Schützen und Schützengesellschaften in früherer Zeit

Von Horst Hassel

Schützengesellschaften gab es schon vor vielen Jahrhunderten, wie das Beispiel der "Friedrich-Wilhelms-Gesellschaft" in Altena belegt. Dort "setzt man die Tradition der altehrwürdigen Schützengesellschaft fort, die aus der Altenaer Bürgerwehr hervorging und im Jahre 1429 gegründet wurde". Ihren Namen erhielt die Gesellschaft zwar erst nach dem Besuch König Friedrich Wilhelm II. von Preussen in Altena im Jahre 1788, ihren Ursprung datiert die Schützengesellschaft aber in das Jahr 1429.
Dass man in Plettenberg auf eine ähnliche lange Geschichte einer "Schützengesellschaft" zurückblicken kann, belegt der Aufsatz "Schützen und Schützengesellschaften in früherer Zeit", der im Juni 1927 in "Heimatblätter des mittleren Lennegebietes", eine Beilage zum Süderländer Volksfreund in Werdohl, in der Nr. 11 des 4. Jahrgangs erschienen ist. Danach waren "Schützengesellschaften" ein Teil der Bürgerwehren, allerdings mit konkreten Regeln und Zielen. In dem Aufsatz heißt es u. a.:

"Wenn es die Not erforderte, mussten die Bürger nach Aufforderung durch den Bürgermeister und Magistrat sich an der Verteidigung der Stadt beteiligen. Sie mussten in Kriegszeiten mit ihren Waffen erscheinen, an gefährdeten Punkten der Stadt Wache halten, und die Stadt verteidigen. Innerhalb dieser Bürgerwehr bildete sich eine "Schützengesellschaft". Solche bestanden in Lüdenscheid, Altena, Plettenberg, Herscheid und allen größeren Kirchdörfern. Die Schützengesellschaften duldeten keine Ehrlosen unter ihren Fahnen, nicht Fluchen, Schwören, Zank und Schlägerei unter ihren Mitgliedern und verlangten von diesen unbedingten Gehorsam gegenüber dem gewählten Könige, den Bürgermeistern, Fähnrichen und Unteroffizieren. Sie übten einen heilsamen Einfluss auf die Schützen aus, in dem sie diese zu Zucht und guter Sitte erzogen und in ihnen ein Zusammengehörigkeitsgefühl weckten. . .

Die Ziele der auf demokratischer Grundlage beruhenden Vereinigungen zum Zwecke der Verteidigung von Hab und Gut deckten sich meistens mit den Interessen der Altenaer Grafen. Darum kämpften z. B. die Bauern der Gemeinde Herscheid und Valbert um 1243 willig und erfolgreich mit ihrem Grafen Adolf III. und seinen Rittern gegen ihr Gebiet verheerende mächtige Adelige des Kölnischen Sauerlandes, die sie auf der Grafenbracht gründlich schlugen . . . Die Plettenberger Schützen dürften sich, weil ihre Stadt Grenzfeste gegen Kurköln war, an nicht wenigen Verteidigungseinsätzen beteiligt haben. Bauern und Bürger als Schützen effektiv einzusetzen wurde erst möglich mit dem Aufkommen der Armbrust. Ihr Gebrauch musste natürlich regelmäßig geübt werden.

Gegen Ende des Jahres 1546 wurde das ganze Amt Balve zum Einfall in das Amt Schwarzenberg aufgerufen. Weil dabei den Eyrinckhausern ire Verken weggenommen wurden, ist der Amtmann auf dem Schwarzenberg mit seinen Amtsuntertanen Anno 1547 am Heiligen-Drei-Könige Abend mit denen von Plettenberg und dem ganzen Ambte Swartenberg in Affeln eingefallen und hat die Eyrinckhauser Verke zurückerobert.
Als 1690 der Plettenberger Magistrat in einem Rechtsstreit mit dem Bürger Johann Thomas ihm eine Geldstrafe auferlegte, ihn damit aber nicht gefügig machte (Thomas zahlte nicht), so wurde der 4. Teil der Bürgerschaft in Marsch gesetzt, die
Geldstrafe einzutreiben, sich des Opponenten im Falle fernerer Widersetzlichkeit lebendig oder tot zu bemächtigen, jedoch kein scharf Gewehr, sondern nur Prügeln dabey gebrauchen sollen.

Da das mittelalterliche Denken keine Trennung zwischen rein weltlichen und rein kirchlichen Bereichen kannte, waren die Schützengesellschaften, wie alle anderen Vereinigungen auch, immer kirchliche Bruderschaften. Beispiele für die enge Anbindung der Schützen an die Kirche sind die "Schützenbruderschaften" (St. Sebastianus-Bruderschaft Köln-Mülheim gegr. 1435, St. Sebastianus-Bruderschaft Köln-Deutz gegr. vor 1463). Erst in nachreformatorischer Zeit lassen die Bindungen an die Kirche nach.

Im 14. Jahrhundert kamen die Schützenfeste auf; sie sollen zuerst in Schlesien gefeiert worden sein. Angeblich wurde 1286 von dem Herzog Boleslaw (Bolko) I. in Schweidnitz das erste regelrechte Schützenfest veranstaltet, bei dem nach einem auf einer Stange befestigten Vogel geschossen worden ist. Außer dem Vogelschießen wird an manchen Orten noch das Scheibenschießen erwähnt..."

Der Autor Theo Reintges [Ursprung und Wesen der spätmittelalterlichen Schützengilden, Ludwig Röhrscheid Verlag, Bonn 1963]) glaubt dagegen aufgrund systematischer Untersuchungen mit Gewißheit feststellen zu können, daß die Schützengesellschaften gegen Ende des 13. Jahrhunderts in Flandern entstanden sind und sich von dort nach Süden, Osten und Norden ausgebreitet haben. Um 1400 habe die Schützenbewegung bereits die nördlichen Niederlande und das Rheinland erreicht. Sehr schnell sei sie dann zu Beginn des 15. Jahrhunderts in die übrigen Gebiete Mitteleuropas und bis ins Baltikum gelangt. Nach Reintges Recherchen wurden die ersten Schützenfeste in Flandern/Belgien gefeiert.