Quelle: S. 107 bis 111 der "Willeke-Chronik" (1933-1939) im Archiv HH
Hans Hiby mit 740. Schuß Jubiläumskönig
Unsere Vaterstadt hat wohl selten in einem solch prächtigen Grün- und Fahnenschmuck
geprangt als gerade vom 20. bis 22. Juni 1936, den Tagen des Jubelfestes unserer
Plettenberger Schützengesellschaft. Die ganze Bürgerschaft nahm an ihm teil und
bekundete ihre Verbundenheit mit dem ältesten und größten unserer heimischen Vereine
durch diese grandiose Ausschmückung. Es ist ja auch kein alltägliches Geschehen, das
sich augenblicklich in unseren Mauern abspielt, sondern das seltene Jubiläum einer
100-jährigen Jubelfeier. Dröhnende Böllerschüsse kündeten am Vorabend den Beginn des
Jubelfestes an. Der Kinderumzug, an Beteiligung die vorhergehenden Abende noch übertreffend,
zog mit den traditionellen Birkenbüschen und mit "Hännesken Bielenkämpers" an der Spitze
noch einmal durch die Straßen, und dann wurde der Wieden und die Schützenhalle zum
Schauplatz des weiteren Geschehens.
Zahlreiche Buden und Verkaufsstände, Karussells,
Schiffsschaukeln und ein "Floh-Zirkus" haben auf dem Wieden ihre Zelte aufgeschlagen,
wodurch der weite Platz vor der Schützenhalle das Aussehen eines regelrechten Jahrmarktes
hat. Das große, aus elektrischen Birnen gebildete Hakenkreuz leuchtete beim Eintritt der
Dunkelheit auf der Schützenhalle auf, und gleichzeitig erstrahlte an der Vorderfront der Halle
die kurze und inhaltsschwere Jubiläumszahl "100". Dann brachte das Städtische Orchester
den großen Zapfenstreich vor der Schützenhalle zum Vortrag.
Danach versammelten sich die
Mitglieder der Schützengesellschaft zur letzten Schützenversammlung und stieg in dieser
Versammlung die Zahl der Mitglieder auf rd. 650. Der Zufall wollte es auch, daß die Zahl der
Jubilare, die 25 und mehr Jahre der Schützengesellschaft die Treue gehalten haben, in
diesem Jubiläumsjahr der Gesellschaft 100 erreichte.
Am anderen Morgen (Sonnabend) knallten schon in aller Frühe von den Höhen des Saley
dröhnende Böllerschüsse in die Stille unseres lieblichen Städtchens und kündeten vom
Beginn der großen Tage. Golden stieg die Sonne am wolkenlosen Himmel empor und
leuchtete über der festlich geschmückten Stadt und ihre frohen Menschen, die sich
freudigen Herzens anschickten, nach sauren Wochen ihr größtes Fest zu feiern.
Programmgemäß verlief die vorgesehene Festfolge: Nach Abholen des Königs-Vogels
formierten sich gegen 1 Uhr mittags die drei Schützenkompagnien auf dem Wieden,
um unter Vorantritt des Orchesters der Stadt zum Scheibenstand und damit zur
Entscheidungsschlacht um die Königswürde anzutreten. Die Beteiligung der Schützen
war sehr gut, und das Bild wurde noch belebt durch den gleichartigen Blumenschmuck
mit dem diesmal jede der Kompagnien die Gewehrläufe versehen hatten. Droben am
Scheibenstand sorgten die flotten Weisen der Musik sowie die "Halben" des Hallenwirtes
für die nötige Stimmung.
Bald war am Kohlbuschberg ein heftiger Kampf um die Würde des neuen Schützenkönigs
entbrannt. Um 18.20 Uhr gelang es unter brausendem Jubel dem Schützen Hans Hiby
mit dem 740. Schuß den Vogel zur Strecke zu bringen. Böllerschüsse kündeten der Stadt
das große Ereignis. Nachdem dem König anstelle einer Amtskette für die Zeit bis zur
endgültigen Krönung ein großer Eichenkranz überreicht worden war, gings in festlichen
Zügen hinunter in die Stadt.
Am Abend schloß sich in der Schützenhalle ein großer Kommers an, und gab während
desselben der Vereinsführer den Festgästen bekannt, daß er namens der Gesellschaft
den Schützen Paul (gemeint war Hans) Hiby zum neuen König und Frl. Hiltrud Prinz
als Königin ausrufe.
Fahnen der Plettenberger Markenumzüge
Die Gedenkrede hielt Pfarrer Benz. Er begann mit den Worten: Auch bei dem diesjährigen
Jubelschützenfest wollen wir unserer gefallenen Helden gedenken. 295 Plettenberger
gaben ihr Leben für Volk und Vaterland, und nicht weniger als 41 Kameraden der
Schützengesellschaft befanden sich darunter. - Unter Trommelwirbel wurden darauf vom
Vereinsführer diese Namen verlesen und legte er im Namen der Gesellschaft ihnen und
den Gefallenen um Deutschlands Erneuerung zu Ehren am Fuße des Denkmals einen
Lorbeerkranz nieder. Das von der Musik intonierte Lied vom guten Kameraden beschloß
diesen feierlichen Akt.
Nach dem Frühkonzert von 10.30 bis 12 Uhr fand dann am Nachmittag der große und
mit Spannung erwartete historische Festzug statt. Trotz der unbarmherzig hernieder
brennenden Sonnenstrahlen strömten von allen Seiten tausende von Volksgenossen
aus Nah und Fern und umsäumten in dichtem Gedränge die geschmückten Straßen,
als gegen 3 Uhr mächtige Böllerschüsse den Beginn des Festzuges verkündeten.
In prächtiger Ausstattung marschierten die einzelnen Jahrhunderte an uns vorbei,
zeigend die Anfänge der christlichen Religion in unseren sauerländischen Berger um
800, die Schutzherren der Stadt im Mittelalter, die Kämpfe der Plettenberger als
Grenzstadt mit den kurkölnischen Machthabern, die Teilnahme an den Befreiungskriegen,
Gruppen aus der Biedermeierzeit, die Schützen des ersten Schützenfestes vor 100
Jahren etc.. Ihnen folgten die zahlreichen Vereine, die der Einladung gefolgt waren,
und der Jubelverein, unterbrochen von der Militärkapelle und dem Städt. Orchester und
vielen Trommlerkorps.
Motorspritze pumpte kühlendes Wasser
Der Schützenfestsonntag brachte als letzte Veranstaltung abends den großen Festball
in der wieder bis auf den letzten Platz gefüllten Halle, der traditionsgemäß durch eine
von den alten Majestäten und dem neuen Königspaar angeführte Polonaise eingeleitet
wurde.
Der 3. Tag stellte für unser hundertjähriges Jubiläums-Schützenfest Höhepunkt und
Ausklang zugleich dar. Wiederum war die Anteilnahme der Schützen wie der Bürgerschaft
über Erwarten groß, und die Feststimmung dieses letzten Schützenfesttages übertraf
fast noch die der beiden vorhergehenden Festtage. Für unsere Heimatstadt war der
Montag durchaus kein Werktag, und die Geschäfte und Betriebe hatten fast durchweg
durch früheren Geschäftsfluß ihrer Gefolgschaft die Teilnahme am Fest ermöglicht. Eine
angenehme Abkühlung war in der Nacht eingetreten, und der bedeckte Himmel hatte
die Sonnenglut der letzten Tage merklich gemildert. Weckruf und Böllerschießen leitete
auch den letzten Festtag ein. Im Wieden, den neugetauften "Schützenplatz", startete
um 8 Uhr der Morgenfestzug, der (wohl seinem tieferen Sinn entsprechend) bekanntlich
auch den Namen "Katerfestzug" trägt. Die Beteiligung der Schützen war auch diesmal
ungewöhnlich groß.
Ströme von Freibier
Danach stieg mittags das traditionelle Königsessen in der Festhalle. Nach Beendigung des
Essens traten die drei Schützenkompagnien im Wieden zum Festzug an, der teilweise
auch durch solche Stadtteile führte, die der Festzug des Vortages nicht hatte berühren
können. Groß war die Hitze, und die drückende Schwüle ließ auch nicht nennenswert
nach, als für kurze Zeit ein leichter Regen hernieder ging und wenigstens der Staubplage
Abbruch hat.
Als aber die Böllerschüsse den Beginn des Festzuges verkündeten, lachte wieder der
Himmel und blieb freundlich bis über den Festschluß hinaus. Dicht umsäumt von
riesigen Menschenmassen waren wieder die Straßen, durch die der glanzvolle Zug seinen
Weg nahm, und schmetternd hallten die Märsche der beiden Musikkapellen wider von
den geschmückten Häuserfronten, denn die Junggesellen-Kompagnie hatte sich
gewissermaßen selbständig gemacht und auf ihre Rechnung auch für den 3. Festtag
eine eigene Musikkapelle verpflichtet. Viele Betriebe und Geschäfte hatten geschlossen,
um ihren Gefolgschaftsmitgliedern die Teilnahme zu ermöglichen und so zeigte dann
das dem Festzug folgende Nachmittags-Konzert eine Hallenbesetzung auf, wie wir sie
in der Nachkriegszeit noch nicht erlebt haben.
Als der Zeiger der Uhr 8 1/2 anzeigte, mußte Schluß gemacht werden, um den Kindern
zu ihrem traditionellen Kindertanz zu verhelfen, währenddessen die Fahnen wieder zum
Rathaus gebracht wurden. Um 9 Uhr begann dann der das Fest abschließende Festball,
der erst in den frühen Morgenstunden des neuen Tages sein Ende fand.
Gedicht zum 100-jährigen Schützenfest von Luise Wiegand, veröffentlicht im
Süderländer Tageblatt:
Zum Schützenfest!
Unser Städtchen ist so festlich geschmückt,
Jahre vergingen, es verrann die Zeit,
"Einigkeit macht stark" ist die Parole.
Laßt uns nun feiern und fröhlich sein
Quelle: ST Anfang Juni 1936 in der Willeke-Chronik 1933-1939 (im Archiv HH)
100 Jahre Plettenberger Schützenfest
800
1350
1500
1813
1836 |