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ST-Jahresrückblick 1935: |
Quelle: S. 76 und 77 der "Willeke-Chronik" (1933-1939) im Archiv HH
Paul Thomée König bei Tropenhitze
Im 99. Jahre des Bestehens feierte die hiesige Schützengesellschaft am 22. und 23. Juni
ihr beliebtes Schützenfest. Wie im Vorjahre ließ man es auch in diesem Jahre wieder bei
2 Tage bewenden. Der Wettergott hatte das denkbar beste Wetter beschert und durch
eine regelrechte Tropenhitze den an und für sich schon schönen Durst der Schützen noch
sehr gesteigert. So war es denn kein Wunder, daß der Aufmarsch zum Scheibenstand am
Kohlbuschberg für manchen ein wertvoller Ersatz eines Schwitzbades war, und zwar mit
einer so durchschlagenden Wirkung, daß einzelne sich in ihre Bestandteile aufzulösen
schienen. Die Straßen der Stadt prangten im schönsten Grün- und Flaggenschmuck, ebenso
der Festplatz, auf dem sich eine große Kirmesstadt aufgebaut hatte. Überall, auf dem
Scheibenstand wie in der Festhalle, herrschte echte, fröhliche Feststimmung.
Vorauf ging am Samstagabend der Werbefestzug der Jungschützen, ausgerüstet mit
schöner Uniform und schmucken Federhütchen und grünen Büschen, voraus das
Tambourkorps "Gloria", durch die Straßen unserer Stadt und alsbald vernahm man auch
von Bergeshöh das Böllerschießen, womit das Schützenfest angekündigt ward. Der
Festsonntag wurde wiederum durch das traditionelle Böllerschießen angekündigt. Gegen
10 Uhr marschierte dann die Jungschützengruppe vom Wieden aus zur Wohnung des
Oberst, um dortselbst den Vogel abzuholen. Nach Rückmarsch zum Wieden begann
dann hinter der Festhalle das Vogelschießen. Es war ein friedlicher aber heißer Wettkampf
und so rechten Spaß machte und allen, die Zeugen dieses Ringens waren und erst
gegen 12 Uhr wurde von dem Jungschützen Alex Allhoff der Meisterschuß getan.
Im Anschluß hieran erfolgte dann in der Festhalle die Fahnenweihe der Jungschützengruppe,
die der Kreissportleiter der Schützenvereine im Gau Westfalen-Süd vornahm. Während des
Weiheaktes heftete er noch das Hakenkreuz-Wimpel an dieselbe mit den Worten, die der
Führer einst sprach: "Vor uns liegt Deutschland und nach uns kommt immer nur Deutschland!"
Nachmittags gegen 1 Uhr bewegte sich der Schützenzug unter Vorantritt des Musikkorps des
A.-Inf.Regt. 18 Arnsberg zum Rathaus, woselbst die Fahnen abgeholt wurden und dann zur
Wohnung des Vorsitzenden, um den Vogel in Empfang zu nehmen, worauf unter klingendem
Spiel der Marsch zum Scheibenstand auf dem Kohlbuschberge führte. Oben angelangt begann
das Ringen um die diesjährige Königswürde. Manche Feuerpause mußte eingelegt werden,
denn der hartnäckige Vogel wollte und wollte nicht fallen. Erst gegen 7 Uhr wurde er beim
643. Schuß vom Adjutanten des Oberst Paul Thomée abgeschossen, während genau
vor 25 Jahren sein Vater Schützenkönig wurde.
Nach kurzer Rast begann dann der Abstieg ins Tal, um von der Hestenbergbrücke aus zur
schön geschmückten Schützenhalle zu marschieren und dem sich anschließenden Kommers
und Tanz beizuwohnen. Im Verlauf des Festkommers wurden die Krönung des neuen
Königspaares der Altschützen vorgenommen und der gesamte Hofstaat vorgestellt. Nachdem
die begeisterten Hochs verklungen waren, wurde von Jung und Alt noch einige Zeit das
Tanzbein geschwungen.
Auch der zweite Festtag zeigte das herrlichste Sommerwetter, denn die Sonne meinte es zu gut.
Nach Antretend der 2. Kompagnie am Frühmorgen zum Anholen der Fahne und Rückkehr zur
Halle formierten sich die Schützen zu einem Festzug durch die Stadt. Nach Rückkehr in die
Halle ein kurzes Verschnaufen und Inempfangnahme der Biermarken. Alsdann nahm das
Frühkonzert mit Biergericht seinen Anfang. Die alsdann zur Verlesung gebrachten Urteile lösten
bei den Anwesenden ob ihrer öfters sehr originell zusammengestellten Anklageschriften größte
Heiterkeit und Humor aus.
Zu dem sich anschließenden Königsessen hatte sich eine Anzahl Teilnehmer eingefunden, denen
das vorzüglich zubereitete Mahl des Festwirts Heseler bestens mundete. Für 2.30 Uhr war der
Festzug der Jung- und Altschützen programmgemäß angesetzt, jedoch war eine Verzögerung
nicht zu umgehen, da der liebliche Sonnenhimmel sich in ein schwarzes Wolkenmeer verwandelte
und zuckende Blitze mit Donnergetöse und Regen herniedersandte. Mittlerweile zeigte die Uhr
die 4. Nachmittagsstunde an, als sich der Himmel erhellte und die Schützen, nachdem sich die
Luft etwas abgekühlt hatte, auf dem Festplatz zum Festzuge formierten. Als der gesamte Hofstaat
auf dem Festplatz aufgefahren war, setzte sich der Festzug durch die Hauptstraße der Stadt in
Bewegung, freudig begrüßt von den Spalier bildenden Bürgern.
Nach Beendigung des wirklich schönen Nachmittagskonzertes schloß sich ein sehr gut besuchter
Festball an. Es war schon heller Morgen, als endlich Majestät Paul I. Feierabend gebot. Mit dem
Heimgeleiten des neuen und alten Königspaares fand das Schützenfest seinen Abschluß. |