Quelle: S. 5 u. 6 der Festschrift zur 100jähr. Jubelfeier der Plettenberger Schützengesellschaft
(erschienen 1936, Verfasser Rektor i. R. Ernst Weimann)

Fahnenweihe 1843

Ein in der Jugendzeit unserer Schützengesellschaft besonders wichtiges Jahr war 1843. Waren von ihr bis dahin die bei den ehemaligen Markenumzügen vorangetragenen Fahnen der Bürgerschaft geführt worden, so erhielt sie in diesem Jahre als Zeichen besonderer königlicher Huld auf eine 1840 an ihre Majestät die Königin gerichtete Bitte eine weitere schöne Fahne, aus weißer Seide gearbeitet, auf welcher auf der einen Seite in blauem Felde, mit einem Kranz von Eichenzweigen umgeben, das Wappen der Stadt, das die Gesellschaft angenommen hatte, und auf der anderen Seite in weißem Grunde der Namenszug der Königin Elisabeth, überschwebt von der landesherrlichen Krone, gestickt ist.

Am 18. Juni 1843 teilte der Legationsrat Sasse, Sekretär ihrer Majestät, der Schützengilde mit, daß er das Vergnügen habe, die von ihrer Majestät der Königin derselben allergnädigst zum Geschenk bestimmte Fahne im Allerhöchsten Auftrag ergebenst zu überreichen. - Die Lieferung der Fahne geschah durch den Fuhrmann Teschmacher, Berlin, in der Zeit von etwa drei Wochen, der besonders verpflichtet war, das kostbare Geschenk "zu rechter Zeit und ohne Tadel" frei in Plettenberg abzuliefern. Angefertigt war die Fahne von dem Kgl. Hochsticker E. Röhrich (Berlin), der schrieb:

"Bei der Zusammenstellung der Fahne wollen Sie den Rücken der Flagge über den unpolierten Teil der Stange ziehen und die Befestigung dieser beiden Gegenstände durch beiliegenden Streifen Leder mit 50 Nägeln, für welche die Stellen auf dem Leder bezeichnet sind, geschehen lassen. Mit Genehmigung Ihrer Majestät der Königin habe ich Ihrem Wunsche gemäß das Stadtwappen in der Fahne angefertigt."

Nach einem umfangreichen, besonders aufgestellten Wahlreglement wurde der Fähnrich für die neue Fahne bestimmt, und der um die Schützenvereinssache hochverdiente Bürger J. W. Haape ging aus der Wahl als der erste Träger der Königinfahne hervor. Durch Trommelschlag und Böllerschießen wurden die Schützen damit bekannt gemacht, als am 8. Juli 1843 die Fahne hier ankam. Ihre Einweihung geschah in feierlichster Weise am Freitag, dem 21. Juli, in Gegenwart des Landrats von Holtzbrinck, Altena, und der Mitglieder der städtischen Vertretungen und wurde am Vorabend durch Böllerschießen, Antreten der Kompagnie auf dem Schützenplatze, Festakt auf dem Maiplatze mit Festkonzert und großem Zapfenstreich usw. eingeleitet.

Der Tag der Fahnenweihe selbst war dann für die Schützen, die sich um 8 Uhr vor der Wohnung des Hauptmanns Wiel versammelten, sowie für die ganze Bürgerschaft ein Tag der Freude und des Dankes. Schon um 4 Uhr morgens wurde er durch 50 Böllerschüsse eingeleitet. Unter Vorantragen der alten Fahnen wurde die Königinfahne in feierlichem Zug um 10 Uhr nach dem Schützenzelte durch die ganze Kompagnie gebracht. Der Tisch, worauf sie gelegt wurde, war 15 Schritt vom Eingange aufgestellt. Die Kompagnie stellte sich darum in Form eines Hufeisens auf. Landrat und Magistrat, Stadtverordnete und der Vorstand gruppierten sich rechts und links neben dem Tisch. Die Tambouren schlugen den Wirbel, der älteste Offizier kommandierte: "Das Gewehr über!" und der Hauptmann und Bürgermeister Wiel hielt darauf folgende herrliche Ansprache:

"Schützen! Eine schöne Feier - eine Feier, wie solche unser Städtchen wahrscheinlich noch nicht gesehen hat, vereint uns heute in diesem Zelte. Das huldreiche Geschenk unserer allergnädigsten Königin, die ersehnte Fahne liegt vor uns und wird sich bald vor unseren Blicken enthüllen. Sie - welche der Name der hohen Geberin bereits geweiht hat, soll Euch heute feierlich übergeben werden.

Ich bin von Euch zu Eurem Chef erwählt, und ich halte es als solcher für meine Pflicht und zeitgemäß, einige wenige schlichte Worte an Euch zu richten. Sie kommen aus einem echt preußischen Herzen und sind an Markaner als echte Preußen gerichtet.

Seit langem besteht in unserem Vaterlande die Sitte, daß der Bürger und die mannhafte Jugend sich in der Handhabung der Waffen übten. Wenn andere Herrscher zagten, ihren Bürgern Waffen in die Hand zu geben, fürchtend, daß sie solche gegen sie selbst gebrauchen könnten, so wurde das Waffenspiel nicht allein unseren Vorfahren und uns gestattet, es fand auch alle mögliche Unterstützung von seiten unserer Landesherren, die der nie wankenden Treue und hingebenden Liebe ihrer Untertanen gewiß waren und die Überzeugung hatten, daß der durch dies Waffenspiel geweckte kriegerische Sinn bei der etwa nötig werdenden Verteidigung des Vaterlandes nur günstig sein musste.

Der mutige Sinn des preußischen Volkes, seine unerschütterliche Treue zu seinem angestammten Herrscher, seine aufopfernde Liebe für ihn, aber auch das feste Vertrauen, welches von je her zwischen Fürst und Volk bestanden hat und welches nie getäuscht worden ist, haben Großes bewirkt; das bezeugt die Geschichte Preußens, das zeigen die glorreichen Schlachten der älteren und neueren Zeit, die seine Söhne geschlagen haben, und solange das Gestirn "Friedrichssöhne" unter dieser Benennung am Himmelszelte glänzen wird - so lange wird Preußens Ruhm bestehen.

Wo es die Ehre des Vaterlandes galt, scharten sich seine Söhne auf den Ruf ihres Fürsten um des Vaterlandes Fahnen und zogen mit ihnen freudig und mutig dem Feinde entgegen, siegten oder starben, doch nie wankte des Preußen Mut, und oft - nur, wenn der letzte Mann sank, fiel die Fahne, das Heiligtum des Krieges, sein Palladium, welches ihm im Siege vorangeleuchtet hatte, in der Hand des Feindes, und sterbend noch verteidigte er das Banner und färbte es mit seinem Blute rot, welches ihm sein Fürst, es zu wahren, vertrauend übergeben hatte.

Die hier vor uns liegende Fahne, das Geschenk unserer Allergnädigsten Königin, wird fortan Euer Fest verherrlichen mehr verherrlichen, und in friedlichen Zeiten wird dies ihr Zweck sein, - doch wer möchte daran zweifeln, der die Gesinnung der stets treu erfundenen Markaner kennt, daß, wenn es je ein übermütiger Feind wagen sollte, in unsere friedlichen Gaue und Berge einzudringen, daß die Älteren unter Euch sich zur Verteidigung ihres Herdes und ihrer Kinder unter ihrem Schatten sammeln werden, indes Eure jüngeren Brüder zur Beschützung der heiligsten Güter der Freiheit und der Selbständigkeit des Vaterlandes freudig den Kriegsfahnen zueilen, um sich den alten gewohnten Preußenruhm zu erkämpfen und der Väter würdig zu werden.

Wie dem Soldaten seine Fahne, so muß Euch die Eurige heilig sein, sie kommt von der Hand Eurer Königin und ist dadurch geweiht. Des hohen Geschenkes mehr und mehr würdig zu werden, muß Euer Bestreben sein, und es muß Euch ein Sporn sein und werden, Eure Bürgerpflichten gewissenhaft zu erfüllen.

Das sind die ungekünstelten Worte eines alten Soldaten an Euch, der - ein Pommer - mit gleicher Liebe wie ein Markaner, seinem Herrn und Könige und seinem Königshause zugetan ist, und der gern und freudig sein Blut für die Ehre und das Wohl des Vaterlandes opfert. Nehmt meine Worte so wohlwollend auf, wie sie von mir gemeint sind.

Und so lasse ich denn die Fahne enthüllen und rufe: "Hoch lebe Ihre Majestät die Königin! Sie lebe hoch!"

Nach Beendigung der Rede wurde vom Vorstande die Fahne entfaltet, und der Hauptmann brachte ein Hoch auf den König und die Königin aus, das Gewehr wurde präsentiert, und die Musik spielte, während 100 Böllerschüsse fielen. Danach wurde dem Landrat der Hammer zur Fahnennagelung gereicht, andere schlossen sich an. Ein Parademarsch auf dem Wieden und ein Festzug durch die Stadt folgten, wobei Fähnrich Haape die neue Fahne führte. Während des gemeinschaftlichen Mittagessens im Saale des Wirtes Weiland (später wohl Weiß) waren im Garten des Lokales die Böller aufgestellt, und 50 Böllerschüsse wurden während desselben auf Anweisung des Hauptmanns abgefeuert. Am Festnachmittag wurde die Schützenkönigin mit ihren Ehrendamen unter klingendem Spiel zum Festzelt geleitet, nachdem sie von einer besonderen Deputation zunächst in ihrer Wohnung begrüßt worden war, und es begann der solenne Festball.