zum Mühlendamm unternommen. Im Anschluss hieran wurde
die Befahrung einiger Kurven geprüft und war das Resultat auf allen, auch der kleinsten,
15-Meter-Kurve in der W. O. Schulte'schen Einfahrt ein höchst befriedigendes. Die Maschine
stammt aus der Fabrik von Arn. Jung, hat bis 80 Pferdekraft und läuft in der Stunde bis
15 km. Natürlich hatte das Schauspiel eine hundertköpfige, staunende Menschenmenge
angelockt.